31
Mrz
2009

Der Speck der Poesie

Einige von Euch mögen sich gewundert haben, wo ich in den letzten Tagen abgeblieben bin. Ja, Eure Wahrnehmung stimmt. Ich bin auf meinem eigenen Blog viel weniger anwesend als früher. Das ist nicht meine Art. Ich liebe meinen Blog. Ich bin besessen von ihm. Aber dieser Tage fehlt mir das, was ich den Speck der Poesie nenne.

Jenes bisschen extra Sattheit im Hirn, das Kraft für Gedankenflüge gibt. Jenes nicht von Arbeit überwucherte Fleckchen Geist, aus dem Blogeinträge wachsen.

Nicht, dass mir die Arbeit im Büro stinkt. Sie macht sogar Spass. Aber sie frisst an mir. Ihr könnt Euch vorstellen, wie es um meinen Krimi steht, wenn ich schon keine Zeit mehr zum Bloggen habe!

28
Mrz
2009

Joggen mit Hindernissen

Mein neuer Job hält mich ganz schön auf Trab. So hatte ich gestern zwar morgens frei und mir fest vorgenommen, an meinem Krimi zu arbeiten. Aber irgendein dummes Jobproblem surrte der Frogg im Kopf herum. Sie sah sich ausser Stande, sich auf die Feinheiten ihres dramaturgisch anspruchsvollen Plots zu konzentrieren. Sie musste grübeln.

Draussen schien ausnahmsweise die Sonne.

"Joggen wäre jetzt genau das Richtige!", sagte sich die Frogg. "Das beruhigt den Geist und sorgt für Ausgleich!" Und siehe da: Ich ging joggen. Obwohl ich selber staunte über diesen ungewohnten Drang hinaus an die frische Luft. Naja, vielleicht war er nur eine seltsame Blüte der Prokrastination. Vielleicht lief ich einfach vor meinem Krimi davon.

Ich war auf das Schlimmste gefasst. Im letzten halben Jahr beschränkten sich meine Fitness-Programme auf eine halbe Stunde Gummizellen-Joggen pro Woche und ein paar Turnübungen vor dem Fernseher. Mit dem Schwindel würde ich umgehen können. Aber ich fragte mich dennoch, ob ich fit genug für die einstündige Runde um den Göttersee war.

Der Start war tatsächlich ein Desaster. Ich bin immer unsportlich gewesen, und als Joggerin war ich auch zu meinen besten Zeiten eine Lachnummer: Immer etwas schwerfällig, immer viel zu langsam. "Du läufst ja vor Ort!" pflegte Herr T. zu feixen. Aber diesmal war es wirklich schlimm: Meine eigenes Gewicht schien mich magnetisch an den Boden zu heften. Und wie das Bäuchlein schwabbelte! Wie die Speckröllchen an den Schenkeln bremsten! Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin nicht dick. Höchstens etwas üppig. Ich habe einen BMI von 23,6. Aber ich fühlte mich, als sei ich 200 Kilo schwer. Wenn das so weiter geht, werde ich bald zu gravitätischeren Sportarten übergehen müssen: Nordic Walking oder so. Schlimm.

Dennoch wollte ich gerade erfreut feststellen, dass ich das Ende des Sees wohl erreichen würde. Da stoppte ein rotweisses, über den Waldweg gespanntes Band mein Getrampel. "Holzschlag", hiess es auf einer Tafel, und im Gehölz, weit weg sah die Frogg Männer in orangen Gwändli. Ein furchtbares Dilemma. Sollte ich klein beigeben und umkehren? Oder durchs Unterholz zum nahen Strässchen hoppeln, von dem aus es einen Umweg um das beholzte Gebiet gab? Einen weiten Umweg.

In einem früheren Leben hätte ich auf die Zähne gebissen und hätte den Umweg gewählt. Diesmal kehrte ich um. "Du wirst in Deinem Leben noch viel Zeit zum Joggen haben!" sagte ich zu Frau Frogg.

Die Strafe für meine Faulheit ereilte mich schon nach wenigen Hundert Metern: Ich sah den schönen Pascal auf mich zukommen. Wenn es jemanden gibt, von dem ich beim Joggen nicht gesehen werden will, dann ist es der schönste Mann, den ich kenne. Nicht, dass der eine Sportskanone wäre. Ich stehe nicht auf Sportskanonen. Aber keine Frau will dem schönsten Mann, den sie kennt, in der uncoolsten Lebenslage begegnen, in der sie sich sich selber vorstellen kann.

Ich versuchte, wenigstens einigermassen normal auszusehen. Es gelang mir so halbwegs, glaube ich. Jedenfalls rollte er sich nicht auf dem Boden vor Lachen. Im Gegenteil: Er beachtete mich kaum.

Was auch gut war. Sonst müsste ich mir noch überlegen, künftig in einer Burkha joggen zu gehen. Und das würde alles noch viel schwieriger machen.

24
Mrz
2009

Seele verkauft

Trotz meiner Abneigung gegen dieses Buch. Ein Zitat daraus werde ich Euch nicht ersparen: "Everybody sells their soul to the devil. I just decided that I'd get a damn good price for mine." (S. 11)

Und dazu gleich noch ein paar Fragen:
1) Habt Ihr Eure Seele schon verkauft?
2) Habt Ihr einen guten Preis dafür bekommen?
3) Habt Ihr dafür auch schon ein bisschen Hölle im Diesseits abgesessen?

"Nicht doch!" höre ich jetzt meine imaginäre Leserin Ulrike unken. "Ich bin mir stets treu geblieben. Nur so wird man im Leben glücklich!" Darauf, liebe Ulrike, gibt es eine gute Antwort: "Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen kommen überall hin."

22
Mrz
2009

Anderson's "Cityboy": Verriss

Bücher über die Finanzkrise boomen zur Zeit. Auch solche, die dem Phänomen literarisch beizukommen versuchen. Ich habe zur Zeit diesen Titel aus Grossbritannien auf dem Nachttisch.

Eben habe ich in dern Sonntagszeitung gelesen, dass das Buch nächste Woche auf Deutsch erscheint. Sofort entschloss ich mich, vor der Lektüre zu warnen. Nicht lesen sollten es all jene, die von einem Buch einen halbwegs differenzierten Einblick in die Tiefe der menschlichen Seele erwarten.

Schon der Untertitel hätte mich warnen müssen: "Beer and Loathing in The Square Mile" legt zwar Anlehnung an ein grosses Vorbild nahe: Fear and Loathing in Las Vegas stammt von Hunter S. Thompson und damit von einem literarischen Schwergewicht. Doch die Anspielung klingt wie eine alkoholselige Verballhornung, und genau diese Erwartung löst der Text auch ein. Geraint Anderson bleibt in seinem Sinnieren fast durchwegs dem Bier (wahlweise auch dem Koks) verhaftet. Er schildert seine Abstürze und die seiner Kollegen mit einer wenig erhellenden Mischung aus moralischer Empörung und pubertärem Stolz: "Boahhh! Ihr glaubt nicht, wie voll ich war!" könnte ein Zitat von Anderson sein. Keine literarisch wertvolle Aussage, wenn Ihr mich fragt.

Überhaupt: Anderson's sprachliche Fähigkeiten bewegen sich auf der Skala irgendwo zwischen "noch witzig" und "vollkommen banal". Es gibt darin Sätze, die ich auf den Mond schiessen könnte, so nichtssagend sind sie. Zum Beispiel (Cityboy über seinen Chef): "I knew David was married and the fact he was willing to introduce me to his mistress made me feel part if his ' inner circle of trust' and that made me feel good'." (S. 27)

Es könnte ja sein, dass Anderson will, dass seine Romanheld so spricht - weil er eben einer dieser Banker-Idioten ist und über sich und die Welt nichts Geistreicheres sagen kann. Aber ich kann mich des Verdachts nicht ganz erwehren: Anderson kann es nicht besser. Er schreibt bekanntlich hier seine eigene Geschichte.

Naja, vielleicht hat die Frogg zu viel erwartet, als sie sich von einem einstigen Analysten eine literarische Reise in die Abgründe der Banker-Seele versprach. Da sollte ich mich vielleicht doch an den Ex-Marketing-Mann Martin Suter halten. Er hat die kleinen Eitelkeiten der Zürcher Business-Leute leichtfüssig und doch brilliant beschrieben. Aber eine halbwegs ernst zu nehmende Erörterung der Frage, was die Banken der Welt in den Abgrund getrieben hat, sollte bei Anderson laut Vorbesprechungen eigentlich drinliegen, dachte sie. Bis jetzt: Fehlanzeige.

Klar: Banker sind zynische Typen und geldgeil. Sie koksen und sie sind ach so versoffen! Haben wir es nicht schon lange gewusst? Klar: Männer unter sich machen gerne sexistischen Witzchen. Wer sich diesbezüglich weiterbilden möchte, wird im Buch übrigens gut bedient. Wahrscheinlich ist es nicht zuletzt deswegen ein Bestseller geworden. Und klar: das Banker- Business kennt zynische Überlebens-Regeln. Doch welches Business kennt die nicht? Das alles macht die Menschen in den schwarzen Anzügen zwar nicht sympathischer. Aber es erklärt nicht das Versagen des ganzen Systems.

Vielleicht lässt es vor allem eine alarmierende Feststellung zu: Wenn Anderson derjenige mit dem menschlich besten Durchblick in dieser Zunft ist, dann Gnade uns Gott.

20
Mrz
2009

Horror-Thriller für Patientin Frogg

Ja, ja ich weiss: Das Buch sieht überhaupt nicht spannend aus. Es sieht aus wie ein ungeheuer langweiliges Medizinfachbuch. Es ist auch ein Medizinfachbuch. Aber nicht deshalb habe ich mit der Lektüre jahrelang gezögert. Nein. Ich fürchtete mich davor. Ich hatte auch eine Ausrede. "Die drei wichtigsten Dinge über die Krankheit, die ich habe, weiss ich", pflegte die Frogg zu sagen, "Erstens: Niemand weiss, wo sie herkommt. Zweitens: Niemand weiss, wie sie verläuft. Und drittens: Niemand kann sie heilen."

In diesem Falle wäre Wissen nicht einmal Macht. "Also brauche ich gar nicht mehr wissen", sagte die Frogg.

Aber neulich abends habe ich dann doch angefangen, das Buch zu lesen. Mara hat es mir in die Tasche gesteckt. Auch eine Menière-Patientin.

Schon das erste Kapitel fährt mir mehr ein als alle schwarzen, goldgeprägten Anglo-Thriller auf meinem Büchergestell zusammen.

Manches daran fühlt sich tröstlich an. Vertraut. Es ist gut zu wissen, dass andere dasselbe erlebt haben wie ich: "Der typische Drehschwindel tritt in der Regel anfallsweise ... auf. Das kann zu allen Tageszeiten geschehen, auch nachts aus dem tiefen Schlaf heraus." (S.3)

Auch das hier gibt mir so etwas wie einen angenehmen Thrill: "Das japanische Gesundheitsministerium hat den Morbus Meniere 1974 auf die Liste der insgesamt 43 schwer behandelbaren Krankheiten gesetzt." (S.2) Es ist eben doch so, wie mein Hausarzt einmal gesagt hat: "Manchen Patienten gibt es eine narzisstische Befriedigung, an einer kuriosen Krankheit zu leiden." Auf der anderen Seite: Eigentlich würde ich lieber auf beiden Ohren gut hören und nie mehr Angst vor der nächsten Schwindelattacke draussen auf der Strasse zu haben. Ehrlich!

So richtig mulmig wird mir, wenn ich lese, dass Morbus Meniere "zu beidseitiger Taubheit, Unsicherheit und Hilflosigkeit bis hin zur Berufsunfähigkeit führen kann": (S XI)

Und wenn Schaaf verspricht, auf "psychosomatische Aspekte dieses oft Jahre anhaltenden Krankheitsbildes" zu sprechen zu kommen, dann fahre ich das Arsenal meiner Abwehrargumente auf: "Ich habe mich mit meinem Leben arrangiert, und das war schwierig genug. Ich werde alles tun, was mir guttut. Aber wenn mir jemand erklären will, was ich an mir oder meinem Leben ändern soll, dann ist er an der falschen Adresse! Jawoll!!!" sagt die Frogg grimmig.

Zum Glück ist Herr Schaaf bislang vor allem auf die psychosomatischen Folgen andauerner Schwindelanfälle eingegangen: Depressionen, massive Ängste und allgemeine körperliche Verunsicherung. Damit kann ich mittlerweile umgehen. Ich habe gelernt: Ein Meniere-Anfall auf der Strasse ist weniger schlimm als ein Kreislaufzusammenbruch: Wer einen Meniere-Anfall hat, bleibt bei Bewusstsein. Er kann (meistens) kontrollieren wie er fällt und nötigenfalls um Hilfe bitten."

"Nein! Du kannst mir keine Angst machen, Schaaf!" sagt die Frogg. Aber bevor ich das Licht lösche und einschlafe bringe ich das Buch doch noch schnell hinaus in ein anderes Zimmer. Ich will nicht, dass es mich bis in meine Träume verfolgt.

Hemut Schaaf: Morbus Menière; Schwindel - Hörverlust - Tinnitus, eine psychosomatisch orientierte Darstellung; Heidelberg: Springer, 5. Auflage, 2007.
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