12
Jun
2009

Türkei für Tee-Allergiker


(Quelle: www.antalya.de)

Wer Schwarztee nicht verträgt, ist in der Türkei eine arme Sau. Denn Çay trinkt man dort jederzeit und überall. Er ist Nationalgetränk und eine geläufige und gleichzeitig symbolhafte Geste der Gastfreundschaft. Sagt man zum tulpenförmigen Glas "nein danke", so scheint das Zustandekommen zwischenmenschlicher Wärme von Anfang an gefährdet. Und ausserdem: Nichts erfrischt nach einer langen, den Kreislauf abtörnenden Busfahrt so tiptop wie ein Glas Tee.

Deshalb schlug ich zu Beginn unserer Lykien-Reise meine eigenen Erkenntnisse in den Wind. Hemmungslos gab ich mich dem Teegenuss hin. Bis mich am dritten Tag ein heftiger Schwindelanfall packte. Zum Glück sass ich schon. Sonst wäre ich wieder einmal hingeknallt.

Ich wusste: Frau Frogg muss jetzt Alternativen finden. Und sie fand Alternativen, die ich hier etwaigen Leidensgenossen nicht unterschlagen möchte:

Sie bestellte Salbeitee, auf Türkisch adaçay.

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(Quelle: farm1.static.flickr.com/187/415305568_e17a3f41c8.jpg)

Manche Kellner rümpfen die Nase, wenn man ihn bestellt. Adaçay scheint ein etwas ländliches Image zu haben. Andere mögen einen dann erst recht. Sie geben sich freudig der Illusion hin, dass dieser eine Gast etwas mehr als nur die Oberfläche ihres Landes kennt. Salbeitee wird aus den Blüten (wie im Bild), häufiger aber aus ihren Blättern der Salbeipflanzegemacht. Beides wird im Glas gleich mitserviert. Salbeitee ist hierzulande ja vor allem ein Heil- und Gurgeltee und schmeckt abscheulich. In der Türkei aber ist er milder und mit einem Stückchen Zucker durchaus ein Genuss.

Sehr zu empfehlen: Apfeltee, türkisch elmaçay: Ich hielt ihn für ein Mischgetränk aus Schwarztee und habe ihn deshalb bei unserer Lykien-Reise verschmäht - obwohl er mir mehrfach als Alternative angeboten wurde. Ich hätte ihn trinken können, wie ich zu Hause feststellte. In unserem Teeschrank fand ich eine Packung elmaçay, die Herr T. letztes Mal aus der Türkei mitgeschleppt hatte. Das Getränk enthält Apfel, Hibiskus, Zimt, Geschmacksstoffe, Brombeerblätter und Zitronenschale. Es wird zwar im Beutel serviert, ist aber schmackhaft und angenehm süsssauer.

Gelegentlich (eher selten) gibts auch Pfefferminztee, Türkisch nanaçay. Aber Achtung: Nanaçay ist ein maghrebinisches Getränk, kein türkisches.

Wo es das alles nicht gibt, gibt es oft nur Kräutertees aus dem Beutel, und die schmeckend nach seit Jahren vertrocknetem Gras und sonst nach gar nichts. Man hüte sich etwa vor Spearmint & Lemon. Da bleibt man besser beim Wasser. Oder gönnt sich, wie ich es tat, ein einziges Glas Tee im Tag. Das reicht nicht für einen Schwindelanfall.

10
Jun
2009

Spaziergang mit Kind

Soll mir nie mehr jemand erzählen, Kinder kämen als unbeschriebenes Blatt zur Welt und würden alles von ihren Eltern und anderen Bezugspersonen lernen,auch das Geschlechterrollenverhalten. Seit ich gestern mit meinem Göttibub die Tagblattstrasse hinunterging, weiss ich, dass Kinder schon mit vier ganz selbständig Dinge sehen, die zu sehen ihnen mit grosser Wahrscheinlichkeit niemand beigebracht hat.

Die Tagblattstrasse hinunter gehe ich seit einem Jahrzehnt mindestens einmal die Woche. Meistens allein. Ich weiss längst, dass dort ein alter Handwerker-Betrieb mit einem riesigen Metallgerüst im Hof steht. Ich bin mir nicht sicher, wozu es gut sein soll. Es ist mächtige drei Meter hoch und stammt eindeutig aus dem industriellen Zeitalter. Viel Beachtung habe ich ihm trotzdem nie geschenkt. Mir gefallen zwar diese historischen Zeugen des Industriezeitalters schon. Aber eher auf Reisen. Nicht auf dem Weg von und zur Arbeit. Ein stetiges Interesse an den Errungenschaften der Technik ist etwas für Männer, findet Frau Frogg.

Wobei auch Tims Vater, so weit ich weiss, kein besonderes Interesse an mächtigen Stahlgestellen in Hinterhöfen an den Tag legt. Und auch seine Mutter, Veronika, tut das eher nicht, glaube ich (correct me if I'm wrong). Hat Tim wohl in der Waldspielgruppe eine Betreuerin, die mit offenem Mund vor einem alten Saurer-Lastwagen oder einem offenen Schlossereitor stehenbleibt?

Als Tim jedenfalls mit offenem Mund stehenblieb, wusste ich erst gar nicht, was er eigentlich sah. Das ist mir mit ihm auch schon passiert. Einmal blieb er in der Stadt mit offenem Mund vor einem ziemlich wüsten Chaos stehen und blickte mit staunenden Augen ins Durcheinander. Als ich fragte: "Was siehst Du denn da?!", sagte er ehrfürchtig: "Eine Baustelle!"

Diesmal fragte er: "Was ist das?!"

Endlich sah ich das Stahlgestell, das er meinte. Aber ich wusste halt nicht, was es war. Ich werde es herausfinden!

Und dass Du auf dem Nachhauseweg so weinen musstest, tut mir leid. Nächstes Mal nehmen wir den langen Weg! Versprochen!

8
Jun
2009

Nach dem Zahnarzt

Endlich. Nach fast zwei Wochen habe ich heute Hoffnung geschöpft, dass mein Mund eines Tages nicht mehr wehtun wird. In den 14 (vierzehn!) Tagen zuvor fühlte sich zeitweise jeder Schluck Wasser, jedes Wort, ja, jeder Atemzug, so an, als würde irgend so ein Typ sein Rasiermesser an meinem Zahnfleisch wetzen. Und zwar genüsslich.

Ja, ich gebe es zu: Ich habe mich von Zahnarzt Schwytzer zu einem kleinen Eingriff überreden lassen. Ich erlaubte ihm, mir den tief sitzenden Zahnstein am hintersten Backenzahn oben links operativ zu entfernen. Und als kleine Draufgabe durfte er mir das Zahnfleisch dahinter mit einem glühenden Dingsda wegsengen. "Damit sich das Zahnfleisch dort nicht noch mehr entzündet! Sonst fällt Ihnen in 10, 15 Jahren noch ein gesundern Backenzahn aus", erklärte die Zahnarztgehilfin sachlich. Es zischte und stank.

Ich hatte mir bekanntlich vorgenommen, Schwytzer abzuwimmeln. Ich verdächtigte ihn der Geldgier. Aber dann entpuppte sich eine meiner Bekannten als gelernte Zahnarzt-Gehilfin. "Oh, Zahnarzt Schwytzer!" schwärmte sie, "Das wäre der Chef meiner Träume gewesen. Der ist so ruhig und gelassen! Und er tut überhaupt nichts Unnötiges!"

Ich glaubte ihr.

Ich büsste schwer. Die Operation ging ja noch. Na gut, eine Weile hing Schwytzer mit seinem gesamten Gewicht an meinem Zahnstein. Und riss. Und riss. Also, wenn alles an mir so stark wäre wie mein Zahnstein, dann hätte ich auf der Welt nichts zu befürchten. Aber sonst ging alles gut.

Aber die Schmerzen nachher! Ich kann nur sagen: Tut es mir niemals nach! Verzichtet besser in ferner Zukunft auf Eure Backenzähne! Wie gut, dass endlich alles besser wird!

Dumm ist nur, dass ich übermorgen zum Kieferchirurgen muss. Über die Zukunft meiner verbliebenen drei Weisheitszähne entscheiden.

6
Jun
2009

Unheimlicher Strand

Manche Momente sind so intensiv, so beinahe unwirklich real, dass ich sie nie mehr vergesse. Sie müssen nichts besonderes bedeuten. Doch starke Sinneseindrücke und so viele Geistesblitze treffen in diesen Augenblicken in meinem Kopf aufeinander, dass sie mir im Gedächtnis haften bleiben wie ein Brandloch in einem T-Shirt.

Einen solchen Moment erlebte ich, als ich am Strand von Maden auf den Auslöser drückte, um dieses Bild zu machen:

Tahtali dagi

Es zeigt den Tahtalı, den berühmtesten Berg von Lykien. An schönen Tagen sieht man auf seiner Ostflanke auch den Mast der Seilbahn, die hinaufführt. Mir fiel beim Anblick jenes Masts jedes Mal der Mann ein, der die Bahn gebaut hat. Er setzte sich mit dem Bauwerk ein Denkmal - und verlor bei der Errichtung seinen Sohn, der am Berg abstürzte.

Eine Tragödie, die perfekt ins Land von Mausolos und Midas passt.

Auf diesem Bild ist der Mast unter der Wolke an der rechten Bergflanke verborgen. Das Wetter hatte vor kurzer Zeit umgeschlagen. "Auf dem Tahtalı regnet es vielleicht schon", sagte ich. "Ich finde, so sollte man ihn fotografieren! Die meisten anderen Touristen sehen ihn ja bloss bei Sonnenschein!" Ich legte gerade den Finger auf den Auslöser meiner Kamera, als ich selber die ersten Regentropfen spürte.

"Komm, wir stehen im Container unter!" rief Acqua und lief los. Ich stellte noch scharf, drückte auf den Auslöser.

Dann folgte ich ihr.

Der Container. Er war ein Transportbehälter für Laswagen oder Schiffe und stand einsam am einsamen Strand von Maden, der einzige Unterstand weit und breit. Wie von Gottes Hand eigens hingestellt, damit wir zwei Genusswanderinnen trocken blieben.

Der Strand von Maden. Er liegt zwei Stunden Fussmarsch von Çıralı. Aber er könnte auch in einem Traum vorkommen. Oder einem Alptraum, ich bin mir nicht ganz sicher. Denn eigentlich ist er ein Prachtsstrand. Mindestens einen Kilometer lang, aus grauschwarzem Sand und Kies. Dahinter zartgrüne Wiesen. Und dahinter Pinienwälder und Berge.

Baden aber hätte ich hier auch bei idealen Wassertemperaturen nicht wollen. Denn Menschen haben dem Idyll unübersehbare Schäden zugefügt: eine verlassene Chrom-Mine am Westende des Strandes. Kleine Lagerhütten einer Fischfarm am Ostende. Die kreisförmigen Gehege der Farm hatten wir von oben weit draussen auf dem Meer gesehen. Bei den Baracken selber wohnte auch eine hungrige Hundesippe, die mich an jene von Pamukkale erinnerte. Und irgendwo in der Mitte lagen zwei grosse, tote Fische am Strand. Und dahinter, auf der ersten Düne, stand unser Container.

"Die gute Nachricht ist: Es stinkt hier nicht nach Pisse", sagte Acqua, als ich zu ihr in den Container traf. Sonst lag allerhand Unrat in dem Kasten: eine rostige Kette, klumpiger Staub. Aufrecht standen wir da und warteten, bis der Regen aufhörte.

Nach zehn Minuten war es soweit. Wir machten uns auf den Weg zurück nach Çıralı. Die Sonne brach bald wieder zwischen den Wolken hervor.

Erst in Çıralı fanden wir knöcheltiefe Regenpfützen vor. Hier musste es den halben Nachmittag geregnet haben.

4
Jun
2009

Ehrgeizige Pläne abgespeckt

Vielleicht habt Ihr Euch schon gefragt, weshalb wir überhaupt in die Gegend westlich von Antalya fuhren. Nun: In der Region, die Lykien heisst, kann man gut wandern. Acqua und ich hatten uns sogar ziemlich viel vorgenommen. Wir wollten einen Teil des Lykischen Wegs absolvieren, eines Fernwanderwegs, der zwischen Fethyie und Kemer der Küste entlang führt.

Gut ausgerüstet mit diesem Buch von der Engländerin Kate Clow, begannen wir, ehrgeizige Pläne zu schmieden. Noch vor unserer Abreise wichen wir jedoch von unseren hochfliegendsten Träumen ab: Wir beschlossen, kein Zelt mitzuschleppen. Wir wollten nur dort wandern, wo es auch Pensionen gab.

Dann kamen wir auf die Idee, erst einmal eine Art Basislager in einer Pension an der Strecke einzurichten. Übernachten wollten wir dort nicht oft. Wir wollten es hauptsächlich als Depot für unser überflüssiges Gepäck benützen. Wir entschieden uns, glückliche Fügung, für Çıralı als Basislager. Schlafen wollten wir dort nur drei Nächte.

Doch schon bald änderten wir unsere Pläne wieder. Denn wir stellten fest:

- In der Nähe von Çıralı gibt es in jeder grösseren Bucht eine antike Stadt, die es gebührend zu bewundern gilt.

olympos, turkey
Hier etwa das römische Bad von Olympos, wo die antiken Ruinen gewissermassen aus dem Dschungel aufsteigen.

- An den Wanderwegen zwischen den Buchten liegen zahlreiche Küstenvorsprünge. Hat man sie erstiegen, so MUSS man einfach stehenbleiben, begeistert von der Aussicht sein und ein Foto machen (oder auch zwei).

View on the Coast of Lycia

- Wegen der vielen Küstenvorsprünge, die man auf so einer Wanderung erklimmt, erleidet man erheblichen Höhenmeterdiebstahl.

- Acqua liess es sich nicht nehmen, auch auf Wandertouren hie und da eine Schwimmpause einzulegen. Wie sie die Wassertemperatur in unserer ersten Woche aushielt, ist mir bis heute ein Rätsel.

- Kate Clow's Buch enthält zwar eine relativ detaillierte Karte. Doch die hat keinen Massstab. So stellen wir bald fest: Es ist beim Wandern in der Türkei wie beim Busreisen in der Türkei. Ist alles immer ein bisschen weiter als man denkt!

So blieben wir schliesslich sechs Nächte in Çıralı. Die Tage dazwischen verbrachten wir durchaus mit Wandern (die meisten). Aber wir verabschiedeten uns von unseren ehrgeizigen Plänen und verlegten uns aufs Genusswandern.

Übrigens: Falls Ihr Euch gefragt habt, weshalb es mit meinem Lykien-Epos erst nach einer Woche weitergeht: Die Erinnerung an das Paradies hat meine Gedanken in solche Harmonie versetzt, dass ich nicht wusste, wie ich weitermachen sollte. Das ist mir noch nie passiert, ehrlich!
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