21
Nov
2012

Flirt verpasst

Die Symptome von Schwerhörigkeit sind jenen von leichter Demenz nicht unähnlich. Das schreibt der geschätzte Blogger-Kollege notquitelikebeethoven. Herr nqlb weiss, wovon er spricht - ist er doch selber Träger eines künstlichen Innenohrs. Er erntete für diese Formulieren dennoch Empörung. Verständlich - denn gewiss sind weit über 95 Prozent der Menschen mit Hörbehinderung geistig überdurchschnittlich wendig - wer schwerhörig ist, trainiert täglich seine Sozialkompetenz unter schwierigen Bedingungen. Und doch hat Herr nqlb nicht ganz unrecht. Wirkt doch die/der Schwerhörige gegen aussen oft verdutzt, leicht begriffsstutzig oder merkwürdig verschlossen.

Nehmen wir zum Beispiel Menière-Patientin Frogg. Typisch für ihre Krankheit ist, dass sie nicht an jedem Tag gleich gut hört. An manchen Tagen kann sie ganz gut telefonieren. An manchen Tagen nur mit Frauen und nicht mit Männern - weil sie eben tieftonschwerhörig ist. Manchmal gar nicht. Und an manchen Tagen weiss sie es nicht so genau - ist aber mutig und hält sich einfach mal den Hörer ans mutmasslich bessere Ohr, wenn das Telefon klingelt.

Gestern im Geschäft zum Beispiel - das Display zeigte eine unbekannte interne Nummer. Die Stimme am anderen Ende sagte: "Hallo Monika, hier ist Beat." Beat. Hm. Ich verstand also, was die Person am anderen Ende sagte. Guuuut!!! Aber die Stimme klang blechern. Ich erkannte sie nicht. Auch das kommt vor. Ich habe schon die Stimme meines Liebsten am Telefon nicht erkannt. Ich weiss eigentlich, dass solche Dinge passieren. Dennoch: Erste verdutzte Pause an meinem Ende.

Nun gibt es in unserem Betrieb drei oder vier Beate. Mit einem von ihnen hatte Frau Frogg an einem Betriebsfest von vier Jahren noch nach Kräften geflirtet - jetzt ist er aber in einer anderen Filiale tätig und nicht mehr oft im Haus. War das dieser Beat? Vielleicht. Oder doch nicht? Noch eine Pause.

Schliesslich musste ich etwas sagen. Ich sagte zaghaft: "Hallo...?!"

Es war ohnehin nicht einer meiner besten Tage. Ein Problem kommt ja im Leben selten allein. Mir fiel beim besten Willen keine charmante Art ein, ihn zu fragen, welcher Beat er denn nun sei. Dann hätte ich ihm ja erklären müssen, dass... nein, lieber nicht!

Der Beat am anderen Ende kam sofort und sehr sachlich aufs Geschäftliche zu sprechen - kein Wunder bei so einer Begrüssung. Er musste denken, ich kenne ihn nicht mehr. Was in einem gewissen Sinne ja auch stimmte. An einer leicht speziellen Dialektfärbung und dem Kontext seiner Anfrage war ich nach zwei Sätzen sicher: Ja, es war der Beat. Aber da war es schon zu spät zum Flirten.

Schade.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

November 2012
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 8 
 9 
10
12
13
16
18
19
20
22
23
25
26
27
29
30
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7149 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren