22
Nov
2008

Ich putze

Oder sollte der Titel heissen: Ich putze nicht? Denn bei keiner Betätigung neigt die Frogg so sehr zur Prokrastination wie beim Putzen. Vielleicht sollte der Begriff in diesem Fall sogar Prokrustination* heissen.

An sich hätte ich ja ein gutes System: Jeden Samstag putze ich einen Bereich unserer Wohnung: einmal das WC mit Brünneli etc. Eine Woche später das Bad. Wieder eine Woche später wird abgestaubt und gestaubsaugt. Dazu kommt jedesmal noch ein Extra: Treppenhaus putzen (Nachbarspflicht), Altpapier bündeln oder in einen Küchenschrank kriechen und schrubben. Wobei: Für die Küche wäre eigentlich Herr T. zuständig. Ich putze dort nur den Boden - dann, wenn ein Gang in die Küche sich unter den Pantoffeln anzufühlen beginnt wie spazieren im Wald. Oder den Herd, den Herr T. aus irgend einem Grund nie putzt. Dafür putzt Herr T. gelegentlich das Lavabo im Bad, eigentlich meine Domäne. Dann, wenn sich sonst die Sedimente darin beim Rasieren auf seinem Gesicht auszubreiten drohen. Das passiert gelegentlich, wenn wir am Samstag viel loshaben. Dann kommt die Frogg einfach nicht zum Putzen. Und unter der Woche geht die Arbeit am Krimi vor. Und der Job. Und das Bloggen. Und überhaupt...

Jeden Frühling machen Herr T. und die Frogg zudem einen grossen Putztag (wenn sich Herr T. dazu überreden lässt): Sie enteist den Kühlschrank, weicht die Filter im Dampfabzug ein und putzt etwas Silber. Er putzt alle Fenster und befreit den Balkon von den Mooskolonien, die sich dort angesiedelt haben. Höhepunkt ist jeweils die Take away-Pizza, die nach getaner Arbeit serviert wird. Sie wird von Jahr zu Jahr etwas früher angekarrt.

Herr T. macht diesen Frühlingsputz nur mir zuliebe. Er könnte gut existieren ohne zu putzen, glaube ich.

Wenn Besuch kommt, putzt die Frogg etwas mehr. Herr T. kocht dafür. In solchen Lebenslagen entfernt die Frogg auch den berühmten Trox'schen Zahnpasteflecks auf dem Spiegel. Ansonsten existiert er für uns einfach nicht. Sollte er unübersehbar werden, betrachte ich ihn als Symptom der Tatsache, dass das Badezimmer wieder einmal geputzt werden sollte. Und da mache ich dann gleich alles zusammen in einem Aufwasch. Sonst verzettelt man ja nur seine Kräfte.

Wir machen das seit Jahren so und bis jetzt ist keiner von uns an einer gefährlichen Infektion erkrankt. Ich bezeichnete as als Minimalismus - ein Genre, das uns ja auch in der Musik gefällt. Für einen Zweierhaushalt reichte es einigermassen. Naja, knapp.

Dass es nicht reicht, machte mir ausgerechnet Mutter Frogg klar. Vor etwa einem Jahr hatte sie die Wohnung einer schwer kranken Verwandten putzen müssen. In den farbigsten Tönen schilderte sie mir später den gut gelagerten Dreck, den sie dort entfernt hatte. Später streifte ich mit forschendem Blick durch Frogg Hall und dachte: Wenn ich plötzlich stürbe, würde ich meine Mutter mit ins Grab reissen. Weil der Schlag sie träfe, wenn sie meine Wohnung putzen müsste. Weil ich offensichtlich zu wenig oft in Küchenschränke gekrochen war.

Ich bemühte mich danach, meine samstäglichen Putzübungen ernster zu nehmen und mit mehr Volumen zu befrachten. Mit mässigem Erfolg. Ich glaube, mein Ohrenleiden ist daran schuld. Ich ermüde einfach zu schnell.

Ich habe mit Herrn T. darüber gesprochen, eine Putzfrau anzuheuern. Ohne Erfolg. Ich glaube, Herr T. hat eine ähnliche Beziehung zu Putzfrauen wie meine Nichte Marie Christiane.

* Die Neigung, der Kruste den Vortritt zu lassen.

20
Nov
2008

Frage an Euch Frauen

Sagt mal: Putzen Eure Männer?

18
Nov
2008

Die grosse Marke Opel

In den letzten Tagen muss ich oft an Grossvater Walholz denken. Immer dann, wenn ich die News über Opel lese. Ich höre, wie der Grossvater in seinem Grab leise vor sich hinschimpft. Er spricht von Gangstern, die "seine" Autos kaputtmachen - "diä Gangschter us Amerika" grumbelt er in seinem breiten Solothurner Dialekt.

Mein Grossvater, Bäcker Eugen Walholz der Zweite, war ein Opel-Fahrer. Er fuhr mit Stolz und Überzeugung einen Opel Rekord.


(Quelle: wikimedia.org, Grossvaters Auto war hellblau)

Schon sein Vater, Eugen Walholz der Erste, hatte schliesslich einen Opel gefahren. Ja, die Familie Walholz war eine Opel-Familie. Das merkte auch Schwiegerson Anton Frogg, als er 1964 Trudi Walholz ehelichte. Sein erstes Auto war zwar eine Diane, ein Citroen. Doch als seine Karriere weit genug gediehen war, stellte auf Opel um - wenn auch nur auf einen Corsa. Denn Anton Frogg sah in seinem Auto stets das, was er auch in all seinen anderen Dingen sah: Sparpotenzial. Aber ein Opel musste es sein.

Tochter Frogg weiss zwar um den mittlerweile etwas ramponierten Ruf der Produkte Marke Opel. Sie seien hässlich, heisst es. Aber die Frogg gehört nicht zu den Leuten, die mit einem Auto angeben müssen. Sie muss nur hie und da schnell und günstig von A nach B kommen und ist deshalb Mobility-Mitglied. Da bekommt sie schon mal einen Corsa untergeschoben. Der fährt mit wenig Benzin, beschleunigt für seine bescheidene Grösse ganz hübsch und sitzt bequem auf der Strasse. Wenn sie in so einen einsteigt, reiht sie sich im Geiste jedesmal freudig in die Ahnengalerie der Frogg-Walholz'schen Opelfahrer ein. Und gleich darauf muss sie im Auto drin nicht jedesmal den Lichtschalter, die Scheibenwischer und die Heizungsregler suchen. Denn sie stammt aus einer Opel-Familie und weiss, wo sie das Zeug findet. Was will man mehr?

Man kann also lange behaupten, der Markenfetischismus sei eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts. Es ist einfach nicht wahr. Marken demonstrierten schon Mitte des 20. Jahrhunderts den Status ganzer kleinbürgerlicher Kleinfamilien. Sie stifteten Identität. Auch Opel. Wir waren eine Opel-Familie, und wir hatten einen emotionale Bezug zu unserem Fahrzeug.

Wir waren ausserdem eine PTT-Familie. Denn Mutter und Vater Frogg arbeiteten bei der PTT, und zwar bei der Post. Dort hatten sie sich auch kennen gelernt.

Aber die Post ist ja auch nicht mehr, was sie einmal gewesen ist.

So wenden wir uns von den vertrauten Marken ab und neuen zu. Macht ja nichts. Zum Glück haben wir genügend immaterielle Güter, die uns als Familie zusammen halten.

Im Grunde weiss das keiner besser als Grossvater Walholz.

17
Nov
2008

Mädchenspiele

Seit meine Nichte Marie-Christiane (7) sprechen kann, machen wir zusammen Rollenspiele. "Du wärst jetzt das Mami. Und ich wäre Dein Kind Corina", gebietet sie. Oder ich spiele ihr Kind. Oder eine ihrer Pupen ist krank. Oder sie will heiraten. Und ich bin dann alles zusammen: die Mutter, der Arzt, der Pfarrer. Als sie noch klein war, kam das alles völlig unzusammenhängend. Mittlerweile sind unsere Spiele fast schon eine Soap Opera über einen Haushalt mit eine Schar von Haustieren (alle aus Stoff). Doch was immer sie sind oder waren, diese Rollenspiele: Immer sind uns dabei endlose, reichhaltige Geschichten zugefallen wie Geschenke aus heiterem Himmel.

Wobei... mittlerweile ist es so, dass sie sich welche ausdenkt, sobald sie weiss, dass wir uns sehen werden. Mir kommt eher die Aufgabe zu, dafür zu sorgen, dass auch ihre kleine Schwester Carina (3) mitspielen kann. Doch sehr anspruchsvoll ist inzwischen auch das nicht mehr: Carina hat die Regeln durchschaut und sucht sich sogar selber Rollen aus. Gestern, als sie genug von der Rolle der kleinen, etwas unterbeschäftigten Schwester Isabella hatte, lief sie uns ohne grosses Trara als Büsi zu. Klar, dass das Tantenherz schmolz wie Greyerzerkäse auf dem Gratin im Ofen.

Immer wieder staunt die Frogg darüber, wie viel sie bei diesen Spielen vom Alltag der Mädchen erfährt. Und darüber, wie sie beiden ihn selber erleben.

Gestern zu Beispiel kippte Marie-Christiane beim Füttern ihrer Stofftier-Herde ein ganzes Körbchen voller Steine auf den Boden. Dann sagte sie, ganz in ihrer Rolle als unordentliche Tochter: "Oh, das Tierfutter ist alles auf dem Boden! Da müssen wir noch ein bisschen aufräumen, sonst schimpft die Putzfrau!"

15
Nov
2008

Echo aus den Neunzigern

Neulich habe ich mir Diesel and Dust von Midnight Oil angehört. Seit Jahren zum Erstenmal, und das war sehr merkwürdig. Das Album enthält ein paar für mich geschichtsträchtige Songs. Songs, die uns Studenten in den neunziger Jahren zu Hymnen wurden: Ausdruck des Protests gegen die Zustände, die Klimawandel und Ozonloch möglich machten. Die Umweltzerstörung und Kriege aller Art bewirkten. Die die Unterdrückung von Urvölkern beinahe logisch mit sich brachten und - diese Zustände waren ja an allem schuld - auch die Unterdrückung der Frau.

Zur Erinnerung:



Nostalgisch wurde die Frogg aber nicht. Heute fällt mir vor allem auf, wie pessimistisch viele dieser Songs sind: "Put down that weapon, or we'll all be gone", heisst es da. Oder: "Your dreamworld is just about to end" und derlei mehr. Kein Zweifel: Der Weltuntergang drohte uns in den neunziger Jahren. Vielleicht sticht mir das deswegen so ins Ohr, weil ich gleichzeitig gerade ein Buch der Feministin Christina Thürmer-Rohr aus dem Jahr 1994 gewissermassen nachhole.

Auch hier: Tiefer Pessimismus. Schon im Klappentext ist von der "kollektiven Verzweiflung an der westlichen Moderne" die Rede. Drin finde ich eigentlich nur Ratlosigkeit - hauptsächlich über die Ich-Bezogenheit des westlichen Menschen. Sie sorge für "Weltarmut" des einzelnen. Ich wollte das Buch gerade in die Tüte mit dem Altpapier legen, als ich über den Begriff "Weltarmut" nachzudenken begann.

Weltarmut. Das bedeutet bei Thürmer-Rohr nicht etwa Hunger in Afrika. Das bedeutet bei ihr die westliche Beschränktheit der Seele auf sich selbst. Das allgemeine Desinteresse an der Welt da draussen. Thürmer-Rohrs Ärger über diese selbst verursachte Weltarmut verstehe ich durchaus.

Aber der Begriff stach mir aus einem anderen Grund ins Auge: Weil ich 1994 als das Jahr betrachte, in dem ich der Weltarmut ade sagte. Mein Studium war zu Ende, die Frogg trat ins Berufsleben. Und sie sah schnell viel von der Welt. Sehr viel, auch wenn sich manches davon im Universum von Frösch abspielte. Aber was sie sah, war konkret und menschlich und hie und da allgemeingültig und sie sah: Die Welt ist komplexer als sie gedacht hatte. Es gibt nicht nur die Unterdrücker und Unterdrückten. Sie legte Ideologien ab wie zu eng gewordene Kleider. Sie glaubte nicht mehr an den kommenden Weltuntergang.

Und da sitze ich nun, 14 Jahre später und lache ein wenig über unser Weltbild von damals. Doch dann denke ich an 9/11 und an den Klimawandel und dann frage ich mich plötzlich: Hat die Zeit den Weltuntergangspropheten von damals doch Recht gegeben? Sitzen wir einfach 14 Jahre näher am Abgrund? Und wenn ja: Warum haben ihre Rezepte dagegen damals nicht geholfen?
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

Mai 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7175 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren