9
Mrz
2009

Hütet Euch vor Haacker

Er sieht ganz unscheinbar aus, dieser Christoph Haacker. Als könnte er kein Wässerchen trüben. Er sitzt hinter dem Stand seines Kleinverlags Arco und bewacht seine Bücher. Denkt man, wenn man so an der Messe Luzern bucht unterwegs ist wie ich das letztes Jahr war. Was sollte er auch sonst tun? Alle machen das hier so.

Aber wehe man (oder frau) nähert sich Haackers Büchern und lässt seinen Blick aus Hördistanz über die Bände auf seinem Stand schweifen. Dann enthüllt Haacker seine wahre Natur: Er löst sich von seinem Stuhl. Er spricht. Er wird zum Verkäufer. Zu einem hervorragenden Verkäufer. Zum Verführer. Er lässt die Kundin sofort durchschauen, dass er nichts anderes will als ihr etwas verkaufen. Unbedingt. Das ist sein Job. So ist das Leben, machen wir uns einen gepflegten, feinen Spass draus, sagen seine Mundwinkel, derweil er spricht! Und so wird die Kundin nicht gehen, bevor sie ein Buch erstanden hat, einfach weil sie sein Spiel mag. Er muss seine Verkäuferlehre bei einem Türken gemacht haben!

Mir hat er letztes Jahr Ludwig Winders "Die Pflicht" aufgeschwatzt. Er machte mich glauben, es sei ein Krimi. Ist es nicht. Es ist die Geschichte eines Widerstandskämpfers im Prag des Zweiten Weltkriegs. Präzis in der Sprache, karg, parabelhaft beinah. Es war nicht das begeisterndste Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe. Aber es vermittelte mir ein paar höchst bedenkenswerte Einsichten über den Geist des tschechischen Widerstands. Über die Situation eines kleinen Landes in der Nähe des Tausenjährigen Reiches.

"Nehmen Sie es nach Hause und lesen Sie es! Wenn es Ihnen nicht gefällt, nehme ich es wieder zurück!" hatte er mir nachgerufen

Nun ja, ich bin ja nicht der Typ, der bei so etwas die Probe aufs Exempel macht!

"Und sonst kommen Sie nächstes Jahr und sagen Sie mir, wie es Ihnen gefallen hat" hatte er auch gesagt.

Das tat ich am Wochenende, als wieder "Luzern bucht" war. Dann kaufte ich ihm ohne lange zu verhandeln Vladimir Körners "Adelheid"ab.

"Aber seien Sie gewarnt! Es ist todtraurig!" rief er mir noch nach.



Erst draussen wurde mir klar: Ich hatte es ihm diesmal viel zu leicht gemacht.

7
Mrz
2009

Packende Liebesgeschichte


Das Buch ist bald zwei Jahre alt. Ausserdem dürfte es eher Schweizer Leser interessieren. Dennoch kann ich es nicht lassen, hier darüber zu schreiben. Denn ich finde es gerade unglaublich packend. Es schwebt in meiner Gunst ohne Ruhm über allen sieben Wellen und sämtlichen Feuchtgebieten.

Ich stehe auf Seite 272, und bislang hat es mir viel von Peter von Roten erzählt, einem Mann voller Widersprüche: Er stammt aus einer katholisch-konservativen Walliser Aristokratenfamilie. Aber er ist auch Armeegegner und hat linke Tendenzen - und das während des Zweiten Weltkrieges! Er ist auf eine Art verklemmt wie es vielleicht nur unsere Schweizer Väter sein konnten. Doch während die meist schwiegen, gelingt es Peter, seine Dilemmas und Unsicherheiten so eindringlich in Worte zu fassen, dass es zuweilen richtig weh tut, immer aber fesselt. Er tut es in den 40er-Jahren in Briefen an Iris Meyer, die später seine Frau wird. Einige Briefe sind in langen Strecken wörtlich zitiert. Und wo Peter nicht selber zu Wort kommt, füllt Autor Wilfried Meichtry mit gut informierter Intuition die Lücken.

Nun ist Iris von Roten-Meyer auch nicht niemand: In den fünfziger Jahren schrieb sie ein heftig umstrittenes Standardwerk des Schweizer Feminismus. Auch ihre Briefe beeindrucken durch eine aussergewöhnlich hoch entwickelte Fähigkeit, ihr Empfindungen in Worte zu fassen. Sie war zudem alles, was ihr späterer Ehemann nicht war: urban, ehrgeizig, auch nach aussen unkonventionell.

Dass die beiden in ihren Briefen zunächst unaufhörlich streiten, liegt nicht nur in der Verschiedenheit der beiden begründet. Vor allem er sträubt sich zunächst ungeheuer gegen die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübt. Manchmal ist er ein solcher Umstandskrämer und dabei so witzig, dass man gleichzeitig lachen und ihn schütteln will. So wird die Annäherung der beiden vielleicht zum kompliziertesten breiflich dokumentierten Liebeswerben der Weltgeschichte.

Jetzt warte ich darauf, dass Meichtry mir noch mehr über Iris erzählt. Denn sie interessiert mich mehr als die noble Familie von Roten, der Meichtry (zu) viel Raum gibt. Streckenweise erliegt er leider der Versuchung, sich zu ihrem Familienhistoriker zu machen und wirkt dann provinziell. Ich verstehe zum Beispiel nicht, was das Kapitel über Peters Rilke-Recherchen (ein Gerücht besagt, dass Rilke unehelicher Sohn eines von Roten war) mit der Geschichte des Liebespaars Peter und Iris zu tun hat.

Mit seiner Herangehensweise liegt Meichtry übrigens quer zum aktuellen öffentlichen Bewusstsein: Wer Peter von Roten googelt, findet zu ihm fast nur noch Zugang bei Einträgen über seine Frau. Das ist aussergewöhnlich. Normalerweise verschwinden ja auch starke Frauen in der Geschichtsschreibung hinter ihren Ehemännern.

Aber noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er Iris bald der gleichen gründlichen und verständigen Analyse unterziehen wird wie Peter.

Wilfried Meichtry: Verliebte Feinde - Iris und Peter von Roten, Ammann Verlag, Zürich 2007

6
Mrz
2009

Rattenscharfer Humor

Mein Lieblingsautor zgraggenschagg überbietet sich wieder einmal selber!

5
Mrz
2009

Die Polizei kam um 02.30 Uhr

Ich hätte mich neulich nicht so spöttisch über das Gossauer Polizeiwesen äussern sollen. Sowas rächt sich. Ich hätte es wissen müssen.

Vergangene Nacht war ich froh um die Polizei. Sie erschien um 2.30 Uhr morgens. Wenn es nach der Frogg gegangen wäre, hätten die Ordnungshüter ruhig noch früher kommen können. Sie lag nämlich seit 2 Uhr wach. In ihrem Bett im vierten Stock. Geweckt durch glasklaren, zimmerlauten, ätherischen Sound. Er kam aus dem ersten Stock. Dort wohnt ein junger Mann, den ich noch gar nie gesehen habe. Ich kenne nur den Namen auf seinem Klingelschild und habe mich wegen dieses Namens schon gefragt, ob es sich bei ihm um eine Figur aus einem Harry Potter-Roman handeln könnte.

Seit er seine düsteren Anwandlungen hat, nenne ich ihn Wormtail Junior. Die düsteren Anwandlungen bewegen ihn dazu, laut in seinem Zimmer herumzutramplen, Gegenstände durch die Gegend zu werfen und dann stundenlang laute Musik zu hören. Er hat sie noch nicht lange. Vielleicht seit zwei, drei Monaten. Aber er bekommt sie stets zu nachtschlafener Zeit. Mich hat er im letzten Monat zweimal geweckt. Frau Baumgartner aber, die Nachbarin im Stock über ihm, hat schon ganz dunkle Ringe unter den Augen. Ich mache mir Sorgen um sie.

Herr T. und ich stiegen drei Stockwerke hinunter. Das ganze Treppenhaus widerhallte vom Flirren, Sirren, Klingeln und Bimmeln von Juniors Sound. Wir klingelten auch. An Juniors Wohnungstür. Nicht, dass er die Tür geöffnet hätte. Nein, nein. Junior öffnet die Tür nicht, wenn er seine finsteren Anwandlungen hat. Und wenn er sie öffnet, dann sagt er Dinge wie: "Wenn der Lärm Sie stört, dann müssen Sie halt ein eigenes Haus kaufen!" Das hat mir Frau Baumgartner erzählt.

Deshalb hatte sie auch bereits die Polizei gerufen. Die dann auch kam.

Heute Morgen passierte dann plötzlich ziemlich viel wegen Juniors nächtlicher Soundkulisse. Ihm droht die Kündigung. Und ich finde ich mich in der ungemütlichen Rolle der ältlichen Mieterin wieder, die ihre Nachtruhe mit Fingernägeln und Zähnen und notfalls vor Gericht verteidigt. Und die von meiner fast 90-jährigen Nachbarin, darf ich zu meiner Ehrenrettung sagen.

3
Mrz
2009

Erbrecher-Jagd

Dieses von Herrn T. geprägte Wort umschreibt die Tätigkeit, der die Polizei von Gossau seit gestern frönt. Er hat mir erlaubt, es Ihnen, Herr Phrasardeur, zu widmen.
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Journal einer Kussbereiten

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