im meniere-land

22
Mrz
2014

Herr Wichtig am Telefon

Neulich morgens hatte ich eine Mail von Herrn Wichtig im Posteingang. Er werde mich gegen Mittag anrufen, schrieb er. Es war ein schlechter Tag. Ich hörte schlecht, telefonieren fiel mir auch mit maximaler Lautstärke auf dem Telefon-Lautsprecher schwer. Aber es schien mir nicht angebracht, auf einen Austausch per Mail zu bestehen.

Ich schrieb: "Ja, gerne. Ich bin hier." Sollte ich ihm auch schreiben, er müsse deutlich mit mir sprechen? Ich hatte noch nie mit ihm telefoniert. Vielleicht war er einer dieser Herren Wichtig, die ihre Autorität beweisen, indem sie leise sprechen. Dann müssen sich alle Zuhörer nach vorne neigen und an ihren Lippen hängen. Da hat niemand Zeit, über Widerstand nachzudenken.

Ich schrieb es ihm dann doch nicht.

Um elf klingelte das Telefon. Es war Herr Wichtig. Er schmurgelte an mein Ohr: "Grüezi, hiss wichsch ihajsa dasch arrrwürr." "Wie bitte?!" fragte ich. Er wiederholte, was er gesagt hatte - natürlich etwas vollkommen Irrelevantes, wie "ich habe Ihnen doch geschrieben, dass ich anrufen würde." Oder: "Wie geht es Ihnen?" - ohne dass er darauf eine andere Antwort als "gut" erwartete. Oder etwas in der Art. Das gehört zu den Peinlichkeiten an der Schwerhörigkeit: Dass man nachfragt, und es stellt sich heraus, dass die Leute etwas total Unwichtiges gesagt haben, zum Beispiel "schönes Wochenende!" "Hier bin ich also!".

Ich bat ihn, deutlich zu sprechen. Er tat es. Es kennt meinen Fall - denn, ja, für gewisse Leute bin ich ein Fall, eben auch für Herrn Wichtig. Es war sehr nett von ihm, dass er mich überhaupt anrief.

Es war eine dieser saublöden Situationen, in denen man sowieso leicht in eine Huscheli*-Rolle gerät. Und als Schwerhörige erst recht. Die Leute nehmen einen dann von Anfang an nicht so recht ernst.

Zum Glück hatte Herr Wichtig eine laute Stimme und eine sehr klare Artikulation. Möglicherweise hat er sogar eine etwas feuchte Aussprache. Das konnte ich am Telefon aber nicht beurteilen. Und ausserdem ist er ein so vielbeschäftigter Mann, dass er gar keine Zeit hatte, sich zu überlegen, ob ich nun ein Huscheli sei.

* Schweizerdeutsch für eine Frau ohne Selbstbewusstsein.

16
Mrz
2014

Enttäuscht

Ist es gesund, wenn ich mich einer neu entdeckten Leidenschaft fürs Geschichtenschreiben mit Haut und Haar hingebe? Das habe ich mich hier gefragt. Zweifel sind berechtigt. Ich habe eine chronische Krankheit. Ich habe ein empfindsames Gehör. Deshalb habe ich schliesslich eine Abmachung mit mir getroffen: Ja, ich schreibe. Ich tue alles, was ich glaube, tun zu müssen. Aber ich höre auf damit, wenn mein gutes Ohr versagt. Ich höre auf, wenn ich die Kirchenglocken draussen nur noch mit dem Hörgerät höre. Ich höre auf, wenn der Verkehr draussen klingt, als läge Schnee auf der Strasse. Ich höre auf, wenn ich aus dem Radio in Herrn T.s Zimmer nur noch "pfs" und "schs", aber keine zusammenhängenden Sätze mehr verstehe. Wenn Musik nur noch quäkt und nicht mehr klingt. Ich höre auf, wenn ich Gefahr laufe, nicht mehr telefonieren zu können.

Soweit ist es jetzt.

Das ist ein klares Zeichen. Das heisst: Ich muss aufhören. Ich bin jetzt nur noch nicht ganz sicher, was aufhören in dieser Situation genau heisst.

20
Jan
2014

Die freie Wildbahn

Menschen mit Hörproblemen werden Berufe mit tumultösem Sitzungsbetrieb oder Hintergrundlärm meiden. Sie werden eher nicht Radiofrau, Telefonistin oder Börsenmaklerin. Das ist das Wesen einer Behinderung: Sie hindert einen an gewissen Dingen - manchmal auch daran, seinen Traumberuf auszuüben. Auch ich übe nicht mehr die Tätigkeit aus, in der ich einmal glücklich gewesen bin. "Aber ich habe eine gute Lösung gefunden. Ich bin zufrieden", sagte ich neulich bei einem Treffen von Menschen mit Hörproblemen.

Nun können schwerhörige Menschen ausgezeichnet Gesichtsausdrücke lesen. Denn eine Miene sagt oft mehr als 1000 Worte - allerdings oft auch etwas anderes. Ich nehme an, dass meine sechs Gesprächspartner in meinen verzogenen Mundwinkeln lasen, dass das nur die halbe Wahrheit ist.

"Ich habe Mühe das zu glauben", sagte denn auch Frau Wolf, die im Unterschied zu mir seit ihrer Kindheit schlappohrig ist. Sie selber habe jahrelang damit gehadert, dass sie nie eine Tätigkeit in lauter und hektischer Umgebung habe ausüben können. "Das hätte ich geliebt. Ich habe mich oft gefragt: Wie ist das Leben für jemanden, der gut hört? Wie fühlt es sich an, all diese Möglichkeiten zu haben?" Frau Wolf ist eine lebhafte Person mit einem wachen Verstand. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie in einem betriebsamen Büro mit viel Ein und Aus und schnellen Reaktionszeiten glücklich gewesen wäre.

Neulich sah ich am Fernsehen einen Film über Labormäuse. Bei den bedauernswerten Nagern verändert sich in Gefangenschaft das Gehirn - weshalb sie oft ohne Ende im Kreis herumrennen. Hier sieht man so etwas, so ab Sekunde 16. Den Rest erspart man sich lieber.

"Wissen diese Tierchen, dass sie bedauernswert sind?" fragte ich mich. "Sind sie unglücklich, dass sie nicht in Freiheit leben können? Wissen sie überhaupt, dass es die freie Wildbahn gibt?" Plötzlich erinnerte ich mich an das, was Frau Wolf gesagt hatte. Ich muss gestehen: Ich fühlte mich diesen Mäusen ähnlich.

Nun muss ich mit aller Deutlichkeit sagen: Der Job, den ich heute habe, ist alles andere als ein öder Käfig. Ich mag ihn. Im Vergleich zu allem, was nach den gesundheitlichen Katastrophen des Jahres 2009 in meinem Arbeitsleben hätte passieren können, ist er eine prima Sache. Ich glaube sogar, dass ihn auszüben mein Gehör einigermassen stabil hält.

Es ist mehr der Mangel an Optionen, der mir manchmal das Gefühl gibt, wie eine gefangene Maus im Kreis zu rennen. Und während ich meine Kreise ziehe, nagt etwas an mir: Ich weiss nicht mehr, ob ich überhaupt in freier Wildbahn bestehen würde, wenn ich denn keine chronische Krankheit hätte.

Vielleicht ist es genau das, was auch Frau Wolf verunsicherte - dieses Nichtwissen, ob man den Herausforderungen gewachsen wäre, die die Erfüllung der eigenen Träume an einen stellen würden.

4
Jan
2014

Schwindel

Am Silvesterabend hatte ich einen Schwindelanfall. Nichts Schlimmes. Etwa Stufe drei auf meiner achtstufigen Richterskala der Meniere-Schwindelanfälle. Am nächsten Morgen hatte ich ihn vergessen, war etwas verkatert und schrieb einen larmoyanten Neujahrs-Blogbeitrag.

Ich möchte auch nicht nachträglich klagen. Es geht mir hier nur darum, präzis zu beschreiben, wie es war.

Es passierte nach einem gemütlichen Abendessen bei Freunden. Wir waren zu viert, vertraute Bekannte, bei denen ich mich wohl fühle. Dann tat sich plötzlich Leere unter meinem Kopf auf. Es gibt diese zarte Stelle unter dem Rand des Schädels, genau da, wo sich hinter den Ohren der Schädelknochen leicht anhebt.



Kurz bevor Os temporale und Os occipitale aufeinander treffen.

Wenn man seine Finger fest auf die Stelle drückt, kann man seinen Puls spüren. Beim Meniere-Schwindel ist es, als würde dort das Gerüst aus Schwerkraft und Muskelspannung einstürzen, das den Kopf an seinem Platz hält. Man denkt nie an dieses Gerüst. Aber wehe, wenn es fällt! Dann gehen unfassbare Abgründe auf.

Wenn das Konstrukt nur an dieser Stelle einstürzt, kann ich damit umgehen. Ich kann meinem Rückgrat befehlen, gerade zu bleiben. Wenn ich stehe, kann ich mich irgendwo festhalten. Ich kann das Gleichgewicht in den Füssen und den Hüften suchen statt im Kopf. Ich hatte einen solchen Schwindelanfall letzten Herbst, als der Zahnart an meinem Gebiss herumschliff. Mein Kopf verweigerte den Dienst an der Schleifmaschine. Nur mein eiserner Wille konnte ihn halten.

An Silvester musste ich mich nicht sehr anstrengen. Der Schwindelanfall zog vorüber und kam nicht wieder.

Hatte ich zu viel getrunken? Ich glaube nicht. Ich war wohl so bei meinem vierten Glas Wein in drei Stunden. Von dieser Menge bekomme ich normalerweise keinen Schwindelanfall. Aber vielleicht forderte die ausdauernde weihnachtliche Fehlernährung mit Alkohol und Süssigkeiten ihren Tribut. Vielleicht war meinem System der hochfrequente Wechsel zwischen Familienfeierlichkeiten und dem Büro zu viel geworden.

Jedenfalls spinnen meine Ohren seither wieder. Hinter meinen Gehörgängen kleben Kugeln aus elektrisch geladenem Filz. Wenn Schall auf sie trifft, franst er aus.

13
Nov
2013

Ich lerne Gebärdensprache

Gestern habe ich im Bus eine gehörlose Bekannte getroffen. Sie brachte mir meine ersten Wörter in Gebärdensprache bei:

arbeiten:

Pause: Beide Fäuste stehen nebeneinander und scheinen dann etwas zu zerbrechen.

schwierig: sehr hübsche Geste!
(Bilder: www.tanne.ch, deutschschweizerisches Zentrum für die Bildung, Betreuung und Beratung taubblinder und hörsehbehinderter Menschen).

Mir scheint, in diesem fünf Minuten Busfahrt habe ich gelernt, mein ganzes Leben zu erklären.

18
Sep
2013

N wie Nordpol

Wenn ich von meinen Gehörproblemen erzähle, dann sagen hie und da Leute zu mir: "Willst Du nicht Gebärdensprache lernen?" Sie denken: Hördbehindert... Gebärdensprache... na, passt doch! Nun ja, man darf den Leuten solche gedankliche Kurzsichtigkeit nicht übel nehmen. Sie meinen es ja gut.

Aber es ist eben so: Wenn ich von Klein auf schwerhörig gewesen wäre, ja, dann würde mir die Gebärdensprache etwas nützen. Dann wäre ich in eine Schule für Menschen mit Hörbehinderung gegangen - und ich hätte ich viele Freunde, die auch gebärden. Bin ich aber nicht. Ich bin 48, habe erst seit ein paar Jahren Gehörprobleme und ganz wenige hörbehinderte Bekannte. Keiner von ihnen gebärdet.

Kurz: Wenn ich für den Alltag auf die Gebärdensprache angwiesen wäre, dann wäre ich so einsam wie auf dem Nordpol.

A propos Nordpol: Ähnlich wohlmeinende Ratschläge bekam ich kürzlich aus dezibel, der "Zeitschrift für Hören und Erleben". Ich muss hier vorausschicken: Ich bin dankbar, dass es dieses Magazin gibt. Es hat mir gewiss schon das Leben gerettet. Es zeigt mir immer wieder mit guten Porträts, dass ich nicht allein bin. Und es greift Themen auf, die uns Schlappohren* unmittelbar betreffen.

Vom Artikel über "Hörbehinderte Menschen am Telefon" (3/2013) war ich aber enttäuscht. Zunächst jedenfalls. Denn da steht zum Beispiel als Tipp: "Den Hörer so ans Ohr halten, dass die Verständlichkeit am besten ist." Also, Freunde, das habe ich nun wirklich selber schon gemerkt!

Ferner stand da: "Buchstabieren kann sich als sehr hilfreiche Unterstützung erweisen, insbesondere bei unbekannten ... Ausdrücken. Es empfiehlt sich, das Telefon-Alphabet zu verwenden." Ihr wisst schon: A wie Anton, N wie Nordpol (wobei es in der Schweiz 'N wie Niklaus' heisst, aber einerlei) und Z wie Zeppelin.

"Wozu soll das denn gut sein?!" fragte ich mich. "Die anderen müssen doch für mich buchstabieren, wenn ich nicht gut höre. Nicht ich für sie!" Ich stiess einen Schlappohren-Seufzer aus, diesen tiefen Seufzer des Nichtverstandenwerdens.

Aber ich wurde eines Besseren belehrt: Gestern hörte ich zwar ganz gut. Aber ich hatte ein Telefon von einem Kunden mit einem Sprachfehler. Er hiess Pfesch. Oder Zesch? Ganz sicher war ich mir nicht.

Sie meinen "P wie Paula und F wie Friedrich?" fragte ich höflich nach. Tatsächlich: Es klappte!

* Mit dem Begriff "Schlappohren" bezeichnen sich hier in Luzern einige Menschen mit Hörbehinderung. Wenn wir das selber tun, ist das natürlich ok und politisch korrekt!

14
Aug
2013

Am Königsweg gescheitert

Die sächsische Schweiz kennt jede Menge Flurnamen, die uns Schweizer exotisch anmuteten: Das Wort "Kirnitzschtal" etwa ist für uns ein köstlicher Zungenbrecher. Dann gibts den Kuhstall, der kein Holzbau, sondern ein Felsentor ist. Es gibt die Affensteine und den Weiberfährenweg, der zu keiner Fähre führt. Es gibt den Diebshöhlenbach, den Zahnsgrund und den Klüftelweg. Und für erschöpfte Wanderer die Gaststätten "Stiller Fritz" oder "Erbgericht".

Die Berge erinnern mit ihren Namen häufig daran, dass Deutschland früher eine Gesellschaft mit einer vielstufigen Rangordnung gehabt hat: Der Pfaffenstein ist der bescheidenste unter den felsigen Häuptern der sächsischen Schweiz. Edler ist der Lilienstein, wie geschaffen als Namensgeber für eine noblen Familie. Und natürlich den Königstein.

Es gibt auch den Königsweg. Warum er allerdings so heisst, wird mir wohl für den Rest meines Lebens ein Rätsel bleiben. Er führt mitten durch den Nationalpark südöstlich von Bad Schandau. Aber ich fand ihn überhaupt nicht königlich.

"Königsweg" nennt man ja auch den besten Weg zu einem schwer erreichbaren Ziel. Klar, dass wir ihn für unseren Abstieg von den Winterbergen wählten. Es war unsere letzten Wanderung. Wir hatten auf dem Grossen Winterstein noch einmal die wahrhaft majestätische Aussicht auf das Elbtal genossen.


(Im Hintergrund noch einmal der Lilienstein)

Die ganze Gegend dort oben ist umwerfend. So umwerfend, dass Menière-Patientin Frogg ausgerechnet dort oben einen leichten Schwindelanfall bekam. Zunächst hielt ich ja noch tapfer die Ohren steif. Bis ich feststellte, dass der Königsweg nicht nur zwischen Felsen verlief - sondern einer rund 200 Meter hohen Felswand entlang. Ohne Geländer.

Ich muss gestehen: Ich zwang Herrn T. zur Umkehr.

Ich scheiterte übrigens nicht nur am Königsweg - sondern auch an der Himmelsleiter, einem charmanten Aufstieg beim Kuhstall:



"Ich will noch nicht in den Himmel", sagte ich entschieden zu Herrn T. und kehrte um.

Dennoch fand ich beide Erlebnisse sehr bedenklich. Ich hätte sie weniger bedenklich gefunden, wenn die Wege nicht "Himmelsleiter" oder "Königsweg" geheissen hätte.

27
Jul
2013

Ich funktionierte

Ich hörte auf dem rechten Ohr fast gar nichts mehr. Aber ich funktionierte. Ich montierte links mein Hörgerät. Ich ging ins Büro. Ich arbeitete. Ich stellte fest: Das Hörgerät brachte mich über die Runden. Einigermassen.

Kurz vor zwölf Uhr begann mein rechtes Ohr, Lärm zu machen. Heftigen Lärm. Es dröhnte und sauste und pfiff wie eine wahnsinnig gewordene Lüftung. Das kenne ich mittlerweile. Wenn das passiert, weiss ich: Bald höre ich besser.

Ich hörte bald besser, wenigstens ein bisschen. Ein paar peinliche Situationen gab es. Als ich ging, traf ich im Treppenhaus flüchtig den netten Kollegen Mek. Ich muss vorausschicken: Treppenhäuser sind für Schwerhörige schreckliche Orte. Sie hallen. Die Leute haben es eilig und werfen einander irgendwelche Phrasen an den Kopf. Oder vielleicht auch mehr als Phrasen. Mek sagte: "Grumbelhallgrumbelhallhall... Wochenende." Er muss "schönes Wochenende" gesagt haben, dachte ich. Ich sagte: "Danke gleichfalls." Da drehte er sich um und sagte: "Nein, nein. Ich habe gesagt: Gehst Du jetzt ins Wochenende?" Ich war so gestresst, ich war nicht im Stande, ihm eine klare Antwort auf diese einfache Frage zu geben.

Ich ging nach Hause und war entsetzt: "Wenn das jetzt der Normalzustand wird, dann schaffe ich das nicht. Ich schaffe das nicht." Es ist unangenehm. Es ist demütigend. Es ist der Horror. Wenn man seine eigene Stimme nicht mehr hört, dann hat man keine Kontrolle mehr über sein Leben, dachte ich. Man weiss nicht, wie laut man sprechen muss, um sich Gehör zu verschaffen. Und die anderen hört man sowieso nicht mehr.

Aber ich habe solche Phassen schon ein paarmal durchgemacht. Ich denke: "Ich schaffe das nicht." Ich drehe fast durch. Dann wird es besser, und ich habe Angst, dass es wieder schlimmer wird. Dann wird es wieder schlimmer, und irgendwann habe ich mich dran gewöhnt, und es geht irgendwie. Manchmal bin ich sogar glücklich.

Und dann kommt das Nächste Desaster.

So ist das mit meinen Ohren. Seit 13 Jahren.

26
Jul
2013

Schock beim Aufwachen

Als ich heute Morgen aufwachte, schockierte mich mein Gehör wieder einmal: Wenn ich mir das linke Ohr zuhielt, konnte ich meine Stimme überhaupt nicht mehr hören. Mein rechtes Ohr war so gut wie taub.

Um zu verstehen, was das heisst, muss man wissen: Mein rechtes Ohr ist eigentlich mein gutes Ohr. Hörtests am Mittwoch hatten ergeben, dass ich auf der rechten Seite noch das bessere Sprachverständnis habe - oder hatte. Vor zwei Tagen.

Schon vor zwei Tagen stand es nicht gut um mein Gehör. Heftige Schwankungen. Nun, Gehörschwankungen sind das Wesen einer Menière-Erkrankung. Ich habe mich daran gewöhnt. Wenn es schlimm ist, empfinde ich keinen Horror mehr, keine Trauer. Nur noch leise Bitterkeit. Und eine entfernte Ahnung, dass die Welt nicht in Ordnung ist.

Aber so schlimm wie heute war es noch nie.

Es ist Sommer, unsere Fenster stehen offen. Draussen hörte ich ein Handy mit einem merkwürdig schrumpeligen Ton. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff: Das war kein Handy. Das war eine Ambulanz.

20
Jul
2013

Der Schrammstein-Entschluss

In den Schweizer Alpen muss man ja für eine richtig tolle Aussicht um sechs Uhr morgens aufstehen und dann vier Stunden stetig steigen. In der sächsischen Schweiz verlässt man dagegen um zehn Uhr gemütlich die gute Stube - und geniesst zwei Stunden später die grandiose Aussicht auf dem nächsten Gipfel.

Doch zeigte sich schnell, dass dass das für Schweizerin Frogg mehr als genug war. Als sie den ersten richtigen Berg in Sachsen bestieg, kamen bei ihr bedenkliche Fitness-Defizite an den Tag.

Es ging auf die Schrammsteine - und da hinaufzusteigen lohnt sich. Die Aussicht ist phantastisch:


(Bild vom kulturflaneur)

Die Felstritte und Leichtmetall-Treppchen dort oben brachten mich aber mächtig ausser Puste.

Ich bin früher eine ausdauernde Bergziege gewesen. Dass ich 200 Meter Höhenunterschied mit krebsroter Birne bewältigen musste, fand ich blamabel. Ich hatte sogar Herzrasen! Und neben mir hüpften tschechische Touristen wie Rehlein gipfelwärts.

Einmal oben erforschte Herr T. auch noch den letzten Felszacken. Frau Frogg dagegen blieb im Bereich mit den schwindelpatientensicheren Geländern, blickte übers Land und fragte sich: Was ist bloss mit mir passiert?

Ich musste mir eingestehen: Es ging um die Frage, wie viel ich mir im Alltag abverlange. Wegen meiner Menière-Erkrankung neige ich dazu, meine Grenzen nicht allzu forsch auszutesten. "Sie brauchen genug Erholungszeit, sonst kippt ihr gutes Ohr", hat ein Arzt einmal zu mir gesagt - und ich nickte, denn das wusste ich bereits aus Erfahrung. Allerdings hätte ich es selber nicht in so simple Worte fassen können.

Dazu kamen merkwürdige Fussschmerzen im letzten Herbst. Eine richtige Diagnose dafür habe ich nicht gesucht. Ganz weggegangen sind sie aber auch nicht. "Ich werde eben alt", dachte ich. "In zwei Jahren bin ich 50." Und ging dazu über, auch meine Füsse - genau wie meine Ohren - etwas mehr zu schonen als früher.

Zwar habe ich immer noch einen Schrittzähler und lege meine 10000 Schritte im Tag zurück, meistens in der Stadt und mit gutem Schuhwerk. Damit hat es sich.

Zu wenig, stellte ich auf den Schrammsteinen fest.

Deshalb fasste ich dort oben einen Entschluss: "Ich werde jetzt ausprobieren, ob ich ein bisschen Konditionstraining aushalte", sagte ich mir. Schliesslich warteten in der sächsischen Schweiz noch weitere Berge auf uns. Ich musste wieder berggängig werden, wenn ich nicht im Tal versauern wollte. Länger als fünf Stunden dauern Wanderungen dort sowieso selten. Genug Erholungszeit blieb mir also täglich.
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Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
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diefrogg - 9. Jan, 18:14
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ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

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