18
Mrz
2009

Vergewaltigt: Wer ist Schuld?

Wenn es etwas gibt, was mich wirklich empört, dann ist es die Aussage: "Eine Frau, die vergewaltigt wird, hat die Vergewaltigung selber auf sich gezogen."

Ich halte diese Überzeugung für eine Erscheinungsform hochgradiger esoterischer Dümmlichkeit. In meinem Bekanntenkreis glaubte ich sie nachhaltig getilgt. Aber ich hatte mich getäuscht. Letztes Wochenende haben drei alte Freunde die ausgelatschte These aus der Mottenkiste geholt. Auch eine Frau war dabei.

"Und wie bitte soll sie das tun?" fragte ich.

"Das sind feinste energetische Schwingungen!" dozierte mein alter Freund Babar, der sich immerhin Psychologe schimpfen darf, in fachmännischem Ton. Er machte dabei eine Geste, als wolle er eine Stecknadel in eine dafür sorgfältig präparierte Wand schräubeln. Natürlich dürfe man die Handlung des Täters nicht ausklammern, antwortete er auf meinen Einwand. Tatsache sei aber, sagte er, dass es in New York eine Frau gäbe, die 563 mal (oder so) überfallen worden sei. Ich müsse doch zugeben, dass die das irgendwie selber beeinflusst haben müsse.

Ich murmelte etwas von "Humbug" und "urband legend", aber ich sah, dass ich gegen drei Opponenten nicht ankam, ohne unangemessen militant zu werden. So wurde ich statt dessen sprachlos vor Ärger.

Jetzt bin ich froh um Zu- und Widerspruch. Ich muss mein Argumentarium stärken. Für ein andermal.

16
Mrz
2009

Bäuchlein angesetzt

Es ist wieder so weit. Wir alten Freunde schlemmen uns durch unser jährliches Smörgasbord.

Nach dem Kaffee sitzen wir da und warme Gefühle senken sich über uns. Diese Zärtlichkeit, die man nur uralten Freunden gegenüber empfindet, von denen man weiss: Egal, wie weit wir uns von einander entfernen - wir werden irgendwann immer wieder einen Grund finden, einander zu mögen. François reibt sich genüsslich den Bauch und ich entdecke: Er hat das bekommen, was man hierzulande "es Ränzli" nennt. Ein Bäuchlein. Es muss daran liegen, dass auch er endlich Vater geworden ist. Es ist ein kleines Bäuchlein, er fährt schliesslich viel Rad. Aber es ist eins, unverkennbar.

François grinst: "Naja. Ich sage schliesslich immer: Wer will denn ein Sixpack, wenn er ein ganzes Fässchen haben kann?!"

14
Mrz
2009

Krise als Lifestyle - widerlich

Damit wir uns richtig verstehen: Ich finde das Magazin des Tages-Anzeigers noch immer etwas vom Besten, was man hierzulande am Wochenende zu lesen bekommt. Aber wie das "Magi" die "Krise" zum Lifestyle macht, macht mich wirklich tobsüchtig.

Zum Beispiel der erste Satz im aktuellen Editorial (No.11/S. 3): "Allen Ballast von sich werfen, sich befreien von allem Unnötigen und sich auf das Wesentliche zurückbesinnen, das raten uns die Psychologen und Philosophen in Hinblick auf die Rezession, die unser Leben noch eine ganze Weile beeinflussen wird."

Mit Verlaub: Hauptbetroffene dieser Krise werden wieder einmal zwei Gruppen sein:

1) Die jungen Leute: Sie werden einen schwierigen Einstieg ins Berufsleben haben (Wie das sich anfühlt, davon erzähle ich gerne mehr. Ich habe die Krise der 90er-Jahre als Jungakademikerin mit einem auf dem Arbeitsmarkt so gut wie wertlosen Phil-1-Abschluss erlebt).
2) Leute so ab 50: Wenn sie arbeitslos werden, laufen sie grosse Gefahr, überhaupt keinen Job mehr zu finden.

Betroffene beider Gruppen werden vor allem damit beschäftigt sein, sich ihre Selbstachtung und ihre Hoffnung auf die Zukunft zu wahren. Beides betrachte ich nicht als "Wesentliches", das ein Individuum für sich selber aufbringen muss. Die Basis für Selbstachtung und Hoffnung auf die Zukunft sollte eine Gesellschaft eigentlich allen Individuen bieten können.

Aber vielleicht betrachten die "Magi"-Macher die wirklich Betroffenen ja gar nicht als ihre Leser. Vielleicht richtet sich das Editorial ja vor allem an die Züriberg-Millionäre, die im letzten Jahr mal schnell 24 von 75 Milliönchen verloren haben. Dass die sich vielleicht jetzt gerade keinen überflüssigen Luxus mehr leisten können ... ja, das bedarf schon einer tröstlichen Kommentierung! Da muss man den Verzicht zum Trend machen, um das Leiden zu lindern!

13
Mrz
2009

Zwei Fragen über die Liebe


Endlich begreife ich auch, was mich an diesem Buch so begeistert.

Es stellt unüberhörbar und dringend zwei elementare Fragen über die Liebe:

1) Welche Ansprüche stelle ich an einen Partner, mit dem ich dauerhaft zusammen bleiben will? Oder anders gefragt: Was soll es sein, was uns beide zusammen hält? Muss er fähig zu einem so differenzierten emotionalen Austausch wie es Peter von Roten war? Oder genügt auch eine durch gemeinsame Erlebnisse errungene Stabilität der Gefühle?

2) Worauf wäre ich zu verzichten bereit, um die Bindung mit einem geliebten Partner einzugehen?
- Wäre ich bereit, mich wegen meines Partners mit meiner Familie zu zerstreiten?
- Wäre ich bereit, mich mit jemandem einzulassen, der eine komplett andere Weltanschauung hat?
- Wäre ich bereit, dafür an den hinterletzten Ort zu ziehen?

11
Mrz
2009

Buchfink und Känguru

Ihr erinnert Euch vielleicht an meinen Eintrag über jenen Buchfink, der jeweils so blindwütig auf unsere Bürofenster einhackt.

Gestern kam Herr T. nun freudestrahlend in mein Büro und sagte: "Ich habe des Rätsels Lösung! Hör Dir mal das hieran!"

"Das hier" ist die Geschichte eines tapferen Innerschweizer Wahl-Australiers. In einem Bungalow irgendwo im Busch springt nachts ein Känguru durchs Fenster in sein Familienbett. Offenbar hatte das Tier in der Scheibe sein Spiegelbild entdeckt, sich einem Rivalen gegenüber gewähnt und attackiert - genau in jenem Moment, als das Fenster aufging. Was der Held unserer Geschichte machte? Naja, hört es Euch selber an...

Jedenfalls schloss Herr T. messerscharf: "Wenn Kängurus ihre Spiegelbilder in Fensterscheiben angreifen... Warum sollten es nicht auch Buchfinken tun?"

Wunderbar. Dann hättest Du Recht gehabt, Veronika.

Nur: Für uns in Frogg Hall ergibt sich aus dieser Erkenntnis ein unangenehmes Dilemma:
Sollen wir den Vogel quälen und ihm jeden Tag die nervtötende Präsenz eines unbesiegbaren Gegners zumuten?
Oder sollen wir uns quälen und auf die kärgliche Morgensonne verzichten, die dieser Tage unsere sonst so düsteren Büros erhellt?
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

November 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7717 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 25. Aug, 12:26

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren