12
Jan
2009

Auto fahren

Ich bin, weiss Gott, keine begnadete Autofahrerin. Weder meine Talente noch meine Erziehung haben mich in jungen Jahren eine Neigung zum Autofahren entwickeln lassen. Ich bin notorisch ängstlich. Noch dazu wurde ich katholisch erzogen. Und katholische Mädchen sollen gefälligst wahnsinnig fleissig und sehr gewissenhaft sein - aber sie sollen damit ja nicht weit kommen. Aus Trotz wurde ich mit 18 linksgrün. Auch keine Entwicklung, die eine positive Haltung zum Auto förderte.

Ausserdem kann man sich in der Schweiz gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen - jedenfalls von und zu den Orten, auf die es ankommt. Jahrelang war ich eine begeisterte Zugspendlerin. Im Zug kann man so vieles tun: zum Beispiel Musik hören, lesen, Handy-Spiele spielen.

Schliesslich, schon Mitte 30, lernte ich es dann doch. Auto fahren gehöre zur Allgemeinbildung, sagte mein Bruder. Und dann musste ich jetzt öfter an Orte, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht so gut zu erreichen waren.

Erst war jede Fahrt für mich entsetzlich. Ich war überzeugt, dass ich fürs Autofahren bestraft würde. Ich glaubte, dass irgend ein grüner Gott mir schon an der erste Strassenkreuzung einen 40-Tönner mit Vollgas links an die Tür donnern lassen würde.

Aber nichts dergleichen geschah. Vielmehr erfuhr ich alsbald ein paar merkwürdige Dinge. Zum Beispiel: Ich bin Erbin des Walholz'schen Rasergens - auch wenn ich viel Trainig brauchte, bis es durchbrach (natürlich zügle ich mich nach Kräften und halte mich fast immer an die Tempolimiten). Und: Liess meine zeitweilige Schwerhörigkeit mich daran zweifeln, dass ich noch zur Menschheit gehörte, dann tat mir Autofahren gut. Ganz nach dem logischen Denkmuster: Millionen Menschen (in der westlichen Welt) fahren Auto. Ich fahre Auto. Also bin ich ein normaler westlicher Mensch.

Ja. So war das. Bis die Schwindelanfälle begannen. Lange Zeit kam ich ja trotzdem irgendwie zurecht. Die Anfälle kamen selten, und ich wusste es, wenn sich einer ankündigte. Aber in letzter Zeit verschaukelt mich die Welt täglich ein paarmal. Allmählich gewöhne ich mich dran. Nur bei der Vorstellung, die Strasse würde mir auf der Autobahn entgegenbocken, dann, wenn ich mit 120 Sachen unterwegs bin - die jagt mir jenen kalten Angstschweiss ins Kreuz, den ich von meinen ersten Fahrstunden kenne.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist zwar immer noch sehr gering. Deshalb plane ich immer noch ab und zu, mit dem Auto irgendwo hinzufahren. Aber kurz bevor es soweit ist, beginnen mich dann Zweifel zu plagen. Ist es fahrlässig, was ich da vorhabe? Oder bin ich wieder einmal einfach eine froschgrün angemalte Angsthäsin? Schliesslich muss ich ab und zu fahren, damit ich nicht aus der Übung komme. Einen Arzt kann ich nicht fragen, denn ein Arzt weiss ja nicht, wie es mir geht. So überlege ich hin- und her. Endlos. Bis ich beinahe den letztmöglichen Zug verpasse.

Letztes Mal entschied ich mich nach zwei qualvollen Stunden des Hin- und Herüberlegens in letzter Minute für den Zug. Ich musste mich beeilen und warf in aller Eile ein paar Sachen in meine Tasche.

Als ich im Zug sass, merkte ich, dass ich mein Buch vergessen hatte. Und: Nach der Hälfte der Fahrt war mein Handy-Akku leer!

Selbstmitleid

Was macht Ihr eigentlich, wenn Ihr einen jener Tage habt, an denen Euch das Selbstmitleid zu überwältigen droht?

10
Jan
2009

Das kleine Mädchen

kleinesmaedchen

Dieses Gemälde von Thomas Muff hat in den letzten paar Monaten in unserer Wohnung gehangen - aus Gründen, die ich hier nicht erklären möchte. Jedenfalls hing es so, dass ich es täglich anschauen konnte. Und ich schaute es an. Dieses verwischte Helldunkel auf der linken Seite. Diese scharf abgegrenzte, hellgrüne Silhouette eines kleinen Mädchens davor. Eines Mädchens meiner Generation (Tom hat den Schattenwurf eines aufs Bild projizierten Familienfotos nachgemalt).

Ich habe das kleine Mädchen angestaunt. In dieser hellen Fläche scheint so viel unerklärliche Tiefe enthalten. So viel Zukunft.

Und ich fragte mich: Bestaunt das Kind ein Feuerwerk? Oder sind das Explosionen? Oder sehe hier wieder einmal nur ich Knall und Rauch? Sind das da nicht einfach wunderbare Blumen in der Nacht? Und wer ist das zweite kleine Mädchen am linken Bildrand?

Dann kam der Moment, da ich das Bild hätte zurückgeben müssen. Aber ich konnte mich von den kleinen Mädchen mit den unbegrenzten Möglichkeiten nicht mehr trennen.

Ich habe zum Erstenmal in meinem Leben ein Bild gekauft.

8
Jan
2009

Hier gibts Schokolade

In den letzten Tagen haben wir das Thema Fisch aus kulinarischer und politischer Optik gründlich aufgearbeitet. Es wird Zeit, diese ernsten Diskussionen etwas zu versüssen: mit Schokolade. Oder vielmehr: Ragusa.


(Quelle: www.news.ch)

Für alle nichtschweizer Leser: Ragusa-Riegel gehören zum helvetischen Kiosk-Sortiment, seit ich mich erinnern kann. Sie schmecken auch prima. Nie hätte ich damit gerechnet, dass es sich bei diesem aus unserem Alltag nicht wegzudenkenden Schoggistengel um ein Ersatzprodukt aus dem Zweiten Weltkrieg handelt. Ist er aber: Er wurde 1942 als Pralinen-Ersatz erfunden. Erfinder war Camille Bloch, Gründervater der gleichnamigen Firma. Er konnte bei Kriegsausbruch in Moskau einen der letzten grösseren Brocken Schokolade erbeuten, die damals noch zu haben waren. Den streckte er mit Haselnüssen, so weit es überhaupt ging. Als er dem Produkt einen Namen geben wollte, muss er festgestellt haben, dass gerade alle Marketing-Berater im Aktivdienst waren. Benannt wurde das Ding jedenfalls umstandslos nach dem heutigen Dubrovnik. Dort verbrachten Blochs damals scheints ihre Sommerferien.

(Dieses Anekdötchen habe ich von Jürg Stadelmann).

6
Jan
2009

Somalia: Ich bin empört

Somalische Piraten überfallen schweizerische Handelsschiffe. Wenn das kein gefundenes Fressen für uns Medienschaffende ist! Ich meine: Piraten! Grusel! Und seit Johnny Depp sind Piraten sowieso schwer im Trend!

Und dann bedrohen diese somalischen Kerle auch noch unsere Neutralität! Die stellen uns vor eine gewissermassen existenzielles Frage: Sollen wir Schweizer Soldaten an den Golf von Aden, also definitiv ins Ausland, schicken? Sollen Soldaten unsere Schiffe im Ausland schützen? Uiuiuiui! Bei so einem Thema können Linke und Rechte einander wieder monatelang und unter viel medialer Aufmerksamkeit in die Waden beissen!

Eins empört mich aber an dieser Diskussion: Dass niemand darüber nachdenkt, ob und wie man das Problem bei der Wurzel packen könnte.

Ich meine: Ursprünglich waren diese Piraten doch Fischer, die aus schierer Not fremde Schiffe überfielen und plünderten. Fischkutter aus dem Westen hatten nämlich ihre Fischgründe leergeplündert. Und Banker konnten diese Fischer ohne Fische nicht werden, denn in Somalia gibt es keine Banken und keine Banker. Nur eine Mafia. Die entdeckte dann die Piraterie und machte ein lukratives Geschäft daraus.

Sicher haben wir alle auch Fisch aus Somalia gegessen (also, ich ja vielleicht eher weniger, aber trotzdem!) Deshalb stört es mich, mit welcher Gleichmut all das zur Kenntnis genommen wird. Dass niemand wenigstens heuchelt, man könnte doch etwas Humanitäres gegen die Piraterie tun. Oder darauf aufmerksam macht, dass es die Piraterie fördert, wenn man Fischgründe leerplündert.

Krimi in der Krise

Ich bin gerade dabei, Herrn T. meinen Krimi vorzulesen. Aber er mag ihn nicht besonders. Und ich eigentlich auch nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn ich ihn Herrn T. vorlese.

Was soll ich also tun mit dem Geschreibe? Inspiriert von Acqua befrage ich das Buch-Orakel.

Es sagt: "Der hat nämlich die eigenartige Gewohnheit oder das Bedürfnis, während jeder Stunde ein- bis zweimal zum Fenster hinauszuspucken, dieser liebe Mensch."

(Aus: Klaus Schädelin: Mein Name ist Eugen Zürich, 1955, S. 95)

Soll das jetzt eine Antwort sein?!

4
Jan
2009

Dorschfilet nach Maxens Art

Zu Hause gabs bei uns nie Fisch. Naja, es gab hie und Fischstäbchen. Aber die kann man im Grunde nicht Fisch nennen. Denn Fisch, das war irgendwie zu gut für uns, lernten wir. Zu teuer. Und dann so schwierig zuzubereiten! Mutter Frogg war eben im Herzen eine Berufsfrau, genau wie ihre Mutter auch. Kochen betrachtete sie als lästige Pflicht. Als junges Mädchen versuchte ich dieses Defizit nach Kräften auszugleichen. Dabei konzentrierte ich mich aber eher auf Kuchen und Torten als auf Fleisch und Fisch. Und kaum erwachsen, entdeckte die Frogg ihr eigenes Herz für den Beruf. Fortan liess sie ihre Männer kochen.

Dieser Tage aber sagte ich mir: "Ich will jetzt Fisch zubereiten lernen!" Und dann stand ich in der Küche, und vor mir lagen zwei grosse, kalte Dorschfilets.



Hilflos schaute ich sie an. Ich wusste nicht, was ich mit ihnen anfangen sollte. "Unsere Familie hat mit Fischen eben doch nichts am Hut!" jammerte die Frogg. Doch dann fiel mir diese Geschichte ein, die Grossmutter Walholz, ledige Blötz, einmal erzählt hat.

Sie drehte sich um ihren Bruder Max, meinen Grossonkel. Zugetragen hat sie sich wohl während der frühen dreissiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals war meine Grossmutter, Gertrud Blötz, ein Kind. Ein Kind aus bürgerlichen Verhältnissen an sich. Doch das Unglück hatte ihr und drei Geschwistern in Gestalt einer hübschen, jungen Verkäuferin den Vater und Ernährer aus dem Haus geholt. Mutter Blötz war zu katholisch, sich scheiden zu lassen. Deshalb zahlte Vater Blötz auch keine Alimente. So war Schmalhans Küchenchef bei Blötzens.

Bruder Max war zwar noch zu klein, um Ernährer zu sein. Aber er reicherte die bescheidene Kost hie und da etwas an, indem er im nahen Flüsschen verbotenerweise Fisch fing. Eines Tages sei er wieder mit zwei schönen Albeli* ins Haus gekommen. Die sehen auf freier Wildbahn so aus:


(Quelle: http://www.4waldstaettersee.ch)

Mutter Blötz war gerade dabei, den Küchenboden feucht aufzunehmen und hatte Lappen und Feger in eine Ecke gestelt. Aus dem Fenster sah sie, dass zwei Männer ihrem Sohn folgten. Es waren Ordnungshüter.

Sie klopften an Frau Blötzens Tür und sagten: "Wir glauben, dass Ihr Sohn verbotenerweise gefischt hat. Können wir hereinkommen?" Grossmutter nickte schreckensbleich und liess die beiden Männer in die Küche. Dort sahen sie sich prüfend um. Sie fanden nichts und gingen wieder. Als sie weg waren, wirklich weg, nahm Mutter Blötz die Fische unter dem Putzlappen hervor, wo sie sie versteckt hatte. Sie war sonst die Rechtschaffenheit in Person. Ob er Hunger sie zur Gaunerin machte oder das Bedürfnis, ihren Sohn zu schützen, werden wir nie wissen.

Jedenfalls gab es im Hause Bötz köstliches Albeli-Znacht. Es gab also jemanden in unserer Familie, der Fisch zubereiten konnte! Es gab sogar jemanden, der ihn fangen konnte!

Beflügelt von dieser Erkenntnis machte ich mich auf die Suche nach einem Kochbuch und fand unter Herrn T.s Kochbuch-Schätzen Betty Bossis "Vielseitige Fischküche". Und siehe da: Darin gab es ein Rezept, für das ich fast alle Zutaten im Haus hatte. Ich kochte es zu Ehren von Onkel Max und seiner Mutter. Hier das Rezept, leicht abgewandelt:

400 g Dorschfilets in Würfel schneiden

3 dl saurer Most (auch Apfelwein),
etwas frischer Ingwer, gerieben,
3 Pfefferkörner, zerdrückt
einen halben Teelöffel Salz zusammen aufkochen und fünf Minuten köcheln, absieben, wieder in die Pfanne geben.

1 mittelgrossen Selerie halbieren und scheibeln und fünf Minuten köcheln
2 rote Äpfel, ungeschält, in Schnitte schneiden, beigeben und ca. 5 Minuten mitköcheln. Dann Äpfel und Sellerie herausnehmen, abgetropft warm stellen.

Fischwürfel in den Sud geben, kurz und auf kleinem Feuer ziehen lassen. Dann herausnehmen und warm stellen.

Dann die Sauce zubereiten:
1,5 dl Pochierflüssigkeit und
1,5 dl Rahm zusammen aufkochen
salzen, pfeffern

Alles zusammen mit Trockenreis servieren.

*Für Acqua: Ja, genau, Albeli sind Balchen!
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