21
Dez
2009

Ich rieche Hundehaare

Als ich mit miserablem Gehör im Spital war, sagte eine Krankenschwester zu mir: "Wissen Sie, wenn Sie nicht mehr so gut hören, dann müssen Sie sich einfach sagen: Jetzt müssen die anderen Sinne ran!" Dazu hatte sie diesen Ton, mit dem einem manche Menschen Optimismus und Hoffnung quasi zwangsfüttern wollen. Ich weiss, sie meinen es gut. Und doch erreichen sie bei mir damit meistens nur, dass ich spucke oder eine Schnute ziehe. Mir ist lieber, man anerkennt es, wenn meine Lage beschissen ist. Wenn das jemand tut, dann bemühe ich mich meistens, nicht mehr zu jammern.

Aber item. Das Thema "andere Sinne" hat für Leute mit schwachen Ohren dennoch etwas für sich. Auch Herr Nottquitelikebeethoven hat ihm einen Eintrag gewidmet.

Nun, was die Augen betrifft, konnte ich meiner Krankenschwester leider nicht das erhoffte getröstete Lächeln entgegenhalten. Für eine 44-Jährige sehe ich zwar ganz ordentlich. Aber ich bin leicht kurzsichtig. So leicht, dass ich meistens in matchentscheidenden Momenten die Brille nicht aufhabe.

Aber mein Geruchssinn, ja, der ist in manchen Belangen geradezu extraordinär. Gestern zum Beispiel sass ich weit vorne in einem halb vollen Bus. Irgendwann roch ich: Irgendwo in diesem Bus befindet sich ein Hund. Ein nasser Hund, wohl ein Grosser mit langen Haaren. Wääck! Frau Frogg rutschte auf ihrem Sitz herum, schnüffelte und guckte und murmelte vor sich hin: "Ich schmöcke Hundehoor! Ich schmöcke Hundehoor", wie weiland der Leibhaftige im Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren (der allerdings Menschenfleisch roch). Aber sie sah keinen Hund. Erst fast bei der Endstation sah sie eine Frau mit einem kleinen Spaniel aussteigen. Am hintersten Ende des Busses.

Da fragte sich die Frogg lebhaft: Welchen Sinn kann es für einen Menschen des 21. Jahrhunderts haben, einen so kleinen, harmlosen Hund in einem Bus zu riechen? Das ist ja eine zusätzliche Beeinträchtigung, aber sicher keine Hilfe und kein Ersatz für eine Behinderung!

Nun ja... in einem gewissen Sinne ist es das eben doch. Es verursacht bei mir das gleiche Gefühl der Genugtuung wie wenn ich an einem guten Tag von unserem vierten Stock aus die Waschmaschine im Keller hören kann. Und ausserdem: Lieber ärgere ich mich con brio über einen stinkigen Hund als gar nichts von meiner Umwelt mitzubekommen!
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Journal einer Kussbereiten

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