24
Nov
2012

Ein schöner Popo

Es kommt selten vor, dass eine Story aus 20 Minuten mich fassungslos macht. Aber gestern stand ich mit dem Gratisblatt in der Hand und der Kiefer klappte mir herunter. Ich hob ihn wieder an und sagte laut: "Jesses! Auf diesen Trend habe ich 40 Jahre lang gewartet!"

"Welcher Trend?" fragte die Sekretärin bei uns im Geschäft, die neben dem Zeitungs-Stoss das Telefon hütete. Sie starrte mich an. Ich muss blass gewesen sein. Ich sagte: "Da steht, in der Schweiz würden sich immer mehr Frauen den Popo künstlich vergrössern lassen." Das wird dann etwa so aussehen:


(www.nac-clinic.com)

Die Sekretärin verstand meine Aufregung nicht. Sie wird meinen Hintern noch nie genau angeschaut haben - ich trage im Büro meistens Oberteile, die ihn kaschieren. Ich stammelte: "Das heisst doch, dass es wahrscheinlich modisch geworden ist, einen überdimensionierten Hintern zu haben!"

Die Sekretärin runzelte die Stirn. Sie konnte auch nicht wissen, dass ich ein Kind mit einem pummeligen Hinterteil gewesen bin - und dass mir noch dazu eine Grossmutter Kleider kaufte, die ein untrügliches Gespür für die schlimmstmögliche Rocklänge hatte. Meine Jupes zeigten der Welt stets meinen gut gepolsterten Allerwertesten, wenn ich mich bückte. Was bin ich ausgelacht worden!

So mit zwölf erlangte ich zwar wie durch Zauber eine ganz ansehnliche Figur - sagte man mir jedenfalls. Aber da blieb unverrückbar dieses üppig gerundete Gesäss. Und das Modediktat lautete ebenso unverrückbar: "Schlank sein, schlank sein über alles!" Der Schaden an meinem Selbstwertgefühl war passiert und irreparabel. Meine Mutter pflegte zu sagen: "Echte Männer stehen doch auf hübsche Rundungen." Oder: "Du hast ein Popöchen wie eine tausendfränkige Praline!"* Aber ich hörte immer nur: "Du hast einen fetten Hintern!"

"Du hast einen fetten Hintern", hörte ich auch dann, wenn ein Mann genüsslich zu mir sagte: "Was für ein gewaltiger Arsch!" Oder wenn Herr T. mir nach einer Reise zu den Schinkenfabriken von Andalusien an den Oberschenkel griff, lustvoll die Augen verdrehte und "Jamon! Jamon!**" flüsterte.

Und jetzt... jetzt... jetzt, wo ich Ende 40 bin und mein Gesäss als weiblicher Reiz seinem Verfallsdatum entgegendämmert... jetzt soll plötzlich alles anders werden?!

Ich weiss gar nicht, was ich machen soll!

* Zu diesem Satz gibt es zweierlei zu sagen:
1) Auf Schweizerdeutsch heisst das Hinterteil natürlich nicht Popo, sondern Füdli oder - despektierlich - Füdle. Und: Pralinen, zu deutsch feminin (die Praline) sind im Schweizerdeutschen sächlich (das Praliné, Betonung auf der ersten Silbe).
** "Schinken! Schinken!"
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