in den kinos

14
Apr
2012

Sentimentaler Männerfilm

Ich sass im Kino, sah "Intouchables" und rund um mich lachten die Leute. Ihr wisst schon: Intouchables ist dieser Kinoknüller aus Frankreich, in dem ein steinreicher Tetraplegiker einen jungen Kerl aus der Banlieue zum Betreuer nimmt.



Ich lachte nicht. Ich hatte keine Zeit, den Film komisch zu finden. Denn ich verstand ihn nicht. Warum, rätselte ich, warum wählt ein so stark behinderter Mensch einen Rüpel mit dem Einfühlungsvermögen eines Presslufthammers zum Pfleger?

Ich selber bin ja ab und zu merklich hörbehindert. Dann bin ich gerne von Leuten umgeben, die schnell wenigstens ansatzweise erfassen, was das bedeutet. Zum Beispiel für die Kommunikation. Aber Tetraplegiker Philippe hat offensichtlich andere Bedürfnisse. Er ist eben ein Mann, dachte ich. "Verstehe eine die Männer!" dachte ich. Und dann fiel bei mir der Groschen: Das ist es! Philippe will einen richtigen Mann zum Pfleger! Diese handgestrickten Softie-Memmen, die sich sonst noch für die Stelle beworben haben, machen ihn depressiv. Und so wählt er den Obermacker Driss - einen, der schnelle Autos liebt und das Parkverbot vor dem Haus seines Herrn mit den Fäusten durchsetzt. Und der weiss, was Frauen wollen.

Nun ist Driss zwar sehr maskulin. Aber als Ex-Knacki und ohne Geld ist er eben auch kein wirklich ganzer Kerl. Im Dienste seines neuen Herrn ändert sich das allmählich: Er bekommt zuerst eine luxuriöse Unterkunft und dann eine Einführung in die Welt der Privilegierten - mitsamt Kunstunterricht.

So ist "Intouchables" ein wahrscheinlich witziger und - das ist mir nicht entgangen - leicht sentimentaler Film: ein Film über zwei Männer, die einander helfen, ihre Männlichkeit wiederzuerlangen. Eine These, die hier viel besser als bei mir ausgeführt wird.

Das ist ganz okay. Damit habe ich überhaupt kein Problem.

Mehr Probleme habe ich damit, dass ich im Grunde so wenig über Philippe und seine Behinderung erfahre. Dieser Philippe ist ja so schicksalsergeben, so massvoll traurig und von Driss so leicht zu erheitern. Und überhaupt hätte ich gern gewusst, wie Philippe das Kapital für seinen fürstlichen Lebensstil zusammenbringt. Da lobe ich mir Al Pacino in Scent of a Woman. Auch das ist ein leicht sentimentaler Film über einen Mann mit Behinderung und seinen Begleiter. Auch ein Film über Männer. Aber Pacino ist wenigstens masslos verbittert. Und, glaubt mir: Er weiss, was Frauen wollen!

14
Mrz
2012

Von den Lippen gelesen

Neulich sah ich mir im Kino doch noch "The Artist" an. Nicht etwa, weil der Film so viele Oscars gewonnen hat. Sondern weil mein Instinkt mir sagte, dass ein Stummfilm ein geradezu ideales Werk für eine Neo-Schwerhörige wie mich sei.

Ich täuschte mich nicht. Im Gegenteil. Ich verliess das Kino sogar voller Stolz - weil es mir blutiger Anfängerin gelungen war, den Stummfilmhelden ein paar Takte von den Lippen zu lesen. Das ist zwar nicht besonders schwierig. Denn wenn Stummfilmhelden sprechen, dann artikulieren sie so überdeutlich, dass man schon sehr kurzsichtig sein muss, um es nicht zu können. Ich war aber noch besser: Mich beschlich beim Lippenlesen schon in den ersten Szenen der Verdacht, dass der Filmheld George Valentin (Jean Dujardin) einen ziemlich dicken französischen Akzent haben muss - was sich am Schluss als korrekt herausstellte.

Überhaupt, der Filmheld:



Er ist nicht nur ein ansehnlicher Kerl. Er legt auch eine der eindringlichsten Szenen über die Macht des Gehörs hin, die ich je gesehen habe - einfach mit umgekehrten Vorzeichen. Als Stummfilmstar interessiert ihn ja Sound herzlich wenig - bis plötzlich der Tonfilm aufkommt und seiner Karriere ein Ende zu setzen droht. Eines Tages sitzt er in seiner Garderobe und stellt ein Whiskyglas auf den Schminktisch. Und man hört - mitten im Stummfilm - den Ton, den es dabei von sich gibt. Auch Valentin hört ihn. Wird aufmerksam, macht weitere Geräusche und horcht. Auf seinem Gesicht breitet sich ein Ausdruck grösster existenzieller Sorge aus. Freunde, genau diesen Ausdruck habe ich im Gesicht, wenn ich Dinge jeweils plötzlich nicht mehr höre.

Valentin tritt dann vor die Tür und sieht drei junge Frauen vorbeigehen. Und hört sie schallend lachen. Und steht daneben wie ein begossener Pudel. Eine bessere Darstellung der Isolation, in die einen Schwerhörigkeit treiben kann, habe ich noch nie gesehen.

21
Jan
2012

Filmtipp

Gestern liess ich mich von acqua aus meiner selbstgewählten Einsamkeit locken. Eigentlich wollten wir zusammen den neuesten Kino-Knüller aus Frankreich sehen: Intouchables (ziemlich beste Freunde). Doch der war ausverkauft. Kein Wunder: Er hat hierzulande einen richtigen Medien-Hype ausgelöst.

Also wichen wir auf einen Streifen aus, der im kleinsten Saal unseres Stammkinos lief: le gamin au vélo (zu Deutsch: "Der Junge mit dem Fahrrad").



"Oje, französischer Problemfilm!" dachte frau frogg. Aber der Streifen erwies sich als Bijou. Er lebt von der unglaublichen Tour de Force seines Hauptdarstellers, des elfjährigen Thomas Doret alias Cyril. Cyril sucht seinen Vater - mit seiner ganzen, enormen Sturheit und jeder Menge gerissenen Tricks. Er büxt aus dem Heim aus, in dem er lebt. Er übertölpelt Lehrer, Erzieher, einen Abwart. Er rennt und rennt und rennt und fährt Velo - im Gesicht die heilige, herzerweichende Verbohrtheit eines Kindes."Pitbull" nennen ihn die bösen Buben im Quartier. Der Name passt.

Das Treffen mit dem Vater wird - nicht ganz unerwartet - zur Katastrophe. Nun bleibt dem Bub nur noch die Coiffeurin Samantha. Diese kümmert sich an Wochenenden um ihn. Gern hätte frau frogg erfahren, warum die junge Frau sich des schwierigen Knaben annimmt. Aber Erklärungen dazu bleibt uns der Film schuldig. Leider.

Finden die beiden zusammen einen Weg? Oder gerät der Bub gar auf die schiefe Bahn? Das verrate ich nicht. Geht und schaut Euch das Werk an! Es ist ein Film über die Kraft, die wir alle aufwenden, um unseren Platz im Leben zu finden. Und darüber, dass manchmal auch unglaublich viel Kraft nichts nützt. Und doch ist es ein lebensbejahender Film. Mit einem dramaturgisch punktgenau gelungenen Schluss.

Filmstart in Deutschland: 9. Februar; in Österreich: 10. Februar

28
Sep
2011

Irritation über Jane Eyre

Jane Eyre ist eine Figur, die mich immer befremdet hat. Eine Irritation, die die neueste Verfilmung sogar noch verstärkt. Der Streifen läuft zurzeit in den Schweizer Kinos.



Ich muss vorausschicken: Ich lasse mit gern erklären, was dieser Film einem jungen, weiblichen Publikum bieten soll. Er funktioniert weder als Romanze, noch als Gruselstory. Dafür macht er die unerbittliche Härte von Jane's Schicksal umso sichtbarer: Das Mädchen hat eine grauenhafte Kindheit. Dazu ist es keine Schönheit, trägt stets Grau und kommt kaum je aus schummrig beleuchteten Gemäuern heraus. Diese Jane Eyre hat etwa so viel erotische Ausstrahlung wie eine staubige Stadttaube. Das einzige, was Rochester an ihr attraktiv finden kann, ist ihre Sturheit; ihren Unwillen, ihm zu schmeicheln; ihre unerbittliche Tugendhaftigkeit.

Und ich setze wieder die Fragezeichen, die ich schon bei der Lektüre des Buches vor 25 Jahren setzte: Woher hat Jane ihre Sturheit? Nichts und niemand erlaubt diesem geschundenen Kind, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie wird so oft gedemütigt, dass sie bei jedem lauten Wort einer Autoritätsperson erzittern müsste. Und dennoch trotzt sie ihrer Pflegemutter und ihren bigotten Erzieherinnen. Und flieht bei lebensgefährlichem Wetter vor Rochester, als klar ist, dass er sie nicht zu einer anständigen Frau machen kann. Wie kommt es, dass sie nicht gelernt hat, wo ihr Platz ist: bei jenen, die ihrem Blick sittsam niederschlagen, wenn der Chef spricht?

Die Frage beschäftigte mich so sehr, dass ich meine feministischen Standardwerke der Literaturkritik aus den Achtzigern aus den hintersten Winkeln meines Büchergestells klaubte. Sie gaben mir keine Antwort. Aber ich habe mich zu fragen begonnen, ob meine Irritation ein Quäntchen Eifersucht enthält.

6
Jul
2010

Für Fussballmuffel

Der Zwang zur Fussballbegeisterung nimmt hierzulande allmählich totalitäre Züge an. Wer sich nicht wenigstens ein bisschen für Fussball interessiert, gilt als nicht ganz normal.

Frau Frogg interessiert sich schon ein bisschen für Fussball. Aber sie war ausgerechnet während der Gruppenspiele zwei Wochen lang mit einem ausgesprochen normalen Menschen in eine Einzimmer-Ferienwohnung gesperrt. Herr T. musste Fussball gucken, so oft die Umstände es erlaubten.

Die Umstände erlaubten es oft. Das Wetter war so miserabel, dass mir nicht einmal die Fluchtmöglichkeit auf den Balkon blieb. Schon beim zweiten Gruppenspiel begann das stets mindestens 88 Minuten und 30 Sekunden lang ergebnislose Herumgerenne auf dem Bildschirm mich zu langweilen. Und gefühlte 55-Mal am Tag düdelte der offizielle WM-Jingle des Schweizer Fernsehens über den Bildschirm - gefühlte 74 Mal der offizielle Werbespot der Hauptsponsoren mit dem schwarz gekleideten Dribbler, ihr wisst schon. Dazu das nicht enden wollende Gschnorr der Herren Salzgeber, Hüppi, Suter, Gress etc. Ich erlitt einen unheilbaren Fussball-WM-Overkill.

Wegsehen konnte ich. Weghören nur bedingt. Zuerst nahm ich Ohropax zu Hilfe, um wenigstens das Gefiepe der Vuvuzelas zu dämpfen. Unter solch schwierigen Umständen las ich zwar nicht gerade Dostojewskij. Aber es reichte für diesen Roman:

Er ist so spannend, dass man ihn auch bei gedämpftem Fussball-Lärm lesen kann - und ganz schön erotisch. Er hat einen vage philosphischen Ansatz und einen äusserst perfiden Schluss.

Später lernte ich: Jahre im Grossraumbüro und noch mehr Jahre mit einem Tinnitus hatten mich bestens darauf vorbereitet, einen Meter neben einem Vuvuzelas übertragenden Fernseher auch ohne Ohropax zu lesen. So las ich den Roman zur Fussball-WM:



Das hatte den Vorteil, dass ich das Wichtigste trotzdem hörte und in der Zeitlupe dann sofort auch sah: "unseren" Sieg über die Spanier. Weltklasse-Goalie Diego Benaglio in Höchstform. Diego Maradona als Trainer-Primadonna. Den schlimmsten Schiedsrichter der Fussball-Geschichte (in jenem zweiten Schweizer Match gegen wen jetzt schon wieder?). Dass die Schweizer nach Hause gingen. Dass die Franzosen nach Hause gingen. Dass die Italiener nach Hause gingen. Dass die Afrikaner nach Hauser gingen. Dass Maradona nach Hause geht. Dass die Spanier jetzt doch brandgefährlich sind. Und die Deutschen auch. Muss man mehr wissen?

Mittlerweile sind auch Herr T. und ich wieder zu Hause. Jetzt habe ich nicht nur einen Tipp für Fussball-Muffel. Sondern auch für all jene, die nach einem Tag in der Badi in einem grossen, kühlen, unglaublich leeren Raum intelligent unterhalten werden wollen. Geht ins Kino und seht Euch diesen Film an:



Es ist ein Kostümschinken - und ein wunderbar romantischer Kostümschinken noch dazu. Aber auch ein cleverer Streifen und gar nicht so unmodern. Er dreht sich um eine Frau, die lernt, im Haifischteich der Macht zu schwimmen, im richtigen Moment zu beissen und die richtigen Kumpels zu finden. Das einzige, was sie leider nicht hat, ist eine Waffe gegen Fussball-Overkill.

13
Mai
2010

Wunder am Strassenrand

Neulich war ich an einem öffentlichen Interview mit Dani Levy (hier der Anlass, ein gut eingefädeltes Projekt übrigens). Der Filmemacher hat sich von 25 Jahren Erfolg nicht zu einem aalglatten Kommunikations-Profi zurechtschniegeln lassen. Er ist mal erfrischend, mal geschwätzig, beim Antworten nicht immer auf der Höhe der Frage, aber das macht nichts. Man mag ihn trotzdem. Und er hat mich an eine seltsame Geschichte erinnert.

Es muss Anfang 1987 gewesen sein, und Levys Erstling "Du mich auch" lief im Kino. Ein schräger, anarchischer Schwarzweissfilm über ein verrücktes Paar.



Der Film für Konrad und mich. Wir waren frisch verliebt, gerade dabei, einander richtig kennen zu lernen. Jeder Tag brachte neue Wunder. Der Film lief in einem kleinen Kino in einem abends ausgestorbenen Stadtrandquartier. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer Konditorei vorbei. Sie war geschlossen, es war dunkel. Aber neben dem Laden gab es einen Kasten mit kleinen Glasfenstern. Wer eine Münze in den Kasten warf, konnte eines der Fenster öffnen und einen Artikel herausnehmen. Aber der Automat war leer, bis auf ein einziges Kästchen. Darin stand, hell erleuchtet, ein einziges Diplomat.



Das Ganze sah wunderbar aus, noch viel schönes als das auf dem Bild. Fast sublim, eine kleine Lourdes-Grotte der Vanille-Göttin in einer kalten Vorfrühlingsnacht.

Sollten wir es mit einer Münze aus seinem Kasten holen? Nein, das kam gar nicht in Frage. Es schien unmöglich, so einen zauberhaften Anblick zunichte zu machen.

Wir gingen ins Kino. Wir liebten "Du mich auch". Als wir herauskamen, waren wir glückstrunken.

Noch einmal gingen wir zur Konditorei mit dem Diplomat-Wunder. Wir wollten es nochmals sehen. Aber es war nicht mehr da. Jemand hatte die Scheibe zerschlagen und den Becher durch das Loch herausgeholt. Es hatte eine Riesensauerei gegeben. Das Fenster war innen von Vanillecreme ganz verschmiert.

Wir wussten erst nicht. Sollten wir kreischen vor Lachen oder betreten schweigen.

Dann schlichen wir still von dannen.

13
Dez
2009

Tannöd: Film oder Buch?

Normalerweise ist es ja umgekehrt: Normalerweise ziehe ich einen guten Roman allemal seiner Verfilmung vor. Weil: Der Film verknappt, lässt aus, modelt um. Nicht selten genau dort, wo ich es völlig verfehlt finde. Und: Er liefert mir Bilder, die ich vor meinem geistigen Auge schon längst schöner und stimmiger gesehen habe.

Aber bei "Tannöd" ziehe ich den Film vor.



Denn er bringt zwei Vorzüge voll zum Tragen, die das Medium Film gegenüber dem geschriebenen Wort hat:

1) Die suggestive Kraft des gesprochenen Wortes. Schon das von einem Mordopfer gesprochene Gebet zur Einleitung bringt kraftvoll auf den Punkt, worum es in dieser Geschichte geht: Um eine Gemeinschaft, die schon einen im Grunde erbarmungslosen Gott hat. Wie sollten da die Menschen Erbarmen miteinander haben? Gut, auch das Buch hat auch ein Gebet zur Einleitung. Aber es ist nun mal so: Als katholisch erzogener Mensch erinnere ich mich beim Lesen von Gebeten fast sofort an Dutzende langweilige Gottesdienste und blättere weiter. Ich lese dann die Geschichte einer verschlossenen Dorfgemeinschaft auf dem Lande, die ein düsteres Geheimnis hat. Und wie oft habe ich schon eine solche Geschichte gelesen? Eben: zu oft.

2) Die suggestive Kraft der Bilder. Ich sage nur: diese finstere Waldfront. Dieser Blick auf den Tannöd-Hof bei miesem Wetter! Dieser Bursche, der schreiend durchs Dorf rennt! Gruseln pur!

Ausserdem modelt der Film um: Er schafft eine Erzählfigur, die ein echtes Motiv hat, dem Mord an den Danners auf den Grund zu gehen. Das fehlt im Roman, weshalb der Film viel eindringlicher ist. So eindringlich, dass mir eins erst viel später aufgefallen ist: Das Motiv des Mörders ist im Film viel schwächer als im Buch.

1
Nov
2008

"Burn after Reading": Verriss

Gestern blödelten Acqua und ich ja noch: Sollte dieser Film nicht "Burn before Reading" heissen? Denn was ist daran so lustig, dass man etwas NACH dem Lesen verbrennen soll? Nichts, oder? Eben. Heute neige ich sogar zur Ansicht: Der Film ist sowieso nicht lustig, und würde wohl am besten "Don't Even Look at It" heissen.

Ich meine: Dass die Amerikaner keinen Schimmer haben, was sie tun; dass sie aber alles zu einem Riesending aufblasen; und dass sie dann total verdutzt sind, wenn ihr Werk als Katastrophe über ihnen zusammenbricht - diese Botschaft haben wir doch in den letzten Wochen, weiss Gott, oft genug gehört. Die muss man uns jetzt nicht gleich auch noch als angeblich schwarze Komödie aufs Auge drücken. Nun gut, man könnte es den Coen Brothers als visionär auslegen, dass sie sich an einer Satire über die Finanzkrise versuchten, als es sie noch gar nicht gab. Aber das ändert nichts dran: Der Film ist einfach nicht lustig.

Die Schauspieler jedenfalls nerven häufig nur, am meisten George Clooney als total neurotischer Schürzenjäger mit Pistole im Achselholster. Er hampelt ja gern, und in den meisten Filmen nimmt man ihm das auch gar nicht übel. Er sieht ja so gut aus! Aber wenn man vor lauter Hampeln nicht mehr sieht, dass er gut aussieht, ja, dann, gute Nacht!

Brad Pitt als spät pubertierender Fitness-Center-Angestellter macht zunächst ja noch neugierig. Er gibt den Jungen Erwachsenen so kindisch, dass man ihm fast nicht abnimmt, dass er im realen Leben gerade wieder mal Vater geworden ist. Aber der Junge, den er spielt, ist einfach doof, bleibt doof und nochmal doof. Weiter nichts. Mit der Zeit wird das langweilig, ja, peinlich.


(Quelle: www.iwatchstuff.com)

Tilda Swinton würde eigentlich als stets genervte Ehefrau und mit der Zeit auch stets genervte Geliebte von dieser George Clooney-Figur überzeugen. Sie erinnert mich dazu noch penetrant an eine Bekannte, eine stets klassisch gekleidete, stets hypernervöse, stets latent säuerliche Bankerin und Mutter von zwei Töchtern. Sehr lebensnah. Nur hat sich die Frogg gefragt: Was hat diese Figur in einer Komödie verloren?

Überhaupt habe ich in diesem Film nur ein einziges Mal gelacht (correct me if I'm wrong, Acqua): An jener Stelle gegen Schluss, als John Malkovich sturzbetrunken, im Morgenmantel und in einer Mordswut aus seinem Böötli steigt: eine Karikatur von einem Amokläufer. Das sind die Coen-Brothers wie wir sie lieben!

Leider hat man von ihnen in diesem Film zu wenig von ihnen gesehen.

4
Okt
2008

Baader Meinhof

Ich war noch ein Kind, als die RAF wütete. Meine Grosseltern reichten uns jeweils den "Stern" und die "Bunte" weiter, und deshalb erinnere ich mich an die Serien von Fahndungsbildern auf den Frontseiten von anno dazumal. Als Hanns Martin Schleyer entführt wurde, war ich 12. Ich erinnere mich, dass darüber am Radio und im Fernsehen ständig berichtet wurde. Acqua, mit der ich gestern Abend den Baader-Meinhof-Komplex im Kino gesehen habe, ist ein paar Jahre jünger als ich. "Ich habe richtig Angst vor den Terroristen gehabt", sagte sie. Merwürdigerweise hatte ich keine Angst. Für mich war der Terrorismus etwas, was weit weg stattfand. In Deutschland. Eine Magazin-Story in Schwarz, Grau und Rot.



Ich erinnere ich mich aber, dass damals auch auf Schweizer Bahnhöfen Fahndungsbilder der RAF-Terroristen hingen. Ich weiss noch, dass klein Moni Frogg die Fotos nachdenklich anschaute und sich fragte, ob sie diese Menschen wiedererkennen würde, wenn sie sie irgendwo sähe.

Später, als Studentin, verstand ich mich als Linke. Ich demonstrierte ab und an. Für das Jugendzentrum Zaffaraya in Bern. Für die Reitschule und andere alternative Jugendzentren.

Später fand ich demonstrieren pubertär und jene, die es taten, im Vergleich zu uns damals ein bisschen, naja, epigonal.

Der Film von gestern hat mich richtig verstört. Ein wenig, weil mir plötzlich so viel klarer wurde, dass ja schon unsere Demos damals in der Tradition der 68-er standen. Dass also auch wir schon Epigonen waren. Ein bisschen mehr deshalb, weil es offenbar in den 60-er Jahren noch Menschen gab, die tiefen Anteil nahmen an dem, was anderen Menschen auf der anderen Seite der Erdkugel passierte. Sie setzten sich für die Vietnamesen ein. Den meisten von uns aber geht es am Arsch vorbei, wenn im Irak, im Gaza-Streifen, im Sudan und weiss der Teufel wo sonst noch Menschen in Kriegen ihr Leben lassen. In Kriegen noch dazu, bei denen der Westen mehr als ein Wörtchen mitredet.

Am meisten aber hat er mich verstört, weil ich mich voller Entsetzen fragte, wie aus so viel Idealismus eine solche Katastrophe werden kann. Leider trägt der Film wenig zur Beantwortung dieser Frage bei. Er will zu viel erzählen. Er donnert mit seinem Tempo Emotionen zu. So schnell, dass ich immer noch nicht nachvollziehen kann, warum die kluge Ulrike Meinhof Wortführerin einer Terroristentruppe wird.

Aber vielleicht ist das ja zu viel verlangt. Vielleicht genügt der Film als das, was er ist: ein eindrückliches Plädoyer gegen die Gewalt.

28
Apr
2008

Rock-Dinosaurier

Die Frogg hat, weiss Gott, nichts gegen Rockmusik. Aber den Besuch eines Live-Konzerts der Rolling Stones hat sie ein Leben lang verweigert: zu mühselig, zu teuer. Und von ihren alten Stones-Platten hat die Erfindung der CD sie in den achtziger Jahren entfremdet. Doch dank Shine A Light hat sie wenigstens eine Ahnung bekommen, wie diese Dinosaurier unter den Rockbands auf der Bühne sind. Das ist das grosse Verdienst des Konzertfilms von Martin Scorsese. Endlich bekam sie doch noch zu sehen, wie Mick Jagger herumhampelt.


(Hier mit Christine Aguilera, Bild: starpulse)

Wie Keith Richards seine Gitarre streichelt und so weiter... Und es wirkt: Die Show reisst mit.

Der Film hat ihr ausserdem verständlich gemacht, warum die Band eine Legende ist: Weil sie einen ständig verblüfft oder zum Staunen bringt. Darüber, wie Mick Jagger ein gut betuchtes New Yorker Publikum dazu bringt, beim Song Brown Sugar fröhlich mitzusingen - obwohl der Song doch über so unanständige Dinge wie weisse Sklaventreiber, Sex und Heroin ist (Hillary Clinton sass im Publikum). Darüber, dass die Stones mit Far Away Eyes einen süsslichen Country-Song bringen und das Genre zugleich verballhornen. Darüber, dass Mick Jagger (immerhin 65) noch keine Gelenkarthrose hat und Keith Richards (auch 65) keine Leberzyrrhose und dass Charlie Watts (67) sich selber immer noch trommeln hört... also darüber, dass das Alter sie noch nicht von der Bühne geholt hat*.

Dem Staunen darüber räumt auch Scorsese Platz ein: Zwischendurch zeigt er Ausschnitte aus alten Interviews mit Stones-Mitgliedern. Sie sind zwar nur dazu da, die Musikblocks etwas aufzulockern. Ein klares Konzept scheint jedenfalls nicht hinter der Auswahl zu stehen. Aber einige davon haben ein Thema: die Frage an die noch jungen Stones, wie lange sie überhaupt noch weitermachen wollten. Klare Antworten gibts zwar keine, nur neue Verblüfftheit.

Immerhin lässt der Streifen aber ahnen, womit die Burschen so lange durchgehalten haben: mit Spass an der Sache (er scheint echt). Und mit einer hoch professionellen Einstellung - was neue Verblüffung auslöst, passt es doch schlecht zum überbordenden Drogenkonsum, den man den Stones jahrelang nachgesagt hat.


* Eine Bekannte von mir sagt, sie würden mit einem Geriater touren... aber dennoch.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

April 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7155 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren