13
Nov
2008

Duschen mit Taucherbrille

Vorhin habe ich geduscht. Jetzt ist mein rechtes Auge rot angelaufen. Das kommt vom Schwindel, der im Moment ständig am Boden unter meinen Füssen zupft: Wenn ich mir die Haare wasche, muss ich deshalb die Augen offen behalten. Ich muss sehen, wo der Boden ist. Sonst reisst es ihn mir am Ende noch unter den Füssen weg.

Ich denke darüber nach, mir eine Taucherbrille zu besorgen

12
Nov
2008

Cortison-Rausch

Am letzten Donnerstag hatte ich einen schweren Schwindelanfall am Arbeitsplatz. Etwa eine Stunde lang testete ich mit dem Hinterkopf die Beschaffenheit der Spannteppiche in unserem neuen Grossraumbüro. Rundum drehten sich Lampen und Tische, mal sacht, mal wütend. Die Frogg kämpfte gegen einen schier unbesiegbaren Brechreiz. Ein kleiner Erfolg an einem schwierigen Abend.

Es war kurz vor Feierabend. Ein Kollege fuhr mich schliesslich nach Hause.

Das alles ist nichts Neues. Gehört halt dazu. Danach aber reagierte ich anders als sonst. Ich versuchte, dem Schwindel mit einer Cortisonbombe Herr zu werden, denn hektische Tage standen bevor. Ich hatte keine Zeit herumzuliegen.

Die hektischen Tage kamen und gingen. Das Cortison wirkte, wenn auch schwach. Nebenwirkungen? Erstaunlich wenige.

Bis gestern. Gestern hatte die Frogg frei. Sie war schon beim Aufstehen schwer wie ein alter Mehlsack und merkwürdig verstört.

Dennoch schleppte ich mich in die Stadt. Ich musste einkaufen. Leiser Schwindel drohte mir auf dem Weg den Boden unter den Füssen wegzuziehen, aber ich stand. Ich ging. Wenn auch langsam. "Du bist bleich", sagte eine Bekannte, die ich auf dem Weg traf.

Irgendwann fand sich die Frogg in einem Warenhaus wieder. Sie brauchte Lippenstift. Heute. Sie brauchte jetzt diesen verdammten dunkelroten Lippenstift, den besten, den es je gegeben hat. Ersatz für das gute Stück, das nach mindestens fünf verdienstreichen Jahren letztes Wochenende den Geist aufgegeben hat. Sie brauchte jenen Lippenstift, dessen Bordeauxrot fast, aber nur fast, ins Braune kippt. Oder vielleicht auch ins Violette. Aber es kippt eben nicht, sondern bleibt bordeauxrot, genau richtig, das ist das Gute daran.

Sie suchte vergeblich. Sogar die Marke schien verschwunden. "Haben Sie diesen Lippenstift noch, die Nummer 486? Das ist der Beste, den ich je gehabt habe," fragte sie eine Verkäuferin. Die Verkäuferin sah sie an. Lange. Als denke sie darüber nach, ob auch Frauen um die 40 schon dement sein können.

"Geh nach Hause ins Bett", sagte leise die Stimme der Vernunft. "Du wirst noch ein paar Tage ohne Lippenstift durchhalten." Aber Vernunft hatte mit all dem gar nichts mehr zu tun.

Schliesslich fand sich eine weitere Verkäuferin, die der Frogg sanft wie einem verzweifelten Kind einen neuen Lippenstift aufschwatzte. Das Rot stimmte. Naja, ungefähr. Ich schickte mich an, ihn und ein paar Lebensmittel über den Hügel nach Hause zu tragen. Es ist ein kleiner Hügel. Normalerweise überquere ich ihn ohne daran zu denken, dass er ein Hügel ist. Diesmal fühlte ich mich, als müsste ich den Hügel mit meinen Schultern verschieben. Ich schlich aufwärts, schwer wie eine pensionierte Dampfwalze.

Zuoberst auf dem Hügel, bei der Bushaltestelle, irrte ein alter Mann herum. "Können Sie mir sagen, wo das Kantonsspital ist?" fragte er.

"Kommen Sie mit mir", sagte ich. "Ich muss in die gleiche Richtung. Aber gehen Sie nicht so schnell! Ich bin nicht so fit!"
"Dann geben Sie mir Ihre Tasche", sagte der alte Mann fröhlich und nahm mir die Tüte aus der Hand. Wenn ich genügend Kraft gehabt hätte, wäre ich gerührt gewesen. Aber ich schob ja den Hügel mit meinen Schultern und unter mir zupfte der Schwindel sacht am Asphalt. Ich hatte keine Kraft, gerührt zu sein.

Der alte Mann erzählte mir, dass er im Spital seine Frau abholen müsse. Dass sie eine Brustamputation gehabt habe. Irgendetwas von Kanülen erzählte er. Ich hörte zu und schob die Welt vor mir her und war froh, dass er wenigstens meine Tasche trug. "Was wird der arme Mann tun, wenn ich plötzlich nach hinten hinknalle?" fragte ich mich.

Aber ich stand. Ich ging. Zehn Minuten später war ich zu Hause. Ich legte mich hin und schlief eine geschlagene Stunde lang.

6
Nov
2008

Tod am Südpol

Dieses Wochenende erhält Luzern ein neues Kulturhaus. Es heisst Südpol, weil er am Südende der Stadt liegt, in einem ehemaligen Schlachthof.

Zur Eröffnung spielt das Luzerner Theater dort sinnigerweise ein Stück über einen Hühnerschlachter: Stichtag von Thomas Hürlimann. Das Theater hat Eingeweihten bereits gestern das Stück vorgeführt. Die Inszenierung (Volker Hesse) erinnert noch einmal schockartig an die blutige Vergangenheit des radikal umgebauten und aufgefrischten Gemäuers: Sie reproduziert zum Start in einem Korridor sogar noch einmal Aasgeruch. Penetranten Aasgeruch. Jenen Aasgeruch, der dort laut Gerüchten gehangen haben soll, als man die grosse Kühlanlage im alten Schlachthaus abschaltete.

Dann wird im Stück geblutet, geröchelt, gekotzt und gestorben. Und nochmals gestorben. Wie das eben so ist in einem Schlachthaus. An Querbezügen fehlt es also wirklich nicht. Auch der Titel "Stichtag" ist stimmig für eine Inszenierung zur Eröffnung. Nur eins fehlt: die Freude am neuen Haus. Ein Gefühl von Festlichkeit. Oder steht das am Schluss gesungene "komm süsser Tod" etwa als Hinweis auf den Tod der Schlachterei und eine Auferstehung in vegetarischer Kultürlichkeit? Also, nicht bei mir!

Mir bleibt nur die Zuversicht, dass die Eröffnungsfeierlichkeiten am kommenden Wochenende den Theatermachern beweist, dass Luzern lebt und sich freuen kann!

5
Nov
2008

Achtung, Köpfe runter!

Aha. Es ist soweit. Die Neue Zürcher Zeitung baut Stellen ab. Sie reagiert damit als erstes Medenunternehmen auf die Krise. Andere werden folgen, da bin ich sicher.

Im Westen nichts Neues also. Die Medienbranche verhält sich diesmal genau gleich wie die letzten drei oder vier Male in den letzten 10 oder 15 Jahren: Und wir Angestellten halten die Köpfe runter, malochen und sind froh, dass wir einen Job haben.

Irgendwie hatte die Frogg sich das anders vorgestellt, als sie im Januar ins Schneetreiben starrte und wusste, dass die Krise kommen würde. Irgendwie hatte sie mit einem plötzlichen Bruch gerechnet. Mit einem sinkenden Gefühl in der Magengrube. Mit einer grossen Leere und dann damit, dass für einmal alles anders sein würde. Für alle. Hart, aber aufregend. Dass sich plötzlich neue Perspektiven auftäten. Dass sie plötzlich auf eine ganz neue Art gebraucht würde.

Aber das war wohl bloss der Optimismus, die vor dem quälenden déja-vu schützt.

Es wird alles wie gehabt.

Und das Traurigste daran ist: Vielleicht ist es sogar besser so.

1
Nov
2008

"Burn after Reading": Verriss

Gestern blödelten Acqua und ich ja noch: Sollte dieser Film nicht "Burn before Reading" heissen? Denn was ist daran so lustig, dass man etwas NACH dem Lesen verbrennen soll? Nichts, oder? Eben. Heute neige ich sogar zur Ansicht: Der Film ist sowieso nicht lustig, und würde wohl am besten "Don't Even Look at It" heissen.

Ich meine: Dass die Amerikaner keinen Schimmer haben, was sie tun; dass sie aber alles zu einem Riesending aufblasen; und dass sie dann total verdutzt sind, wenn ihr Werk als Katastrophe über ihnen zusammenbricht - diese Botschaft haben wir doch in den letzten Wochen, weiss Gott, oft genug gehört. Die muss man uns jetzt nicht gleich auch noch als angeblich schwarze Komödie aufs Auge drücken. Nun gut, man könnte es den Coen Brothers als visionär auslegen, dass sie sich an einer Satire über die Finanzkrise versuchten, als es sie noch gar nicht gab. Aber das ändert nichts dran: Der Film ist einfach nicht lustig.

Die Schauspieler jedenfalls nerven häufig nur, am meisten George Clooney als total neurotischer Schürzenjäger mit Pistole im Achselholster. Er hampelt ja gern, und in den meisten Filmen nimmt man ihm das auch gar nicht übel. Er sieht ja so gut aus! Aber wenn man vor lauter Hampeln nicht mehr sieht, dass er gut aussieht, ja, dann, gute Nacht!

Brad Pitt als spät pubertierender Fitness-Center-Angestellter macht zunächst ja noch neugierig. Er gibt den Jungen Erwachsenen so kindisch, dass man ihm fast nicht abnimmt, dass er im realen Leben gerade wieder mal Vater geworden ist. Aber der Junge, den er spielt, ist einfach doof, bleibt doof und nochmal doof. Weiter nichts. Mit der Zeit wird das langweilig, ja, peinlich.


(Quelle: www.iwatchstuff.com)

Tilda Swinton würde eigentlich als stets genervte Ehefrau und mit der Zeit auch stets genervte Geliebte von dieser George Clooney-Figur überzeugen. Sie erinnert mich dazu noch penetrant an eine Bekannte, eine stets klassisch gekleidete, stets hypernervöse, stets latent säuerliche Bankerin und Mutter von zwei Töchtern. Sehr lebensnah. Nur hat sich die Frogg gefragt: Was hat diese Figur in einer Komödie verloren?

Überhaupt habe ich in diesem Film nur ein einziges Mal gelacht (correct me if I'm wrong, Acqua): An jener Stelle gegen Schluss, als John Malkovich sturzbetrunken, im Morgenmantel und in einer Mordswut aus seinem Böötli steigt: eine Karikatur von einem Amokläufer. Das sind die Coen-Brothers wie wir sie lieben!

Leider hat man von ihnen in diesem Film zu wenig von ihnen gesehen.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7505 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren