13
Dez
2009

Tannöd: Film oder Buch?

Normalerweise ist es ja umgekehrt: Normalerweise ziehe ich einen guten Roman allemal seiner Verfilmung vor. Weil: Der Film verknappt, lässt aus, modelt um. Nicht selten genau dort, wo ich es völlig verfehlt finde. Und: Er liefert mir Bilder, die ich vor meinem geistigen Auge schon längst schöner und stimmiger gesehen habe.

Aber bei "Tannöd" ziehe ich den Film vor.



Denn er bringt zwei Vorzüge voll zum Tragen, die das Medium Film gegenüber dem geschriebenen Wort hat:

1) Die suggestive Kraft des gesprochenen Wortes. Schon das von einem Mordopfer gesprochene Gebet zur Einleitung bringt kraftvoll auf den Punkt, worum es in dieser Geschichte geht: Um eine Gemeinschaft, die schon einen im Grunde erbarmungslosen Gott hat. Wie sollten da die Menschen Erbarmen miteinander haben? Gut, auch das Buch hat auch ein Gebet zur Einleitung. Aber es ist nun mal so: Als katholisch erzogener Mensch erinnere ich mich beim Lesen von Gebeten fast sofort an Dutzende langweilige Gottesdienste und blättere weiter. Ich lese dann die Geschichte einer verschlossenen Dorfgemeinschaft auf dem Lande, die ein düsteres Geheimnis hat. Und wie oft habe ich schon eine solche Geschichte gelesen? Eben: zu oft.

2) Die suggestive Kraft der Bilder. Ich sage nur: diese finstere Waldfront. Dieser Blick auf den Tannöd-Hof bei miesem Wetter! Dieser Bursche, der schreiend durchs Dorf rennt! Gruseln pur!

Ausserdem modelt der Film um: Er schafft eine Erzählfigur, die ein echtes Motiv hat, dem Mord an den Danners auf den Grund zu gehen. Das fehlt im Roman, weshalb der Film viel eindringlicher ist. So eindringlich, dass mir eins erst viel später aufgefallen ist: Das Motiv des Mörders ist im Film viel schwächer als im Buch.
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