20
Dez
2007

Das Weihnachtsgeschenk

Da liegt es, das Ding, das ich brauche. Ich muss es nur aus dem Gestell nehmen, zur Kasse gehen und zahlen. Es ist das Weihnachtsgeschenk für meinen Göttibub. Es ist eine Plastikmatte, bedruckt mit einer Strasse und Parkplätzen und Trottoirs, und dazu gibt’s kleine Verkehrszeichen und Ampeln aus Plastik. Tim kommt jetzt ins Autölialter, und so eine Matte hat er noch nicht. Wenn er so eine von mir bekäme, dann wäre ich seine Heldin, sagt seine Mutter. Wer würde da kein solches Ding für seinen Göttibub kaufen wollen?

Bevor ich zur Kasse gehe, schaue mir noch schnell die Verpackung an.
„Made in China“, steht da, und sofort meldet sich das frogg’sche Gewissen. Deswegen
«Nein», sagt das Gewissen bestimmt, «Dieses Ding kaufst Du nicht!»
Ich stöhne. Ich meine, ich habe lange, erfolglose Suche nach diesem Ding in den Fröscher Spielzeugläden hinter mir. Jetzt, nach Stunden, stehe ich im Autoland-Shopping von Moderig. Weil ich kein Auto habe, habe ich einen beachtlichen Fussmarsch bei klirrender Kälte zurücklegen müssen. Und jetzt stehe ich hier und soll die Matte nicht kaufen?
„Genau. Du sollst es nicht kaufen!“ sagt das frogg’sche Gewissen.
„Aber für die Arbeiter im grossen, fernen China ändert sich doch nichts, wirklich gar nichts, wenn ich, die einsame Frogg hier am anderen Ende der Welt, dieses eine, kleine Ding jetzt nicht kaufe!“
„Wer weiss? Und überhaupt: Vielleicht ist ein Arbeiter vor Erschöpfung und Hunger ohnmächtig umgefallen, als er dieses Ding verpackt hat. Meinst Du, es tut Deinem Tim gut, damit zu spielen?“ sagt das Gewissen.
„Seit wann sind wir Esoteriker?!“ schnauze ich.
Aber das Gewissen ist hart wie Beton. „Wir finden eine andere Lösung“, sagt es.

Und ich finde eine andere Lösung. Der Spielwarenladen im Autoland-Shopping führt zum Glück sämtliche Bob the Builder-Puzzles. Die liebt klein Tim, das weiss ich. Und sie sind von einer deutschen Firma.

Stunden später erzähle ich meinem Kollegen Stäbchenraucher die Geschichte. Nicht ohne Stolz, versteht sich. „Ach sei doch nicht naiv!“ sagt der. „Meinst Du etwa, das Puzzle sei nicht in China hergestellt worden?! Diese Herstellertricks kennt man doch! Wer weiss, ob das Puzzle nicht doch auch in China hergestellt wurde und die in Deutschland nur ein paar Handgriffe dran gemacht haben?“

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pipistrella - 21. Dez, 08:16

dein kollege hat nicht ganz unrecht. viele heimische verkäufer kaufen ihre sachen über einen zwischenkäufer und "umgehen" damit das "made in china"-label, auch weil sie sich schlussendlich gar nicht dafür interessieren, woher das zeug kommt.

aber trotzdem: ich bin stolz auf dich! hast du gut gemacht.

irgendeinisch - 21. Dez, 08:42

finde ich schön, dass du so unbeirrbar warst. ich weiss nicht, ob ich sie nach einem fussmarsch durch die kälte und der verlockung beim göttibub als heldin dazustehen, wirklich so standhaft zurück ins regal gelegt hätte.

aber ich achte schon einige zeit darauf, im fernsehen gab es mal einen ähnlichen bericht wie im magazin, so bin ich froh, dass die vom göttibub favorisierten legosteine in dänemark hergestellt werden.

acqua - 21. Dez, 09:51

Ihr habt ja alle recht, dass ihr so konsequent darauf schaut, woher die Spielsachen kommen. Aber manchmal macht mich das ganz müd, dass man dauernd auf so vieles schaues muss. Und ich muss gestehen, ich habe bei meinen Geschenkkäufen überhaupt nicht darauf geachtet.

pipistrella - 21. Dez, 13:05

das problem ist ja, dass man auch bei den kleidern, beim essen etc. darauf achten müsste. also grad bei den kleidern ist das problem sicher ähnlich gelagert wie bei den spielzeugen.

diefrogg - 21. Dez, 15:22

Wenns ums Essen...

geht, dann verleidet mir die ganze Boykott-Sache wirklich. Seit ich den Film "We Feed the World" gesehen habe, bin ich mir absolut sicher: Ich kann es sowieso nicht richtig machen. Also fange ich gar nicht erst an. Mit einer Ausnahme: ich kaufe nur selten Lebensmittel aus Übersee, wegen des Ölverbrauchs.

acqua - 21. Dez, 17:49

Bei den Kleidern müsste man darauf achten, beim Essen und dann noch schauen, dass keine Tierversuche durchgeführt wurden und dass die Energie erneuerbar ist und dass FSC Holz verwendet wurde und dass die Fische das MSC Label haben und und und...
(Sagt eine, die manchmal Geld damit verdient, dass sie anderen genau dieses predigt...)

diefrogg - 21. Dez, 21:35

Du meine Güte,

dann bewegst Du Dich ja auf heiklem Terrain, geschätzte Acqua. Aber umso weniger wundert mich, dass das Thema Dich ermüdet!

acqua - 21. Dez, 21:58

Na ja. Meistens hilft es ja, sich ausführlich mit einem Thema zu beschäftigen, so dass man am Ende weiss, bei welchem Label nun was Sache ist. Danach hat man dann eine wirklich gute Entscheidungsgrundlage.
diefrogg - 22. Dez, 12:05

Liebe Acqua,

Dann dann kannst Du mir ja vielleicht diese Frage beantworten: Lohnt es sich überhaupt, etwas nicht zu kaufen - es zu boykottieren - wenn es keinen Boykottaufruf, keine Boykottbewegung gibt?

pipistrella - 22. Dez, 12:18

ich denke, es lohnt sich immer, auch wenn du alleine als einzige person noch nicht viel ausrichten kannst. aber du kannst es an deine kinder, deinen göttibub, deine kollegen weitervermitteln und so hat es vielleicht irgendwann mal eine wirkung.
und nicht zuletzt kannst du mit gutem gewissen die sachen benutzen, essen, was auch immer.
ich gebe zu, ich muss mich auch mehr informieren, der artikel hat mich wirklich aufgerüttelt. es kann nicht sein, dass andere meinetwegen leiden.
diefrogg - 22. Dez, 15:11

Nicht unbedigt!

Ich meine: Kurzfristig nützt es dem Büezer in China, wenn ich die von ihm hergestellte Ware kaufe: Die Fabrik läuft, er behält seinen Job etc. Boykottieren macht für den Büezer im Grunde nur Sinn, wenn gleichzeitig irgendwo her die Botschaft kommt: Passt auf, Fabrikbesitzer! Ich kaufe Eure Ware nur darum nicht, weil Eure Büezer zwölf Stunden im Tag malochen. Wenn sie erst nur noch neun oder zehn Stunden malochen und statt fauliger Gemüsesuppe jeden Tag zweimal die Woche ein Viertel Poulet bekommen, dann kaufe ich Eure Ware wieder.

pipistrella - 22. Dez, 17:00

das ist eben nur die kurzfristige betrachtungsweise. du hast recht, dass grundsätzlich auch eine botschaft mitgegeben werden müsste. aber wenn wir zwei anfangen und vielleicht nur wir zwei noch zwei andere davon überzeugen können und die wieder andere und so weiter, dann gibt es vielleicht eine entsprechende wirkung, so dass es für die firmen keinen sinn macht, in china zu produzieren, bzw. produzieren zu lassen oder eben die arbeitsbedingungen werden angepasst.

in dem bericht stand z.B. ja auch, dass der besitzer dieser firma bereits mühe hat, personal zu finden und die löhne schon anheben musste. leider stand auch, dass er sich überlege, mehr ins landesinnere zu wechseln, weil dort noch die bedingungen für solche arbeiter vorhanden sind. ich denke, auch wenn diese menschen im inneren von china vielleicht nicht immer genug zu essen haben, weil sie andere arbeit haben, oder abhängig sind vom wetter und dem was sie dann noch ernten können, leben sie dennoch menschenwürdiger.
indem du sachen aus fairem handel kaufst, stärkst du diesen handel, und die wiederum können dies auch kommunizieren und so den rest der menschheit auf die missstände aufmerksam machen.
acqua - 22. Dez, 19:43

Mehr Informationen kann ich dieser Diskussion nicht hinzufügen. Also ich kenne jetzt keine Zahlen oder sonstigen Untersuchungen. Aber warum soll es bei den Kinderspielsachen nicht ähnlich laufen, wie mit den Bio-Lebensmittel, wo steter Tropfen den Stein schliesslich höhlten und es sich für die Grossverteiler schon lange auszahlt, darin zu inverstieren?
diefrogg - 22. Dez, 20:45

Danke,

liebe Acqua, das mit den Grossverteilern finde ich ein sehr stichhaltiges Argument!

turntable - 23. Dez, 17:27

achte auch immer darauf was ich kaufe, bzw. bei lebensmittel auf die inhaltsstoffe. vor betrügereien ist man natürlich nie sicher.
ganz traurig ist natürlich wenn man einem kind etwas schenkt, das durch kinderarbeit erzeugt wurde.
hoffe der junge freut sich über das puzzle.
ich hätte ihm wahrscheinlich die matte gekauft, doch du hast richtig entschieden.
weihnachtsgrüße
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