in den laeden

5
Feb
2010

Das Frisösen-Desaster

Freunde ich brauche einen Haarschnitt! Ich brauche ihn dringender als alles andere. Seit dem 7. September 2009 war ich nicht mehr "beim Coiffeur", wie man hierzulande sagt. Ich sehe aus wie eine Kreuzung zwischen einem verkaterten Beatle und einer Neandertalerin. Und was noch schlimmer ist: Jedesmal, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich eine Frau, die noch die abgetragenen Haare einer Hörsturz-Patientin auf dem Kopf trägt. Das muss sich jetzt ändern. Ich will wieder neu werden.

Meine treuen Leser wissen, dass ich mit meiner Coiffeuse Nicole schon viel erlebt habe. Einmal, ein einziges Mal hätte ich sie schier wegen ihrer Salon-Kollegin Lisette verlassen. Aber dann blieb ich Nicole doch treu. Vielleicht aus einer Loyalität, die stärker ist als die Verlockungen der freien Marktwirtschaft. Und vielleicht, weil ich einfach zu bequem war.

Nun wollte Nicole jahrelang schwanger werden. Bei jedem Besuch erzählte sie es mir. Ich hatte mich längst damit abgefunden, dass das immer so weitergehen würde. Dass wir in Jahrzehnten lächelnd wegwerfende Handbewegungen über solche Jugendträume machen würden. Ich im Coiffeurstuhl, sie mit der Schere in der Hand. Aber die moderne Fortpflanzungsmedizin schlug mir ein Schnippchen. Als ich im September bei Nicole war, war das Bäuchlein nicht zu übersehen.

Als ich sie vor zwei Wochen anrief, beschied sie mir, ich müsse zu Lisette. Sie habe keine freien Termine mehr und würde sowieso bald in Mutterschafts-Urlaub gehen. Ehrlich gesagt: Ich war gekränkt. Zwar ging ich ja gar nicht ungern zu Lisette. Aber zu Lisette, weil Nicole keine Zeit mehr für mich hatte?! Das fand ich denn doch ziemlich frech! Doch ich fand mich in mein Schicksal und machte mit Lisette einen Termin aus. Er wäre heute gewesen.

Nur: Am Mitwoch rief Nicole an. Sie musste mit Herrn T. sprechen, denn ich war nicht zu Hause. Der Termin mit Lisette falle flach. Lisette habe eine Embolie gehabt. Oder so etwas. Sie sei im Spital. Mehr war nicht aus Herrn T. herauszubekommen. Herr T. interessiert sich nicht für Krankheiten. Er erzählte es mir, als ich nach Hause kam.

Ich hätte Mitgefühl für Nicole emfpinden müssen. Statt dessen empfand ich zuerst Ärger. Nun würde ich weiter mit meiner Hörsturz-Matte herumlaufen müssen!

Mir blieb nichts anderes übrig als ein Notfall-E-Mail-Versand an meine Kolleginnen im Geschäft. Es zeigte sich, dass gute Coiffeusen oder Coiffeure schwer zu finden sind. Sehr schwer. Schliesslich rückte Löwenherz mit der Nummer ihres Figaros heraus. Das ist gut. Löwenherz ist immer chic frisiert. Ihr Coiffeur heisst Mehmet. Er ist nicht ganz billig, weshalb er wahrscheinlich eine Übergangslösung ist. Morgen wird er mir die Schere ansetzen. Ich bin gespannt.

15
Dez
2009

Päcklirausch

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass Vierjährige sich zu Weihnachten Geschenke wünschen, die mindestens so gross sind wie sie selber. Also mindestens vier Käse hoch. Tim zum Beispiel wünscht sich eine komplette Rennbahn. Carina diesen Töff für ihren Baby-Born-Puppe, unbedingt. Nun sind Tim und Carina meine Gottenkinder. Sie sollen von mir bekommen, was sie sich wünschen. Denn ich muss gestehen: Sonst habe ich sie in den letzten Monaten ein wenig vernachlässigt.

Heute Nachmittag erstand ich im Manor die beiden Geschenke. Beide Packungen waren so gross, dass die Beschenkten ohne weiteres werden hineinkriechen können. Ich stand mit zwei riesigen Tüten da und dachte: "Ich hätte es vielleicht doch besser mit Hörbüchern bewenden lassen sollen." Dann beschloss ich, mir die beiden Monsterpakete wenigstens einpacken zu lassen, im Manor-Päcklidienst im Untergeschoss des Warenhauses.

Die beiden jungen Verkäuferinnen dort waren bereits schwer beschäftigt. Ein kleines Grüppchen Wartender stand um sie herum. Eine der beiden Angestellten bemühte sich, einen echt aussehenden Hund aus schimmerndem, weissem Fell in eine etwas zu kleine Schachtel zu quetschen. "Armer Hund", dachte ich! Da liegt er nun in seinem Sarg bis 24. Dezember! Hoffentlich bekommt er ein Kind, das gern mit ihm spielt. Es dauerte. Wären wir in Italien gewesen, hätten wir angefangen, der offensichtlich etwas ungegabten Packerin gutmütig Tipps zu geben.

Aber wir waren in der Schweiz. Wir schwiegen und warteten - einige mit diesem typisch schweizerischen Gesichtsausdruck, der da sagt: Ich werde nicht so gut bedient, wie es mir eigentlich zustünde!

Dazu Weihnachtssound. Zum Beispiel das hier:



Freunde, ich tue Euch das nicht an, weil ich diesen Song (oder die Visualisierung) mag. Gut, er war einmal die Hymne des einsamen, 14-jährigen Teenagers Filomena Frogg. Aber es gibt Dinge, an die man sich beim Schlangestehen am weihnachtlichen Päcklidienst ungern erinnert. Zumal der Song in den Bässen schmurgelte und von irgendeiner noch vielmehr schmurgelnden Lüftung untermalt wurde (mein gutes Ohr schwächelt wieder. Aber ich will mich nicht beklagen, ich kann mich noch problemos mündlich verständigen). Ich tue ihn Euch an, weil ich Euch nachvollziehbar machen will, warum Frau Frogg allmählich klaustrophobisch wurde.

Schliesslich kam ich dann doch dran. Als ich den Blick der Verkäuferin auf die beiden Geschenke sah, begann die Sache Spass zu machen. Ich meine, diese höfliche Art, mit der die junge Frau ein Augenverdrehen unterdrückte... fast schon filmreif! Und wie sie dann riesige Papierbogen von der Rolle riss und zum Tisch schweben liess! So ist Handwerk richtig schön!

Ich brachte die beiden verpackten Geschenke dann sogar unbeschadet nach Hause. Nur musste ich dort einmal überlegen, wo ich sie bis 24. Dezember zwischenlangern könnte. Vielleicht muss ich ein Zimmer in unserem Wohnhaus zumieten.

8
Jun
2009

Nach dem Zahnarzt

Endlich. Nach fast zwei Wochen habe ich heute Hoffnung geschöpft, dass mein Mund eines Tages nicht mehr wehtun wird. In den 14 (vierzehn!) Tagen zuvor fühlte sich zeitweise jeder Schluck Wasser, jedes Wort, ja, jeder Atemzug, so an, als würde irgend so ein Typ sein Rasiermesser an meinem Zahnfleisch wetzen. Und zwar genüsslich.

Ja, ich gebe es zu: Ich habe mich von Zahnarzt Schwytzer zu einem kleinen Eingriff überreden lassen. Ich erlaubte ihm, mir den tief sitzenden Zahnstein am hintersten Backenzahn oben links operativ zu entfernen. Und als kleine Draufgabe durfte er mir das Zahnfleisch dahinter mit einem glühenden Dingsda wegsengen. "Damit sich das Zahnfleisch dort nicht noch mehr entzündet! Sonst fällt Ihnen in 10, 15 Jahren noch ein gesundern Backenzahn aus", erklärte die Zahnarztgehilfin sachlich. Es zischte und stank.

Ich hatte mir bekanntlich vorgenommen, Schwytzer abzuwimmeln. Ich verdächtigte ihn der Geldgier. Aber dann entpuppte sich eine meiner Bekannten als gelernte Zahnarzt-Gehilfin. "Oh, Zahnarzt Schwytzer!" schwärmte sie, "Das wäre der Chef meiner Träume gewesen. Der ist so ruhig und gelassen! Und er tut überhaupt nichts Unnötiges!"

Ich glaubte ihr.

Ich büsste schwer. Die Operation ging ja noch. Na gut, eine Weile hing Schwytzer mit seinem gesamten Gewicht an meinem Zahnstein. Und riss. Und riss. Also, wenn alles an mir so stark wäre wie mein Zahnstein, dann hätte ich auf der Welt nichts zu befürchten. Aber sonst ging alles gut.

Aber die Schmerzen nachher! Ich kann nur sagen: Tut es mir niemals nach! Verzichtet besser in ferner Zukunft auf Eure Backenzähne! Wie gut, dass endlich alles besser wird!

Dumm ist nur, dass ich übermorgen zum Kieferchirurgen muss. Über die Zukunft meiner verbliebenen drei Weisheitszähne entscheiden.

3
Apr
2009

Beim Zahnarzt

"Kommen Sie im Mai wieder", sagt mein Zahnarzt. "Es wird Zeit, dass wir in dieser Sache zu einer Entscheidung kommen." Er spricht von den drei Weisheitszähnen, die seit Jahrzehnten so tief in meinen Kiefern ruhen wie verborgene Schätze. Er will sie endlich ausgraben.

Ich würde ihn gerne dran erinnern, dass es nicht Unentschlossenheit war, die ihn bislang daran gehindert hat. Ganz im Gegenteil. Ich habe ihn mit Entschiedenheit daran gehindert. Schon vor ein paar Jahren hat er mich zu überreden versucht, ihn an die vergrabenen Drei heran zu lassen. Er warnte mich damals vor allerhand hässlichen Problemen, die nie ausgewachsene Weisheitszähne verursachen können. "Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Komplikationen einstellen?" fragte ich. Da wusste er, dass das Spiel gelaufen war. Er grinste: "Zwei Prozent." Worauf ich Deutsch und deutlich sagte: "Dann lassen wir sie drin!"

Ich verzichte darauf, ihn auf seine kleine Erinnerungslücke anzusprechen. Ich werde meinen Atem brauchen, wenn er wir ernsthaft über die Sache reden. Er hat neue Argumente.

Ich bin kein misstrauischer Mensch. Ich lebe nicht in der ständigen Erwartung, dass mich jemand ausnehmen will. Warum werde ich den Verdacht nicht los, dass mein Zahnarzt sich nicht in erster Linie aus Sorge um mich für meine Weiheitszähne interessiert?

27
Feb
2009

Schuhe kaufen

Ja, ich weiss, Schuhe... ein ausgetretenes Thema. Aber ich verspreche hoch und heilig: Hier gibts nicht das übliche Gesäusel über Manolo Blahnik. Hier schreien in ihrem Stilempfinden zu Unrecht vergessene Füsse auf!

Schon letztes Jahr suchte ich ab Ende Februar Schuhe für den Frühling. Schuhe, die eine erwachsene Frau zur Arbeit anziehen kann. Schuhe, die mich professionell aussehen lassen würden. Aber doch Modelle, die ahnen liessen, dass ich einen Hauch von Sinnlichkeit ins Grossraumbüro gerettet habe. Bequeme Schuhe mit Stil, unbedingt. Und solche mit Absätzen, die eine Maximalhöhe von 5,5 Zentimetern nicht übersteigen.

Ich suchte die ganze Altstadt ab. Nun kann man nicht sagen, das Schuhangebot in unserer nicht zu kleinen Altstadt sei knapp. Im Gegenteil: Wer in unserer Altstadt zwei Jahre lang etwas anderes verkauft als Schuhe und Kleider, bekommt einen Preis für sein aussergewöhnliches Tun. Das ist notorisch. Ich aber suchte vergebens. Schuhe für Frauen wie mich gab es letztes Jahr nicht.

Dafür gab es Ballerinen in allen Farben. So viele Ballerinen! Hach, wie ich mit 17 die ganze Stadt vergeblich nach Ballerinen durchwühlte! Hach, hätte es damals eine Zeitmaschine gegeben, die mich ins Jahr 2008 versetzte! Wie mühelos hätte ich ein paar Ballerinen ins Jahr 1982 zurückgebracht. Aber letztes Jahr brauchte ich keine Ballerinen mehr. Ich brauchte ein paar Schuhe für Frauen, die mit beiden Füssen fest im Leben stehen.

Nebst Ballerinen gab es aber nur noch weitere Girlie-Modelle. Dazu Stilettos. Und dann noch diese weiss gelochten Modelle für Frauen ab 65. Gepflegte Seniorinnen, die so aussehen, aus würden sie die meiste Zeit nichts tun, als ihrem weisshaarigen Ehemann vom Rande des Golfplatzes her zuwinken . "Ja Herrschaft Sternen!" wetterte die Frogg, "Ist es denn so untrendig geworden, seinen Lebensunterhalt in einem Büro zu verdienen?"

Nun ja, ehrlich gesagt: Es gab Schuhe für Frauen wie mich. Aber erst von 220 Franken aufwärts. "Tut mir Leid, Frau Frogg! Du hast den falschen Beruf", seufzte ich leise. "Professionell aussehen dürfen Frauen heute nur noch, wenn sie über 8000 Franken im Monat verdienen."

Ich putzte also noch einmal das Paar vom letzten Jahr heraus. Zur Not konnte ich mich damit noch zeigen. Dazu betrachtete ich neidisch die schneidigen Treter meines schwulen Kollegen Pokerface. Wenn es nächstes Jahr nicht besser wurde, würde ich Herrenschuhe kaufen, das schwor ich mir.

Als ich vor ein paar Tagen dann dieses Modell in einem Schaufenster entdeckte, hechtete ich sofort in den Laden.

schuh.jpg 001

Sie kamen meinem Ideal von einem anständigen Schuh am nächsten. Ich wollte unbedingt verhindern, dass sie mir jemand aus der Hand riss.

Ich probierte und probierte. Die 39 war mir zu eng. Die 40 zu lang.

Ich habe sie trotzdem gekauft. Die 40. Ich hoffe, ich werde einen Trick finden, wie ich sie tragen kann, ohne ständig hinauszukippen.

Hier mehr über Schuhe (und anderes). Von einer Frau, die in einem halben Satz Verheissungsvolleres über die Sinnlichkeit Schuhen zu sagen weiss als ich in einem ganzen Beitrag

6
Feb
2009

Göttliche Kosmetikerin

Eben war ich bei meiner Kosmetikerin. Sie vertritt eine bestimmte, französische Kosmetikfirma, die ein ziemlich aufdringliches PR-Brimborium um sich macht. Wenn ihre Cremes meiner Haut nicht so gut täten und sie nicht so nett wäre, würde ich diees Getues wegen schon lange einen grossen Bogen um sie machen.

In letzter Zeit stellt sie zu Beginn der Sitzung immer einen Laptop vor mich hin. Darauf läuft ein PR-Filmchen ab. "So, das ist die gute Nachricht", sagt sie dazu und beginnt mich in Handtücher einzupacken.

Die gute Nachricht. Aha! Die gute Nachricht, denke ich und hätte beinahe laut herausgelacht. Also, das finde ich jetzt ein bisschen dick aufgetragen! Eignet sich da jetzt wirklich eine Kosmetik-Firma einen religiösen Touch an? Oder verwöhnt meine Kosmetikerin mich bloss mit einem Beispiel ihres Berufsfrauen-Jargons?

Oder will sich da jemand als Alternative ins Spiel bringen, falls ich mich dieser Tage dazu durchringen sollte, der katholischen Kirche nun doch noch den Rücken zu kehren?

Die gute Nachricht des Filmchens lautet, dass ich meine Haut auch vor den Einflüssen des Winters tiptop schützen kann - mit eben den Produkten der besagten Firma. Sollte mir das als Alternative genügen, müsste ich aber auch noch prüfen, wie "meine" Kosmetik-Firma mit Holocaust-Leugnern umgeht!

20
Dez
2007

Das Weihnachtsgeschenk

Da liegt es, das Ding, das ich brauche. Ich muss es nur aus dem Gestell nehmen, zur Kasse gehen und zahlen. Es ist das Weihnachtsgeschenk für meinen Göttibub. Es ist eine Plastikmatte, bedruckt mit einer Strasse und Parkplätzen und Trottoirs, und dazu gibt’s kleine Verkehrszeichen und Ampeln aus Plastik. Tim kommt jetzt ins Autölialter, und so eine Matte hat er noch nicht. Wenn er so eine von mir bekäme, dann wäre ich seine Heldin, sagt seine Mutter. Wer würde da kein solches Ding für seinen Göttibub kaufen wollen?

Bevor ich zur Kasse gehe, schaue mir noch schnell die Verpackung an.
„Made in China“, steht da, und sofort meldet sich das frogg’sche Gewissen. Deswegen
«Nein», sagt das Gewissen bestimmt, «Dieses Ding kaufst Du nicht!»
Ich stöhne. Ich meine, ich habe lange, erfolglose Suche nach diesem Ding in den Fröscher Spielzeugläden hinter mir. Jetzt, nach Stunden, stehe ich im Autoland-Shopping von Moderig. Weil ich kein Auto habe, habe ich einen beachtlichen Fussmarsch bei klirrender Kälte zurücklegen müssen. Und jetzt stehe ich hier und soll die Matte nicht kaufen?
„Genau. Du sollst es nicht kaufen!“ sagt das frogg’sche Gewissen.
„Aber für die Arbeiter im grossen, fernen China ändert sich doch nichts, wirklich gar nichts, wenn ich, die einsame Frogg hier am anderen Ende der Welt, dieses eine, kleine Ding jetzt nicht kaufe!“
„Wer weiss? Und überhaupt: Vielleicht ist ein Arbeiter vor Erschöpfung und Hunger ohnmächtig umgefallen, als er dieses Ding verpackt hat. Meinst Du, es tut Deinem Tim gut, damit zu spielen?“ sagt das Gewissen.
„Seit wann sind wir Esoteriker?!“ schnauze ich.
Aber das Gewissen ist hart wie Beton. „Wir finden eine andere Lösung“, sagt es.

Und ich finde eine andere Lösung. Der Spielwarenladen im Autoland-Shopping führt zum Glück sämtliche Bob the Builder-Puzzles. Die liebt klein Tim, das weiss ich. Und sie sind von einer deutschen Firma.

Stunden später erzähle ich meinem Kollegen Stäbchenraucher die Geschichte. Nicht ohne Stolz, versteht sich. „Ach sei doch nicht naiv!“ sagt der. „Meinst Du etwa, das Puzzle sei nicht in China hergestellt worden?! Diese Herstellertricks kennt man doch! Wer weiss, ob das Puzzle nicht doch auch in China hergestellt wurde und die in Deutschland nur ein paar Handgriffe dran gemacht haben?“

29
Dez
2004

Damenbart & Malediven

Heute war ich bei Frau Varlon. Gesichtshaare entfernen. Eine schmerzhafte Sache, und Frau Varlon ist keine gewöhnliche Kosmetikerin. Es schmerzte sie schrecklich, mir weh zu tun. Am meisten an den Augenbrauen, auf die freute sie sich gar nicht!

«Furchtbar!» sagte sie nach dem dritten Haar an der rechten Braue. Erst dachte ich, sie meine die Tatsache, dass Schönheit leiden muss.

Aber dann sagt sie: «Diese Katastrophe in Südasien!»

Da denke ich, dass sie davon redet, um mir den Schmerz leichter zu machen. Anderswo ist es noch viiiel schlimmer, so lautet das Prinzip dieser Erzählform.

Dann stellt sich heraus, dass Frau Varlon vor ein paar Jahren auf den Malediven gewesen ist. «Auf einer Insel, nur 50 Meter breit und ganz flach! Die Flut hat alle Leute dort fortgeschwemmt! Alle Leute, die dort gearbeitet haben! Stellen Sie sich das vor!»

Sie wechselt zu meiner linken Augenbraue ich begreife, dass sie mir all das auch erzählt, um es für sich leichter zu machen.

12
Dez
2004

Staubsager-Beutel und so weiter

Zunächst sah die Geschichte ganz einfach aus. Eine Geschichte über Staubsauger-Beutel. Das Szenario schwebte mir schon vor, als ich heute früh in die Stadt aufbrach: Ich werde neue Staubsauger-Beutel zu kaufen versuchen. Mein einst beträchtlicher Vorrat ist fast aufgebraucht. Aber mein Staubsauger ist mindestens 15 Jahre alt, und das Modell wird längst nicht mehr hergestellt. Ergo werden auch die richtigen Staubsauger-Beutel nicht mehr fabriziert. Ich werde also also einen neuen Staubsauger kaufen müssen, sonst kann ich bald nicht mehr staubsaugen.

Eine Story über Konsumzwänge. Über die immer unsinnigere Materialschlacht, an der wir alle teilnehmen müssen. Etwas altmodisch. Vorhersehbar. Ich hätte sie gar nicht aufgeschrieben, wenn sie tatsächlich so passiert wäre. Aber es kam dann anders:

Ich gehe also in die Stadt und betrete den Fröscher Globus. Aus diesem Warenhaus stammt der mein Staubsauger. Denn das Gerät habe ich damals von Mutter Frogg geschenkt bekommen. Und lange Zeit war Globus das Warenhaus von Mutter und Vater Frogg's Wahl. Damals konnten sich die Froggs einkaufen im Globus auch noch leisten. Denn damals war der Globus zu Frösch noch ein Jelmoli und die Preise des Hauses für Mittelstandsfamilien erschwinglich.

Globus aber baut das Haus alle paare Jahre um. Mit Beträgen, für die die Stadt Frösch ein mittelgrosses Schulhaus sanieren könnte (was die SVP dann immer noch zu teuer finden würde). Die Preise für das gediegene Interieur schlagen aber auf die Preise der Ware im Globus. Klar. Was zur Folge hat, dass selbst Mutter Frogg dort allenfalls noch Parfüms kauft. Tochter Frogg aber ganz sicher nur noch Staubsaugerbeutel. Und, äh, eine Packung Seitenbacher-Müesli, Fr. 6.95, naja, wenn ich eh schon dort bin...

Item. Die Abteilung Haushalt, heisst es, sei im 4. Stock. Ich also die Rolltreppen hoch. Der 4. Stock aber ist eine Boutique und schimmert in Orange und Gelb. «Hier gibt es garantiert keine Staubsaugerbeutel», wispert Philemon. «Hier gibt's nur noch Luxusartikel wie Kerzen, Servietten und Badesalze ab 25 Franken, glaub mir. Die Globus-Kundin ist schliesslich betriebswirtschaftlich durchorganisiert. Sie schreibt ihren Staubsauger in fünf Jahren ab und kauft dann im Designerladen das neueste Modell.»

Die Verkäuferin im 4. Stock aber lächelt und sagt: «Versuchen sie es doch im 3. Stock. Einfach die Rolltreppe runter und geradeaus. Dort gibt es Staubsauger-Beutel.»

Und die Verkäuferin im 3. Stock lächelt und sagt: «Ach den Propair hier, ja, den haben wir, glaube ich. Einen Moment bitte.»

Da wartet die Frogg und spult sofort ein neues Szenario herunter: «Die sind hier bestimmt wie damals Bally war! Die Schweizer Luxus-Schuhfirma. Die fast Konkurs ging und dann an irgendwelche Texaner verkauft wurde. Die Nation trauerte, weisst Du noch? Dann stellte sich heraus, dass Bally ein Lager gehabt hatte mit Hunderten von fertigen Schuhmodellen in hunderten von verschiedenen Grössen. Damit jeder Luxusfuss sein Luxusmodell in kürzester Zeit haben konnte. Exorbitante Lagerkosten. Darum waren die Schuhe so teuer. Vielleicht ist Globus auch so. Vielleicht horten die 27 Sorten Staubsaugerbeutel irgendwo an einer Autobahn, in einer riesigen Wellblechhütte. Und wenn eine Sorte ausgeht, wird sie von Hand neu gemacht, weil es die richtigen Maschinen nicht mehr gibt. Eines Tages wird....»

«Philemon!» sage ich streng, denn jetzt kommt die Verkäuferin mit Staubsauger-Beuteln. Es sind die Richtigen! Die Verkäuferin sagt: «Ja, wir haben sie noch. Aber ich weiss nicht, wie lange noch.»

Was macht da die gute Philemon? Kauft sie einen Staubsauger-Beutel-Vorrat, der bis ins Jahr 2025 reichen wird? Natürlich nicht. Daran denkt sie nicht im Traum. Und träumen tut sie schon, als sie zahlt und geht. Sie geht Frage nach, wo überhaupt all diese Geschichten in ihrem Kopf herkommen. Diese Szenarien. Der Frage, welche Geschichten zu erzählen sich überhaupt lohnt. Und wenn ja, warum.

Weil mich die Frage immer noch beschäftigt, habe ich diese Geschichte überhaupt geschrieben. Obwohl ich heute gar nicht schreiben wollte. Aber ich kanns nun mal nicht lassen.

26
Nov
2004

Globales Gedrängel

«...die Chinesen!» seufzt der Verkäufer im swisscom-Laden zur Frogg. Er meint, die Kundin Frogg beschwichtigen zu müssen, weil sie so lange nicht drangekommen ist. Ein asiatisches Quintett sorgte für Action, forderte jedes, aber auch jedes Extra ein, und zwar sofort. «Die Chinesen», seufzt der Verkäufer, «Immer drängeln! Das habe ich in einem Kurs gelernt. In China muss man immer drängeln, sonst ist man verloren. Kommt man nie dran.»

Alle jubeln ja darüber, dass die Chinesen jetzt fast ungehindert in die Schweiz reisen dürfen. Alle, die öffentlich was sagen dürfen, jedenfalls: Touristimusdirektoren, Politiker, Journalisten. Die Kohle aus dem fernen Osten wird der helvetischen Tourismusbranche wieder so richtig warm einheizen und unser Volkswirtschafts-Motörli zum Laufen bringen, jubilieren sie.

Die Basis jubelt nicht. Die Basis seufzt und lästert. Oder grinst genüsslich beim Erzählen. Eine Verkäuferin in einer Touristen-Bijouterie zum Beispiel: «Die furzen doch so ungeniert. Du glaubst nicht, wie das riecht! Und rülpsen!»

Die seien, sagte sie, fast noch schlimmer als die Inder. «Die Inder sind schrecklich. Die stehen Dir vor der Ware, schauen alles ewig und gründlich an, machen Preisvergleiche. Bis sie sich beeilen müssen, damit der Bus nicht abfährt. Dann fangen sie an, einen rumzuscheuchen wie ein Huhn! Schusch! Schusch!» macht sie und dazu die typische Handbewegung

Abends sage ich zum Herrn Tiger: «Sag mal, wann reisen wir nach China? Ich glaube, die globale Entwicklung erfordert, dass wir drängeln lernen!»
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