an der tagblattstrasse

31
Mrz
2009

Der Speck der Poesie

Einige von Euch mögen sich gewundert haben, wo ich in den letzten Tagen abgeblieben bin. Ja, Eure Wahrnehmung stimmt. Ich bin auf meinem eigenen Blog viel weniger anwesend als früher. Das ist nicht meine Art. Ich liebe meinen Blog. Ich bin besessen von ihm. Aber dieser Tage fehlt mir das, was ich den Speck der Poesie nenne.

Jenes bisschen extra Sattheit im Hirn, das Kraft für Gedankenflüge gibt. Jenes nicht von Arbeit überwucherte Fleckchen Geist, aus dem Blogeinträge wachsen.

Nicht, dass mir die Arbeit im Büro stinkt. Sie macht sogar Spass. Aber sie frisst an mir. Ihr könnt Euch vorstellen, wie es um meinen Krimi steht, wenn ich schon keine Zeit mehr zum Bloggen habe!

14
Mrz
2009

Krise als Lifestyle - widerlich

Damit wir uns richtig verstehen: Ich finde das Magazin des Tages-Anzeigers noch immer etwas vom Besten, was man hierzulande am Wochenende zu lesen bekommt. Aber wie das "Magi" die "Krise" zum Lifestyle macht, macht mich wirklich tobsüchtig.

Zum Beispiel der erste Satz im aktuellen Editorial (No.11/S. 3): "Allen Ballast von sich werfen, sich befreien von allem Unnötigen und sich auf das Wesentliche zurückbesinnen, das raten uns die Psychologen und Philosophen in Hinblick auf die Rezession, die unser Leben noch eine ganze Weile beeinflussen wird."

Mit Verlaub: Hauptbetroffene dieser Krise werden wieder einmal zwei Gruppen sein:

1) Die jungen Leute: Sie werden einen schwierigen Einstieg ins Berufsleben haben (Wie das sich anfühlt, davon erzähle ich gerne mehr. Ich habe die Krise der 90er-Jahre als Jungakademikerin mit einem auf dem Arbeitsmarkt so gut wie wertlosen Phil-1-Abschluss erlebt).
2) Leute so ab 50: Wenn sie arbeitslos werden, laufen sie grosse Gefahr, überhaupt keinen Job mehr zu finden.

Betroffene beider Gruppen werden vor allem damit beschäftigt sein, sich ihre Selbstachtung und ihre Hoffnung auf die Zukunft zu wahren. Beides betrachte ich nicht als "Wesentliches", das ein Individuum für sich selber aufbringen muss. Die Basis für Selbstachtung und Hoffnung auf die Zukunft sollte eine Gesellschaft eigentlich allen Individuen bieten können.

Aber vielleicht betrachten die "Magi"-Macher die wirklich Betroffenen ja gar nicht als ihre Leser. Vielleicht richtet sich das Editorial ja vor allem an die Züriberg-Millionäre, die im letzten Jahr mal schnell 24 von 75 Milliönchen verloren haben. Dass die sich vielleicht jetzt gerade keinen überflüssigen Luxus mehr leisten können ... ja, das bedarf schon einer tröstlichen Kommentierung! Da muss man den Verzicht zum Trend machen, um das Leiden zu lindern!

6
Mrz
2009

Rattenscharfer Humor

Mein Lieblingsautor zgraggenschagg überbietet sich wieder einmal selber!

24
Feb
2009

Brief aus der Schweiz

Lieber Trox

Ich soll nicht zu früh um die Banken weinen, schreibst Du. Mache ich auch nicht, denn dazu sähe ich nun wirklich keine Veranlassung. Aber ich mache mir Sorgen um die Schweiz.

Ich habe ja lange hin- und herüberlegt, ob ich das hier überhaupt schreiben soll. Erst war ich sprachlos vor Bestürzung. Dann erinnerte ich mich an einen früheren Entscheid: Dieser Blog ist meine Spielwiese. Hier schreibe ich nicht über Politik. Schon gar nicht über Banken, das Bankgeheimnis, die UBS. Dann schwieg ich vor Scham. Wer wird jemanden aus der Schweiz noch ernst nehmen? Profiteure alle. Und dazu noch erpressbar.

Doch ich habe entschieden: Scham ist ein schlechter Ratgeber. Und dann werfen die Ereignisse der letzten Tage ihre Schatten gross und düster noch über die hinterste Spielwiese. Da scheint es mir naiv, so zu tun, als wären sie nicht da.

In den letzten Tagen habe ich mich ein paarmal gefühlt, als flöge mir die Schweiz in Trümmern um die Ohren. Recht, Ordnung, Vertrauen, alles mit Füssen getreten, kaputt*.

Jetzt weiss ich nicht, über wen ich am wütendsten sein soll:

Auf die Gangster bei der UBS: Weil sie mit ihren kriminellen Machenschaften in den USA dafür gesorgt haben, dass jeder in diesem Land so aussieht, als wäre er ein fröhlicher Nutzniesser von ertrogenen Steuergeldern.
Auf unsere Regierung. Weil sie es verpennt hat, das Debakel zu verhindern. Obwohl sie es gekonnt hätte.
Auf das Parlament: Weil es ebenfalls in der Lage gewesen wäre, uns diese Ungeheuerlichkeit zu ersparen.
Auf die Amerikaner: Weil sie uns allen gezeigt haben, dass wir in einem kleinen Land leben und uns von jeder Grossmacht in den Arsch treten lassen dürfen.

Ich meine: Ich selber war nie besonders glücklich mit dem Bankgeheimnis. Vor vielen Jahren habe ich an der Urne sogar einmal für seine Abschaffung gestimmt. Heute sehe ich, dass es auch Argumente für seine Beibehaltung gibt. Aber jetzt ist es genug. Jetzt will ich von allen Verantwortlichen, dass sie alles dran setzen, in unserem Staat wieder für Ordnung und Würde zu sorgen. Und für einen ehrbaren Umgang mit Geldern jeglicher Herkunft. Dafür würde ich sogar selber einen Beitrag leisten! Meine Spielwiese werde ich deswegen ja nicht aufgeben müssen.


*Für alle Nichtschweizer hier eine kurze Chronologie der Ereignisse:

Mittwoch, 18. Februar, abends: Unsere Regierung beschliesst, den USA Unterlagen über 300 amerikanische Kunden der Schweizer Bank UBS zu liefern. Sie tut es auf Druck der Amerikaner. Die hätten der Schweizer Grösstbank die Lizenz in den USA entzogen, wenn die Daten nicht subito gekommen wären. Das hätte unsere Volkswirtschaft ruiniert. Unsere Regierung will also das Beste für uns tun, verstösst dabei aber gegen unsere eigenen Gesetze: Wir haben hierzulande ein Bankgeheimnis. Ob wir es mögen oder nicht.

Freitag, 20. Februar, gegen Abend: Das Bundesverwaltungsgericht schreitet ein. Die Auslieferung der Daten sei gesetzwidrig, teilt es mit und verbietet sie.

Später am selben Abend wird klar: Das Gericht steht mit abgesägten Hosen da. Die Kundendaten sind bereits in den USA.

Seither herrscht Heulen und Zähneknirschen und die Medien suchen nach den Schuldigen für den Skandal, die Staatskrise. Aber niemand weiss, wie es weitergehen soll.

22
Feb
2009

Die Schweiz zittert

Neulich habe ich hier nahe gelegt, am besten erfahre man in englischen Zeitungen, ob die Schweiz bald untergeht. Heute habe ich festgestellt: Man muss gar nicht bis zu den Briten gehen. Die Deutsche Financial Times sagt es uns sogar in einer unserer Sprachen.

20
Feb
2009

Vier krisenfeste Engländer

Man kann es in letzter Zeit fast jeden Tag in einer deutschsprachigen Zeitung lesen: Grossbritannien ist dem Staatsbankrott gefährlich nahe. Ich habe schon so viel darüber gelesen, dass ich mir die Läden von Londons stolzer Oxford Street zur Hälfte zugebrettert vorstelle. Die neue Wohlfühl-Meile am Südufer der Themse ist vor dem frogg'schen geistigen Auge menschenleer und von Vandalen zerstört. Ich sehe sie vor mir, die Briten, wie sie in ihren Reihenhäuschen sitzen, zitternd vor Kälte, weil sie sie nicht mehr zu heizen vermögen.

Umso überraschter war ich, als ich neulich in einem Café in Luzern vier purlimunteren Engländern begegnete. Jeder hatte ein prächtiges Tortenstück vor sich. "Ach wissen Sie", sagte einer, "Wir haben das Glück, Rentner zu sein. Ausserdem haben wir beim Staat gearbeitet. Unsere Pensionen sind sicher. Naja, einigermassen", grinst er, als er meine skeptische Miene sieht.

Ich versuche die Realität und die Bilder aus meiner offenbar allzu lebhaften Phantasie wieder in Einklang zu bringen. Das gelingt mir erst, als mir ein uraltes Lehrstück aus meinem eigenen Geschichtenschatz einfällt. Es stammt aus dem Jahr 1986, als ich in England in einem Kinderheim arbeitete. So gegen Anfang Mai wurde uns dort allmählich klar, dass eben die Katastrophe von Tschernobyl stattgefunden hatte. Was das bedeutete, war uns weniger klar - zumal unser Blatt, die "Times", geradezu vorbildlich die Mengenangaben Becquerel und Mikrogramm vermischte: Genau so, dass ein durchschnittlich gebildeter Mensch unmöglich verstehen konnte, was da im trüben Frühlingshimmel über uns vor sich ging*.

Aber dann war da plötzlich etwas, was ich sehr genau verstand: Ich sass im Zug von Tunbridge Wells nach London Charing Cross. Im Abteil nebenan las einer Zeitung. Auf der letzten Seite stand gross der Titel "Radioactive Cloud Over Switzerland". Ich sass da und hätte ihm am liebsten die Zeitung aus der Hand gerissen. Später stieg er aus und liess sie liegen. Ich packte sie - und fand im Bericht nur das übliche Becquerel- und Mikrogramm-Kauderwelsch.

In Charing Cross stürmte ich aus dem Zug und zur erstbesten Telefonkabine. Wenig später hörte ich die purlimuntere Stimme meiner Mutter in der Schweiz. "Radioaktive Wolke? Welche radioaktive Wolke denn?!" fragte sie, "Bei uns steht in der Zeitung, IHR hättet eine radioaktive Wolke!"

Ja, so war das.

Und nachdem mir das wieder eingefallen ist, weiss ich nur eins noch nicht ganz sicher: Ob ich wissen möchte, was die Britischen Zeitungen im Moment über die Schweiz schreiben.

* So viel zum Thema "früher waren die Zeitungen einfach viel besser!". Aber das ist eine andere Geschichte.

12
Jan
2009

Selbstmitleid

Was macht Ihr eigentlich, wenn Ihr einen jener Tage habt, an denen Euch das Selbstmitleid zu überwältigen droht?

6
Jan
2009

Somalia: Ich bin empört

Somalische Piraten überfallen schweizerische Handelsschiffe. Wenn das kein gefundenes Fressen für uns Medienschaffende ist! Ich meine: Piraten! Grusel! Und seit Johnny Depp sind Piraten sowieso schwer im Trend!

Und dann bedrohen diese somalischen Kerle auch noch unsere Neutralität! Die stellen uns vor eine gewissermassen existenzielles Frage: Sollen wir Schweizer Soldaten an den Golf von Aden, also definitiv ins Ausland, schicken? Sollen Soldaten unsere Schiffe im Ausland schützen? Uiuiuiui! Bei so einem Thema können Linke und Rechte einander wieder monatelang und unter viel medialer Aufmerksamkeit in die Waden beissen!

Eins empört mich aber an dieser Diskussion: Dass niemand darüber nachdenkt, ob und wie man das Problem bei der Wurzel packen könnte.

Ich meine: Ursprünglich waren diese Piraten doch Fischer, die aus schierer Not fremde Schiffe überfielen und plünderten. Fischkutter aus dem Westen hatten nämlich ihre Fischgründe leergeplündert. Und Banker konnten diese Fischer ohne Fische nicht werden, denn in Somalia gibt es keine Banken und keine Banker. Nur eine Mafia. Die entdeckte dann die Piraterie und machte ein lukratives Geschäft daraus.

Sicher haben wir alle auch Fisch aus Somalia gegessen (also, ich ja vielleicht eher weniger, aber trotzdem!) Deshalb stört es mich, mit welcher Gleichmut all das zur Kenntnis genommen wird. Dass niemand wenigstens heuchelt, man könnte doch etwas Humanitäres gegen die Piraterie tun. Oder darauf aufmerksam macht, dass es die Piraterie fördert, wenn man Fischgründe leerplündert.

20
Dez
2008

Lächeln

Nichts passt so gut zum heutigen Tag wie dieser Postkartengruss:

laecheln
(Quelle: http://www.kulturrecycling.de/)

Seid also gegrüsst! Fakten und Argumente gibts ein andermal wieder.

5
Nov
2008

Achtung, Köpfe runter!

Aha. Es ist soweit. Die Neue Zürcher Zeitung baut Stellen ab. Sie reagiert damit als erstes Medenunternehmen auf die Krise. Andere werden folgen, da bin ich sicher.

Im Westen nichts Neues also. Die Medienbranche verhält sich diesmal genau gleich wie die letzten drei oder vier Male in den letzten 10 oder 15 Jahren: Und wir Angestellten halten die Köpfe runter, malochen und sind froh, dass wir einen Job haben.

Irgendwie hatte die Frogg sich das anders vorgestellt, als sie im Januar ins Schneetreiben starrte und wusste, dass die Krise kommen würde. Irgendwie hatte sie mit einem plötzlichen Bruch gerechnet. Mit einem sinkenden Gefühl in der Magengrube. Mit einer grossen Leere und dann damit, dass für einmal alles anders sein würde. Für alle. Hart, aber aufregend. Dass sich plötzlich neue Perspektiven auftäten. Dass sie plötzlich auf eine ganz neue Art gebraucht würde.

Aber das war wohl bloss der Optimismus, die vor dem quälenden déja-vu schützt.

Es wird alles wie gehabt.

Und das Traurigste daran ist: Vielleicht ist es sogar besser so.
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ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
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