Ich fliege
In letzter Zeit wurde hier viel über Grenzen diskutiert - und dass es manchmal besser ist, sie nicht zu überschreiten. Doch bald tue ich genau das Gegenteil: Ich verreise ins Ausland. Ich fliege sogar: Herr T. und ich verbringen ab Dienstag ein paar Tage nach London. Für Durchschnitts-Europäer ist das ja alles andere als ungewöhnlich. Aber Ihr wisst ja: Nach dieser Hörsturz-Geschichte vom letzten Herbst ist eine solche Reise für Frau Frogg etwas Bemerkenswertes.
Frau Frogg erklimmt sogar den Gipfel der sommerlichen Sorglosigkeit und wirft ihre finanziellen Bedenken in den Wind. Dem Schweizer Franken droht wegen der Euro-Krise sowieso eine Inflation. Also ist es klug, Geld für eine Traumreise zu verscherbeln, bevor es einem in den Fingern zerrinnt.
Den Entscheid für diese Reise mitbeeinflusst hat sicher der Umstand, dass ein Aufenthalt in London für mich seit eh und je eine Art Kurcharakter gehabt hat. Ich habe mich immer wohl gefühlt in dieser Stadt. In jungen Jahren habe ich viel Zeit dort verbracht. In den achtziger Jahren und neunziger Jahren schien sie mir hauptsächlich von linken Öko-Freaks bewohnt. Auch wimmelte es dort von liebenswerten, aber etwas ineffizienten Intellektuellen. Und ich erinnere mich noch gut an meine letzte Ankunft in London vor drei Jahren: Wir fuhren vom City Airport mit der Light Railway Richtung Westen. Morgenlicht streichelte die Spitzen der Hochhäuser am Canary Wharf, ich roch den Geruch von London: Russ und die Polster der Dockland Light Railway. Ich hörte englische Durchsagen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mehr Luft zum Atmen zu haben als zu Hause im Alpenland.
Letzteres ist eine touristische Illusion. Das Vereinigte Königreich ist im letzten Jahrzehnt ein hartes Land geworden. Der Typ des bulligen Sous-Chef mit anrasierter Glatze dominiert das Strassenbild. Er ist roh, rücksichtslos und gierig. Falls er intelligent ist, ist er zynisch. Eins aber ist er sicher: versoffen. Robbie Williams verkörpert für mich den Idealtyp des Briten der Nuller Jahre. Er wirkt facettenreich und ironisch, ein Chamäleon. Aber ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, dass es bei dieser Figur letztlich nur um Koks und Kohle geht. Ich habe den Kerl nie gemocht.
Für mich ist das hier die Hymne der britischen Nuller Jahre:
Die hat einen Zynismus, der mir gefällt. Der Typ im Song präsentiert sich als stolzes Stehaufmännchen: Die Zeile "I get knocked down, but I get up again" wird gefühlte drei Dutzend Mal wiederholt. Aber wahrscheinlich fällt er nur wegen seines immensen Alkoholkonsums überhaupt so oft auf die Schnauze: "He drinks a whisky drink / he drinks a wodka drink / he drinks a lager drink / he drinks a cyder drink, und so weiter". Und im Grunde sind seine besten Zeiten längst vorbei: "He sings a song that remind him of the good times / he sings a song that remind him of the better times." Kurz: Er ist eine traurige Gestalt.
Höchste Zeit, London an einer neuen Grenze zu erleben: Beim Schritt in ein neues Jahrzehnt!
Frau Frogg erklimmt sogar den Gipfel der sommerlichen Sorglosigkeit und wirft ihre finanziellen Bedenken in den Wind. Dem Schweizer Franken droht wegen der Euro-Krise sowieso eine Inflation. Also ist es klug, Geld für eine Traumreise zu verscherbeln, bevor es einem in den Fingern zerrinnt.
Den Entscheid für diese Reise mitbeeinflusst hat sicher der Umstand, dass ein Aufenthalt in London für mich seit eh und je eine Art Kurcharakter gehabt hat. Ich habe mich immer wohl gefühlt in dieser Stadt. In jungen Jahren habe ich viel Zeit dort verbracht. In den achtziger Jahren und neunziger Jahren schien sie mir hauptsächlich von linken Öko-Freaks bewohnt. Auch wimmelte es dort von liebenswerten, aber etwas ineffizienten Intellektuellen. Und ich erinnere mich noch gut an meine letzte Ankunft in London vor drei Jahren: Wir fuhren vom City Airport mit der Light Railway Richtung Westen. Morgenlicht streichelte die Spitzen der Hochhäuser am Canary Wharf, ich roch den Geruch von London: Russ und die Polster der Dockland Light Railway. Ich hörte englische Durchsagen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mehr Luft zum Atmen zu haben als zu Hause im Alpenland.
Letzteres ist eine touristische Illusion. Das Vereinigte Königreich ist im letzten Jahrzehnt ein hartes Land geworden. Der Typ des bulligen Sous-Chef mit anrasierter Glatze dominiert das Strassenbild. Er ist roh, rücksichtslos und gierig. Falls er intelligent ist, ist er zynisch. Eins aber ist er sicher: versoffen. Robbie Williams verkörpert für mich den Idealtyp des Briten der Nuller Jahre. Er wirkt facettenreich und ironisch, ein Chamäleon. Aber ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, dass es bei dieser Figur letztlich nur um Koks und Kohle geht. Ich habe den Kerl nie gemocht.
Für mich ist das hier die Hymne der britischen Nuller Jahre:
Die hat einen Zynismus, der mir gefällt. Der Typ im Song präsentiert sich als stolzes Stehaufmännchen: Die Zeile "I get knocked down, but I get up again" wird gefühlte drei Dutzend Mal wiederholt. Aber wahrscheinlich fällt er nur wegen seines immensen Alkoholkonsums überhaupt so oft auf die Schnauze: "He drinks a whisky drink / he drinks a wodka drink / he drinks a lager drink / he drinks a cyder drink, und so weiter". Und im Grunde sind seine besten Zeiten längst vorbei: "He sings a song that remind him of the good times / he sings a song that remind him of the better times." Kurz: Er ist eine traurige Gestalt.
Höchste Zeit, London an einer neuen Grenze zu erleben: Beim Schritt in ein neues Jahrzehnt!
diefrogg - 18. Jul, 10:54
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steppenhund - 18. Jul, 13:38
Merkwürdig. Ich dachte eher, dass der Schweizer Franken von der Euro-Krise profitiert, sofern der Euro wirklich eine Talfahrt macht.
Doch mit Schweizern werde ich sicher nicht über Geld diskutieren.
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Nach London würde ich nicht fliegen. Das letzte Mal musste ich mit dem Auto fahren, weil ich einen Hund mit hatte. Aber viel lieber wäre ich mit dem Eurostar gefahren, obwohl der auch schon etwas von seinem Anreiz verloren hat.
Fliegen ist sicher billiger. (Aber das allein ist schon eine fürchterliche Aussage.)
-
Auf alle Fälle wünsche ich einen schönen Aufenthalt. Ich hab's halt nur wahnsinnig teuer in Erinnerung, was die Museen und Touristenattraktionen anbelangt.
Wien wäre da schon ein ganz anderes Pflaster:))
Doch mit Schweizern werde ich sicher nicht über Geld diskutieren.
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Nach London würde ich nicht fliegen. Das letzte Mal musste ich mit dem Auto fahren, weil ich einen Hund mit hatte. Aber viel lieber wäre ich mit dem Eurostar gefahren, obwohl der auch schon etwas von seinem Anreiz verloren hat.
Fliegen ist sicher billiger. (Aber das allein ist schon eine fürchterliche Aussage.)
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Auf alle Fälle wünsche ich einen schönen Aufenthalt. Ich hab's halt nur wahnsinnig teuer in Erinnerung, was die Museen und Touristenattraktionen anbelangt.
Wien wäre da schon ein ganz anderes Pflaster:))
diefrogg - 18. Jul, 22:26
Also, das mit dem Franken...
ist kompliziert. Er wird stärker, weil er wieder zur Fluchtwährung wird. Das freut die Banken, aber nicht die Industrie, weil das den Export verteuert. Um die Aufwertung des Frankens zu stoppen, hat die Nationalbank massenhaft Euros gekauft. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Schweizerische Nationalbank mehr Euros hortet als die Europäische Zentralbank. Wie es zur Inflation kommen soll, habe ich nicht ganz verstanden. Hat aber irgendwas mit diesen gehorteten Euros zu tun. Wenn die wieder mehr wert sind und die Nationalbank sie verkauft, dann haben wir plötzlich Unmengen Geld im Land. Irgendwie so...
Mit dem Eurostar bin ich übrigens schon zweimal gefahren. Ich bevorzuge diese Art zu reisen auch. Aber fliegen ist halt schneller.
Ja, Wien ist ja soooo viel billiger ;). Sehr angetan von den Reizen Wiens ist ja mein Bruder (und sind es seine Töchter, 9 und 5, die auf Kaiserin Sisi stehen)! Die haben jetzt gerade für zwei Wochen eine Wohnung in Wien gemietet. Ich wollte schon fragen, ob bei Ihnen in der Nachbarschaft eine nette Schweizer Familie mit zwei bildschönen Töchtern eingezogen ist!
Mit dem Eurostar bin ich übrigens schon zweimal gefahren. Ich bevorzuge diese Art zu reisen auch. Aber fliegen ist halt schneller.
Ja, Wien ist ja soooo viel billiger ;). Sehr angetan von den Reizen Wiens ist ja mein Bruder (und sind es seine Töchter, 9 und 5, die auf Kaiserin Sisi stehen)! Die haben jetzt gerade für zwei Wochen eine Wohnung in Wien gemietet. Ich wollte schon fragen, ob bei Ihnen in der Nachbarschaft eine nette Schweizer Familie mit zwei bildschönen Töchtern eingezogen ist!
brigitte - 18. Jul, 23:36
Ich wollte schon intervenieren und sagen: Aber das sind doch Schweden! Dabei habe ich den Song einfach mit diesem verwechselt: http://www.youtube.com/watch?v=IQR9bw-4R08. Der erinnert mich drum an meinen dreimonatigen London-Aufenthalt.. lang ist's her. Oh, und dieser hier auch: http://www.youtube.com/watch?v=C4D1HSL7P98.
Einmal London im Jahr muss fast sein bei mir. Meine absolute Lieblingsstadt, der Ort, wo ich mich zum ersten Mal 'zu Hause' fühlte. Viel Spass!
Einmal London im Jahr muss fast sein bei mir. Meine absolute Lieblingsstadt, der Ort, wo ich mich zum ersten Mal 'zu Hause' fühlte. Viel Spass!
diefrogg - 19. Jul, 09:31
Ha, das sind ja auch...
sehenswerte Videos! Vor allem das zweite hat diesen wunderschönen 90-er Zeitkolorit!
Na, ich bin froh, dass jemand meine Vorliebe für London versteht! Das ist einfach ein Ort, der einen mit Frischblut für den Geist versorgt!
Na, ich bin froh, dass jemand meine Vorliebe für London versteht! Das ist einfach ein Ort, der einen mit Frischblut für den Geist versorgt!
turntable - 19. Jul, 23:20
london ist für mich auch immer eine reise wert, da gibt es immer etwas zu sehen.
viel spaß & grüße
viel spaß & grüße
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