im meniere-land

4
Jun
2013

Beglückendes Fleckchen Erde

Manchmal muss man im Leben Dinge aufgeben. Dann erzählt man sich selber ja gerne, man habe dafür auch etwas gewonnen - mehr Freiheit oder mehr Tiefe. Oder man sei auf dem Weg zu sich selbst ein schönes Stück vorwärts gekommen. Deshalb erzähle ich mir gerne, dass ich glücklich bin, wenn ich auf diesem blühenden Fleckchen Erde bin:



Bitte entschuldigt die Unschärfe des Bildes - das Plätzchen liegt direkt über der Autobahn und hat immer Fahrtwind. Das ist ärgerlich. Denn ich würde gern beweisen, dass die karminroten Blüten auf dem Bild eine Rarität sind: Es sind Karthäuser-Nelken. Ausserdem blühen dort Pyrenäen-Storchenschnäbel* und Saat-Esparsetten. Unter anderem.

Und der Ort erinnert mich daran, was für einen langen Weg ich in den letzten dreieinhalb Jahren zurückgelegt habe. Denn bis 2009 war dieses Fleckchen Erde ein Kiesweg, genauer: die Route, auf der ich oft joggte. Ich donnerte über den Weg und sah nichts. Ich hätte eine Karthäuser-Nelke nicht von irgendeinem Storchenschnabel unterscheiden können oder wollen - selbst wenn das alles damals schon dagewesen wäre.

Als 2009 die grosse Autobahn-Sanierung "Cityring" begann, schütteten Bauarbeiter den Weg zu und sperrten ihn. Ich ärgerte mich und suchte andere Jogging-Strecken. Doch dann eskalierten ohnehin meine Ohrenprobleme. Ich entschleunigte mein Leben - nicht ganz freiwillig - radikal. Ich wurde von der Joggerin zur Hardcore-Spaziergängerin. Ich begann mich für Pflanzen zu interessieren. Im letzten Herbst entdeckte ich, dass aus meinem Jogging-Weg eine Ruderalfläche mit einer faszinierenden Pflanzenvielfalt geworden war.

Seither besichtige ich die Stelle einmal pro Woche.

Meistens bin ich dann bezaubert.

Aber wenn ich vor meinem Besuch mit Menschen aus meiner Vergangenheit zusammengeworfen werde, dann sehe ich manchmal nur die Autobahn und bin unzufrieden und denke: Es gibt auch Dinge, die mir an meinem neuen Leben nicht gefallen. Dann werde ich ein bisschen bitter. Ein bisschen misanthropisch.


*an meine deutschen und österreichischen Leser: Ja, ich weiss, dass das auf Hochdeutsch "Storchschnäbel" heisst. Aber ich schreibe das Wort - mit Verlaub - hier gerne so, wie uns hierzulande der Schnabel gewachsen ist.

26
Mai
2013

Epochale Erkältung

Gestern Morgen beim Aufwachen sagte ich halblaut "Hallo!?" zu mir selber. Ich tue das öfter, wegen meiner schwankenden Hörfähigkeit. Ich weiss gerne schon beim Aufstehen, ob ich mich selber noch sprechen höre. Dann kann ich mich besser auf die Herausforderungen des Tages vorbereiten.

Gestern Morgen hörte ich mich nicht. Ich war aber nicht sicher, ob es nur an meiner Gehörschwäche lag. Vielleicht lag es auch an meiner Stimme. Ich habe eine epochale Erkältung - vielleicht war ich einfach heiser.

"Eine Erkältung, das ist doch etwas Banales!" lästert ihr jetzt. Das hätte ich früher auch gesagt. Früher waren Erkältungen mir egal. Ich tat auch nichts gegen jenen epischen Husten, der mich in meinen Zwanzigern manchmal wochenlang begleitete. "Wenn man nichts gegen eine Erkältung tut, dauert sie 14 Tage. Wenn man etwas gegen sie tut, dauert sie zwei Wochen", pflegte meine Mutter zu sagen. Daran glaubte ich, auch wenn sie zwei Monate dauerte.

Das alles änderte sich, als meine Menière-Erkrankung eine ernste Sache wurde. Ich merkte, dass Erkältungen mir auf die Ohren schlagen. Manchmal nur für ein paar Tage. Manchmal für sehr, sehr lange. Ich begann, Erkältungen zu fürchten.

Je instabiler mein Gehör wurde, desto besser wurde meine meine Erkältungs-Prävention.

Ich griff zu Echinaforce und Vitamin C mit Zink - und ich mache täglich Spaziergänge. Ich war diszipliniert. Man könnte fast sagen: Die Erkältungs-Prävention strukturierte meinen Alltag. Und glaubt mir: Es half. Seit dem Frühjahr 2010 hatte ich keinen nennenswerten Schnupfen mehr gehabt.

Doch vor zwei Monaten wurde ich leichtsinnig. Es ging mir gut, ich wollte nicht ständig an Medikamente denken. Ich vergass das Vitamin C und das Echinaforce. Und am letzten Mittwoch überfiel mich eine Erkältung blitzschnell aus dem Hinterhalt. Es begann mit Schluckbeschwerden, wie üblich. Wobei das Wort "Schluckbeschwerden" die Sachlage nicht sehr genau bezeichnet. Es war vielmehr so: Jedesmal, wenn ich schluckte, jaulte zwischen Stirn und Schulterblättern jede Faser meines Körpers vor Schmerz.

Dann kam ein sintflutartiger Schnupfen. Und vorgestern Abend musste ich beim Einschlafen daran denken, dass die Ureinwohner Amerikas scharenweise an Erkältungen starben - einfach, weil sie keine Immunkräfte gegen die fremden Viren hatten.

Heute bin ich noch am Leben - und meinem Gehör gehts so gut, dass ich immerhin weiss: Ich bin sehr, sehr heiser.

17
Apr
2013

Wenn die Patientin reist

Mein Leben ist ein ständiges Hin und Her zwischen Panik und fröhlicher Selbstüberschätzung. Das ist so, seit ich schwere Menière-Symptome auf dem rechten Ohr habe: Wenn ich Stress habe, werde ich auf dem rechten Ohr schwerhörig - manchmal so stark, dass ich nur noch mit grosser Mühe telefonieren kann. Das linke Ohr ist schon seit Jahren lädiert.

Die Schwerhörigkeit schränkt mich in akuten Phasen im Zwischenmenschlichen stark ein. Deshalb habe ich Angst vor akuten Phasen. Eine akute Phase kann ich schon bekommen, wenn ich Angst vor Stress habe. Klar, dass ich Stress meide wie der Teufel das Weihwasser.

Reisen ist für mich ein Stressfaktor. Eine Zeitlang wäre ich am liebsten gar nicht mehr verreist. Doch das passte Herrn T. nicht. Er drohte gar, mir deswegen seine Liebe zu kündigen. Zudem reise ich im Grunde fürs Leben gern. Man kann nicht nicht leben, dachte ich.

Also flogen wir vor zwei Jahren im Sommer in die Südtürkei. Ich kann das, dachte ich. Ich kenne die Gegend. Es ging mir gerade ziemlich gut. Ich freute mich wie ein kleines Kind. Doch dann musste ich feststellen: Ich hatte mich selbst überschätzt. Die Hitze war mir zu viel. Alle zwei Tage streikte mein Gehör. Ich lebte in Angst und Schrecken. Wir brachen die Übung verfrüht ab.

Letztes Jahr entschieden uns für ein ruhiges Plätzchen im nicht allzu heissen Tessin. Die Anreise war kurz. Auch unsere Wanderungen dauerten nie länger als drei, vier Stunden. Mein Gehör schwankte, aber in einem inzwischen normalen Bereich. Schwierigkeiten bekam ich erst, als wir eines Tages einen sechsstündigen Ausflug mit Fussmarsch nach Brissago machten. Ich liebte Brissago. Aber auf dem Rückweg im vollen Schiff ertaubte ich. Meine Ohren dröhnten.

Ich habe Lehren aus diesen Erlebnissen gezogen. Ich weiss: Allzu viel Wärme oder Kälte tun mir nicht gut. Lange Ausflüge tun mir nicht gut. Die enge öffentlicher Verkehrsmittel tut mir nicht gut. So hoffe ich, allmählich eine Mitte zwischen Panik und Selbstüberschätzung zu finden.

Im Sommer reisen wir nach Dresden. Das ist nur zwei Flugstunden weit weg. Die Jahresdurchschnittstemperatur ist gleich hoch wie bei uns. Auf uns warten Freunde, die uns vor dem Ankunftsstress in der Fremde bewahren werden. Ich freue mich wie Kind. Und doch habe ich ein bisschen Angst.

22
Jan
2013

Bis auf die Knochen

Heute waren wir im Zentrum Paul Klee in Bern. Ich bin noch nie dort gewesen. Ich fand das Ganze gelungen, wenn auch ein bisschen zu wohl situiert, zu familiengerecht, zu weichgespült.

Bis in der Ausstellung Vom Japonismus zu Zen diese bange Frage an den Tod auf meinen Sehnerv traf:

"Wird wenigstens ein Lieblingslied
zu hören sein
im Ohr meiner Gebeine?"

Er stammt aus dem Gedicht eines japanischen Poeten zu diesem Bild von Paul Klee.


"Tod und Feuer", 1940, Quelle: mypicasso.com

Da strömte die Erinnerung an einen meiner späten Lieblingssongs durch mein Fleisch und riss einen unterirdischen See des Schmerzes in mir auf.

12
Jan
2013

Altenheim und Totenschädel

Der Anblick eines Altersheims hat eine extrem klärende Wirkung auf meinen Geist. Die Nähe einer solchen Einrichtung wirkt auf mich wie auf unsere Vorfahren der Anblick eines Totenschädels: als ein memento mori. Eine Erinnerung daran, dass ich sterben werde.

Totenschädel wirken auf uns Heutige ja nur noch pittoresk. Sehen wir so einen Knochenhaupt, denken wir an den Totenkult in Mexiko und bekommen Lust auf eine herbstliche Reise in den fernen Süden.


(Quelle: www.mexiko4u.at)

Über wichtige Fragen im Leben sollte man deshalb nicht angesichts eines Totenschädels entscheiden. Sondern in der Nähe eines Altersheims (ja, ich weiss - es heisst korrekt hochdeutsch "Altenheim" - aber lasst mich hier schreiben, wie es mir das Leben in die Nervenenden meiner Finger graviert hat: Auf Schweizerdeutsch heisst es Altersheim, oder marketingdeutsch: Betagtenzentrum).

Bei einem Gang am Betagtenzentrum in unserem Quartier vorbei habe ich mich vor sieben Jahren gegen das Kinderkriegen entschieden. "Du wirst einmal an Weihnachten hier drin sitzen und ganz allein sein", sagte eine innere Stimme zu mir. Ich antworte: "Ja, ich weiss. Das ist traurig. Aber leben muss ich jetzt." Ich staunte, wie gelassen ich dabei blieb.

Und dieser Tage schritt ich mit lautem Gedröhn in den Ohren durch vorabendliches Verkehrschaos im Westen unserer Stadt. Ich war grauenhaft schwerhörig. Es dunkelte schon. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel am Himmel über mir ein paar Vögel vorbeiziehen. "Störche?" dachte ich. Ich hob den Kopf gen Himmel. Es waren wohl nur Krähen, aber ich sah die Weite über mir und plötzlich klärten sich wenigstens meine Gedanken. "Es könnte Dir noch schlechter gehen", dachte ich. Sekunden später sah ich zu meiner Rechten den Turm des örtlichen Betagtenzentrums Eichhof.


(das Hochhaus links im Hintergrund)

Da schoss es mir durch den Kopf: "Eines Tages wird es Dir schlechter gehen."

Seither keimt in mir so etwas wie Optimismus. Eine Art Neugier auf die Taubheit.

15
Dez
2012

Als ob nichts wäre

Ich bin ein ziemlich kommunikativer Typ. Früher habe ich offen über alles und jedes gesprochen - auch über meine Probleme. Oft auch mit Leuten, die ich nicht so gut kannte. Aber inzwischen habe ich dank meiner Schwerhörigkeit Probleme, die keinen guten Apero-Konversationsstoff mehr hermachen. Probleme, die gesunde Menschen ängstigen, anöden oder überfordern.

So übe ich mich darin, in allen möglichen geselligen Situationen geschickte Konversation zu machen - auch wenn meine Probleme mich selber gerade ängstigen, anöden oder überfordern. Ich beobachte auch geradezu fasziniert, wie andere ihre innere Anspannung in sozialen Situationen überspielen. Zum Beispiel Don und Betty Draper in der Serie Mad Men, von der ich mir die ersten Folgen auf DVD ausgeborgt habe.



Die Welt von Mad Men ist für mich geradezu idealer Recherchestoff - reich an latenter Verzweiflung, die vor den eleganten, aber potenziell boshaften Nachbarn und Kollegen verborgen sein will. Als es in der Ehe der Drapers in der Folge 9 schon mächtig kriselt, trifft eine sichtlich ausgemergelte Betty ihre Freunde. "Wie geht es Dir?" fragt man sie. Sie antwortet bleich lächelnd: "Es ist ein wunderschöner Tag heute."

Auch bei Don im Büro wird stets gute Miene gemacht. Nur vorübergehend bricht Aufregung aus - als Kollege Freddy Rumsen sich vor einer wichtigen Sitzung buchstäblich in die Hosen pisst - Jahre in der stets alkoholseligen Werbebranche fordern ihren Tribut. Die Chefs beschliessen, ihn zu feuern. Macht deswegen irgendwer ein betretenes Gesicht? Nicht doch! Im Gegenteil! Freddy feiert sein bitteres Karriere-Ende in einem feierlichen Besäufnis mit seinen beiden Chefs.

Ich schaue diesem Gebaren gebannt zu und bin zufrieden. Ich habe irgendeine Lektion gelernt. Erst später wird mir klar: Für mein zurzeit drängendstes Problem wird es in "Mad Men" keine Lektion geben: Wie verhalte ich mir an einem Apero, wenn jemand auf mich einredet und ich nur einen Drittel von dem verstehe, was er sagt?

Dafür gibt es überhaupt nirgends eine Antwort. Nicht einmal meine tauben Freunde kennen dafür irgendwelche Patentrezepte.

2
Dez
2012

Erblinden oder ertauben?

Kürzlich habe ich mit einem jungen Radiomann zu Mittag gegessen. Wir sprachen übers Ertauben - wenn wunderts. Er war es, der die Frage aufbrachte, ob Ertauben oder Erblinden schlimmer sei. Im Normalfall bin ich ja dagegen, über diese Frage überhaupt zu diskutieren, erst recht mit gesunden Menschen. Aber für einen Radiomann macht man in dieser Frage eine Ausnahme. Er sagte: "Meine Freundin ist DJ. Und sie sagt, sie würde lieber ertauben als erblinden. Denn Musik könne man auch im Kopf hören." Ich nickte und schwieg. Ich wollte sein Vertrauen in die Macht des Gedächtnisses nicht erschüttern.

Aber ich war damals schon skeptisch. Heute bin ich sicher: Ich bin - jedenfalls im Moment - gar nicht in der Lage, im Gedächtnis Musik zu hören. Der wahnsinnige Keyboarder in meinen Ohren, der Tinnits, übertönt die lieblichsten Klänge, an die sich mein Gehirn erinnern könnte. Er wechselt zwar mittlerweile ein paarmal im Tag das Riff. Das macht die Sache etwas Interessanter. Aber er ist immer noch so laut wie der Pilatusplatz abends um 17 Uhr.

Dieser Gedäcthnisverlust ist bemerkenswert, denn früher hatte das Radio in meinem Kopf immer einen Ohrwurm laufen - meist so lange, bis er mich wirklich nervte. Damit ist es vorbei.

"Was für ein geistloses Leben!" werden Musikfreunde unter Euch sagen. Da antworte ich: Ja, es ist geistlos. Es ist, als wäre mein Leben eine Höhle geworden, durch die ich einfach durchmuss. Eine Höhle, in der pausenlos Wasser auf meine Schultern prasselt. Es ist nicht so schlimm wie ich befürchtet habe. Es ist auszuhalten. Dennoch: Ich bin vollauf damit beschäftigt, mich durch diese Höhle zu kämpfen.

Als ich mich letzthin plötzlich doch an einen Fetzen Musik erinnerte, war ich nahe dran, in Tränen auszubrechen. Aber ich will nicht in Tränen ausbrechen. Das raubt mir nur Kraft. Und meine Kraft brauche ich, um durch die Höhle zu kommen.

21
Nov
2012

Flirt verpasst

Die Symptome von Schwerhörigkeit sind jenen von leichter Demenz nicht unähnlich. Das schreibt der geschätzte Blogger-Kollege notquitelikebeethoven. Herr nqlb weiss, wovon er spricht - ist er doch selber Träger eines künstlichen Innenohrs. Er erntete für diese Formulieren dennoch Empörung. Verständlich - denn gewiss sind weit über 95 Prozent der Menschen mit Hörbehinderung geistig überdurchschnittlich wendig - wer schwerhörig ist, trainiert täglich seine Sozialkompetenz unter schwierigen Bedingungen. Und doch hat Herr nqlb nicht ganz unrecht. Wirkt doch die/der Schwerhörige gegen aussen oft verdutzt, leicht begriffsstutzig oder merkwürdig verschlossen.

Nehmen wir zum Beispiel Menière-Patientin Frogg. Typisch für ihre Krankheit ist, dass sie nicht an jedem Tag gleich gut hört. An manchen Tagen kann sie ganz gut telefonieren. An manchen Tagen nur mit Frauen und nicht mit Männern - weil sie eben tieftonschwerhörig ist. Manchmal gar nicht. Und an manchen Tagen weiss sie es nicht so genau - ist aber mutig und hält sich einfach mal den Hörer ans mutmasslich bessere Ohr, wenn das Telefon klingelt.

Gestern im Geschäft zum Beispiel - das Display zeigte eine unbekannte interne Nummer. Die Stimme am anderen Ende sagte: "Hallo Monika, hier ist Beat." Beat. Hm. Ich verstand also, was die Person am anderen Ende sagte. Guuuut!!! Aber die Stimme klang blechern. Ich erkannte sie nicht. Auch das kommt vor. Ich habe schon die Stimme meines Liebsten am Telefon nicht erkannt. Ich weiss eigentlich, dass solche Dinge passieren. Dennoch: Erste verdutzte Pause an meinem Ende.

Nun gibt es in unserem Betrieb drei oder vier Beate. Mit einem von ihnen hatte Frau Frogg an einem Betriebsfest von vier Jahren noch nach Kräften geflirtet - jetzt ist er aber in einer anderen Filiale tätig und nicht mehr oft im Haus. War das dieser Beat? Vielleicht. Oder doch nicht? Noch eine Pause.

Schliesslich musste ich etwas sagen. Ich sagte zaghaft: "Hallo...?!"

Es war ohnehin nicht einer meiner besten Tage. Ein Problem kommt ja im Leben selten allein. Mir fiel beim besten Willen keine charmante Art ein, ihn zu fragen, welcher Beat er denn nun sei. Dann hätte ich ihm ja erklären müssen, dass... nein, lieber nicht!

Der Beat am anderen Ende kam sofort und sehr sachlich aufs Geschäftliche zu sprechen - kein Wunder bei so einer Begrüssung. Er musste denken, ich kenne ihn nicht mehr. Was in einem gewissen Sinne ja auch stimmte. An einer leicht speziellen Dialektfärbung und dem Kontext seiner Anfrage war ich nach zwei Sätzen sicher: Ja, es war der Beat. Aber da war es schon zu spät zum Flirten.

Schade.

14
Nov
2012

Gewalttätiger Händetrockner

Der Dyson Airblade ist gewiss ein Meilenstein in der Geschichte des Händetrocknens. Ich meine, denken wir an einen traditionellen Warmluft-Händetrockner: Jeder halbherzige Amateur-Marketing-Beauftragte verströmt mehr lauwarme Luft als diese sanft knatternden Kisten, die da und dort noch in Restaurant- und Eisenbahntoiletten hängen.

Der Dyson Airblade dagegen verströmt Luft nicht - nein, er katapultiert sie an unsere Hände wie ein scheibenförmiges Geschoss. Es schleift Wassertropfen innert Sekunden weg und verpasst uns gleich auch noch eine gratis Handzonen-Reflexmassage.


(Quelle: www.goodcleantech.com)

Gute Sache. Macht aber enorm viel Lärm. Das stellte ich fest, als am Sonntagabend mein Gehör urplötzlich für einen Tag zurückkam. Manchmal gibt es solche Tage oder Stunden. Dann wird die Welt für kurze Zeit ein heller, ein glücklicher Ort. Aber auch ein erschreckend lauter Ort. Ich habe für solche Momente immer meine wächsernen Freunde dabei.

Am Sonntagabend beschloss ich, ins Kino zu gehen. Den Film, den ich dort gesehen habe, werde ich wohl schnell vergessen (es war On the Road - besser das Buch lesen!).

Nicht so schnell vergessen werde ich, dass der Besitzer meines Lieblingskinos drei Dyson Airblades in seine Bedürfnisanstalt montiert hat. Sie hängen direkt neben der Toiletten-Kabine ganz links, in die ich mich vor dem Kinobesuch begab. Als er plötzlich aufheulte, erlitt ich vor Schreck fast einen Herzstillstand.

11
Nov
2012

Die Stimme am anderen Ende

Neulich habe ich meinen Schreibtisch aufgeräumt. Nur ein Gegenstand liegt noch unordentlich hier: mein alter MP3-Player. Ich kann mich nicht dazu überwinden, ihn wegzuräumen. Wenn ich es täte, wäre das wie ein Eingeständnis: Ich werde ihn lange Zeit nicht mehr brauchen - vielleicht nie mehr.

Denn man sollte sich von den letzten, geistreichen Einträgen der Frau Frogg nicht täuschen lassen: Gesundheitlich geht es mir nicht gut. Ich hatte Ferien und habe auf Besserung gehofft. Leider vergebens. Telefonieren ist für mich immer noch ein Abenteuer - und für die Person auf der anderen Seite auch. Werde ich sie annähernd verstehen? Werde ich ihre Stimme erkennen? Oder werde ich - gerade noch und wie durch Wolken - hören, dass auf der anderen Seite jemand spricht?

Beim Fernsehen komme ich nur noch hie und da ohne Untertitel zurecht. Solltet Ihr mich auf der Strasse antreffen, bitte schaut mich an beim Sprechen, redet deutlich und haltet die Hände nicht vor den Mund. Sonst verstehe ich Euch nicht.

Neulich habe ich die Gräfin getroffen, eine Bekannte. Sie hat Multiple Sklerose und tuckert in einem motorisierten Rollstuhl durch ihre Stadt. Sie ist nicht eine Frau, die ihre Tapferkeit vor sich herträgt. Sie wirkt verletzlich, manchmal verzweifelt. Nur wer ihr zuhört, lernt: Sie ist eine Kämpferin.

"Wie hast Du es aushalten gelernt, dass Du gewisse Dinge einfach nicht mehr kannst?" habe ich sie gefragt. Sie denkt kurz nach. Dann sagt sie ruhig: "Einfach Augen zu und durch."
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7505 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren