19
Jun
2009

...und tschüss!

Eigentlich wollte ich mein zweites Türkei-Epos mit dem Eintrag "Die Riesenspinne auf dem Meeresgrund" abschliessen. Aber dafür reicht die Zeit nicht mehr. Naja, es handelte sich auch nicht um eine echte Riesenspinne. Sondern "nur" um eine riesige Krabbe. Und der Meeresgrund, auf dem wir sie sahen, war nur 20 Zentimeter tief. Der Wirt eines einsamen Restaurants hatte sie gefangen. Dann hatte er sie bei seiner Bootsanlegestelle mit einem Schnürchen an einen Pfosten gebunden. Da sass sie und bewegte sacht eines ihrer Spinnenbeine.

Stolz zeigte der Wirt uns seinen Fang. Die Szene fühlte sich an wie ein Fellini-Film.

Aber eben. Morgen verreise ich für drei Wochen mit Herrn T. Ich habe schon wieder Ferien, weil ich Überstunden abbauen darf.

Diesmal geht es nach Venedig und Kroatien.

17
Jun
2009

Eine Türkin will reisen

Woran denkt Ihr, wenn Ihr an türkische Frauen denkt. An Kopftücher? Naja, wenn dem so ist, dann bin ich vielleicht selber nicht unschuldig daran. Deswegen. Höchste Zeit, Euch mit der Türkin bekannt zu machen, die Acqua und ich besser kennen lernten. Ein Kopftuch zu tragen lag dieser Frau fern.

Wir trafen sie in Üçağız, auf einer Bootstour. Die Reise sollte um zehn Uhr beginnen. Doch unsere neue Bekannte führte sich ein, indem sie uns warten liess. Sie kam erst kurz nach 10.15 Uhr. Als sie dann grazil ins Boot hüpfte, übersah sie unsere kritischen Blicke und verlor keine Zeit mehr. Innert der nächsten Stunde versuchte sie unsere Reisepläne radikal zu ändern. Und sie eroberte sie unsere Herzen - und jenes des jungen Bootsmannes.

Sie heisst Funda. Erst konnte ich mir ihren Namen nicht merken, aber später lieferte sie uns eine Eselsbrücke. "Ich heisse Funda, aber ich bin keine Fundamentalistin", lachte sie. Nein, wahrlich nicht! Mit ihren hellen Haaren und den blonden Streifchen hätte sie eine junge Griechin sein können. Oder eine Holländerin. Das einzige, was an ihr entfernt an Musliminnen erinnerte, waren ihre fröhlichen, gelben Pluderhosen. Sie nahmen sich wie eine augenzwinkernde Anspielung an die ländliche Welt rund um uns aus. Sie arbeitet in der Tourismusbranche in einer Stadt an der türkischen Südküste und hat dort bereits Karriere gemacht.

Dass sie zu spät gekommen war, gehörte zu ihrem Auftritt. Sie gibt sich gerne etwas zerstreut. Sie hatte diesen leichten Charme, der Männer dazu bringt, alles für einen zu tun. Und der zuweilen einen eisernen Willen versteckt. Uns und den Bootsmann jedenfalls hätte sie beinahe dazu gebracht, unsere ganzen Pläne über den Haufen zu werfen und ganz woanders hin zu fahren als ursprünglich vorgesehen. Wenn wir nicht vergessen hätten, dass es in Üçağız keinen Bancomaten gibt, wären wir Funda bis ans andere Ende dieses zauberhaften Buchtensystems gefolgt. So aber waren wir etwas knapp bei Kasse. Wir blieben beim kurzen Bootstrip nach Kekova und Simena. Dort liess uns der Bootsmann allein, nicht ohne Funda um ihre Handy-Nummer gebeten zu haben. Wir setzten uns ins Restaurant und redeten. Wenn gerade nicht ihr Handy düdelte.

Irgendwann stellte sich heraus, dass es so oft klingelte, weil jenem Tag ihr 26. Geburtstag war.

Ihre Reise nach Üçağız war also so etwas wie ein Geburtstagsausflug. Dass sie allein war, schien sie keine Minute zu stören. Sie hatte schon jede Menge Bekannte in Üçağız. Obwohl sie erst gestern angekommen war. Sie genoss die Reise, aber eigentlich war auch klar: Irgendwann wollte sie noch weiter reisen. Nach Kuba. Oder Thailand. Oder die USA. "Und in die Schweiz?" fragten wir. Wahrscheinlich nicht", sagte sie. "Es ist so schwierig, ein Visum für den Westen zu bekommen! Erst recht seit 9/11." Sie wartete gerade vergeblich auf ein Visum für die Vereinigten Staaten. Und dann gäbe es da noch ein anderes Problem: "Wenn Du jung und aus der Türkei bist, dann haben die im Westen Angst, dass Du bei ihnen arbeiten willst. Die lassen Dich erst herein, wenn Du in der Türkei ein Haus besitzt oder verheiratet bist." Und beider sei bei ihr nicht der Fall. "Heiraten würde mir nie einfallen", sagte sie, "Aber vielleicht heirate ich, nur damit ich ein Visum bekomme und im Westen reisen kann!" Welch seltsame Formen der Scheinehe unsere Welt hervorbringt!

Es ist bedauerlich, dass Leute wie Funda gewissermassen in ihrem Land eingesperrt bleiben. Ich meine: Die Frau kann besser reisen als viele Europäer, die mir begegnet sind. Sie hat ein lebhaftes Interesse für die Welt um sich. Sie liest, sie will Dinge wissen, sie ist kontaktfreudig. Und sie versteht die Gastfreundschaft - was einem auch als Gast hilft. Mir hat sie das Grundprinzip der türkischen Gastfreundschaft erklärt: "Meine Mutter hat immer gesagt, an müsse die Bedürftigkeit des Gastes sehen und verstehen - und zwar als grundsätzliche, menschliche Bedürftigkeit."

Naja, was hier etwas theoretisch klingen mag, klang aus ihrem Mund und auf Englisch echter und menschlicher als jedes Bekenntnis eines professionellen westlichen Touristikers.

Am nächsten Tag musste Funda zurück zur Arbeit. Aber sie hatte keine Fahrgelegenheit. Wie und ob überhaupt sie es dennoch schaffen würde, wurde ein ständiges Thema für den Rest Tages, eine Art Running Gag. Unschuldig lächelnd erzählte sie von ihrer Unart, nach jeder Reise ein paar Tage zu spät zur Arbeit zurück zu kommen. Sie hatte sogar schon versucht, ihren Chef zu erreichen, um ihn um eine Verlängerung zu bitten. Am Ende jenes Tages hatte ich ein lebhaftes Bild ihres Chefs vor Augen. Er raufte sich die Haare so sehr, dass ich nicht sah, ob er überhaupt noch welche hatte.

Am nächsten Tag sahen wir sie nur noch kurz.

Aber später hörten wir, sie sei pünktlich gewesen. Gerade noch.

16
Jun
2009

Paradies Nummer 2

Ich muss mit meinem Türkei-Epos vorwärts machen. Am Samstag verreise ich nämlich schon wieder - diesmal in die grossen Ferien mit Herrn T. (Warum ich heuer so oft Ferien habe, erzähle ich Euch später).

Unsere Reise durch Lykien führte uns nach sechs Nächten weg von Çıralı. Wir begaben uns zunächst nach Myra, wo einst St. Nikolaus wirkte. Dann liessen wir uns für ein paar Nächte in Üçağız nieder. Wiederum eine hervorragende Wahl: Üçağız ist ein kleines, sehr ländlich gebliebenes Dorf am Meer, mitten in einer überwältigend schönen Karstlandschaft. Hier der Blick aus von unserer Pension auf den Hafen.

Üçagiz

Wäre ich nicht eben aus dem Paradies gekommen - ich glaube, ich hätte Üçağız für einen (wenn auch unerwartet steinigen) Garten Eden gehalten. Aber Çıralı war nicht mehr zu übertreffen. Wenn auch vielleicht nur darum nicht, weil Çıralı einfach zuerst gekommen war.

Rund um Üçağız gibt ein ganzes System von kleinen und grossen Buchten. Das Land hier ist in 2000 Jahren 15 Meter gesunken - weshalb es versunkene Städte gibt, etwa das weit herum bekannte Kekova. Und überall stehen Jahrhunderte alte Sarkophage herum.

Aperlae
(Hier bei Aperlae)

Das macht zuweilen einen leicht gespenstischen Eindruck. Aber man gewöhnt sich dran. Die Frogg fand sie mit der Zeit sogar etwas inflationär.

Die Gegend Üçağız erforscht man am besten auf Bootsausflügen. Eigentlich ist das Anbieten von Bootsausflügen sogar die Haupteinnahmequelle der Leute von Üçağız. Zwei Bootsausflüge machten wir denn auch, als wir dort waren. Auf einem davon trafen wir Funda. Aber das erzähle ich nächstes Mal.

15
Jun
2009

Zwischenfall mit Polizeiauto

Um 11 Uhr heute Morgen will ich zu Fuss die Tagblattstrasse überqueren. Bei der üblichen Ampel. Sie steht auf Rot, aber da ist Null Verkehr. Die Strasse liegt da wie ausgestorben. Sie jetzt nicht bei Rot zu überqueren, wäre widersinnig. Deshalb tue ich, was ich in den letzten zehn Jahren bestimmt schon hundert Mal getan habe: Ich ignoriere die Ampel und tipple hinaus auf die Strasse. Ich habe gerade drei Schritte gemacht, da donnert aus dem Nichts ein Auto auf mich zu.

Ich mache einen Sprung auf die Seite. Es kommt zum Stillstand. Zwischen uns gerade noch zehn Zentimeter. Zum Glück! Sonst würde ich Euch aus dem Spital schreiben. Oder gar nicht.

Als erstes sehe ich: Verdammt, das ist ein Polizeiauto! Ich denke: "Uii! Das gibt Ärger!"

Dann fährt mir der Schreck ein und die Knie beginnen mir zu zittern. Ich hopple aufs Trottoir gegenüber.

Da lässt der Polizist die Autoscheibe hinunter und beginnt zu brüllen. "Wenn es Rot ist, ist es Rot! Das gilt auch für Sie!"

Ich will mich zaghaft rechtfertigen, doch im Grunde weiss ich: Gegen Polizisten und andere Autoritätspersonen sollte man sich nicht wehren, wenn man allein ist. Vor allem dann nicht, wenn sie am längeren Hebel sind. Und er ist am längeren Hebel. Juristisch betrachtet habe ich hier gar nichts zu melden.

"Ja, ja, schon gut!" brummle ich, immer noch verdattert, da geht seine Scheibe wieder hoch und er röhrt davon. Er muss aus dieser elenden Seitenstrasse gekommen sein. Als er in die Strasse einbog, schaute er wahrscheinlich nach Links statt nach vorn und gab wegen der Steigung der Seitenstrasse ziemlich Gas. Ich glaube, er ist genauso heftig erschrocken wie ich. Und irgendetwas am Polizistendasein befähigt einen, in solchen Momenten zu brüllen statt nur zu zittern (wie ich es wahrscheinlich auch getan hätte, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre). Eigentlich bewundernswert.

"Na, wenigstens hat er Dir keine Busse gegeben!" sagte eine Kollegin beim Mittagessen.

13
Jun
2009

Benji geht hinaus in die Welt

Vor gut einem Jahr hat er seine Keimblätter der Sonne über unserem Balkon entgegengehalten. Hier ist das hübsch im Bild dokumentiert. Und jetzt ist Benji ein stattliches, gesundes Bäumchen geworden.

Last picture of Benji

"Wenn er so weiterwächst, wird ihm bald mein grösster Topf zu klein", sagte sich die Frogg. Zeit, das Baumkind in die grosse, weite Welt zu entlassen.

Gestern haben wir ihm ein Plätzchen am Rand eines bewaldeten Tobels* gefunden. Die Verpflanzung wurde zum Familienfest: Das Plätzchen liegt nahe beim Haus der Eltern Frogg. Vater Frogg hat den richtigen Ort mit Bedacht ausgewählt und Benji mitsamt dem neuerlich in seinem Topf gewachsenen Glücksklee in den Boden eingegraben. Dann habe ich ihn ein letztes Mal kräftig mit Giesskannenwasser getauft. Mutter Frogg und Herr T. haben zugeschaut.

Meiner Kamera ist leider vor lauter Stress der Akku ausgegangen.

Jetzt wünsche ich dem Kleinen alles Gute. Möge er ein grosser, starker Baum werden.

* schweizerdeutsch für ein kleines, tief eingeschnittenes Flusstal
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