25
Aug
2008

Die Frogg schmollt

Sehr geschätzter Herr Steppenhund

Bitte verzeihen Sie meine wohl allzu unwirsche Reaktion auf Ihre Bemerkung gestern Abend. Ich kann sie mir selber nicht ganz erklären. Ich erinnere mich nur, dass die Frogg noch heute morgen schmollend in einer Ecke sass. "Blöder Besserwisser!" maulte sie, "kleistert mir diesen dämlichen Allerweltsratschlag auf diesen schönen, poetischen Eintrag drauf! Wo's ums Älterwerden, um die Beziehung zur Mutter und um die Frage nach dem Ich geht. Und er... 'lächeln, lächeln, lachen...' (mit äusserst unschönen Mundbewegungen äfft sie einen imaginären Herrn Steppenhund nach) Dass ich nicht lache!"

"Was soll denn daran so falsch sein?" frage ich, "Herr Steppenhund meint es doch nur gut! Und ausserdem hat er Recht: eine positive Lebenseinstellung...",

"Nö, der meint es überhaupt nicht gut! Der mag keine Frauen mit Falten um den Mund und..."

"Er mag keine Frauen mit heruntergezogenen Mundwinkeln", werfe ich ein.

"... wenn er darin einen Unterschied sähe, hätte er diesen Kommentar nicht geschrieben, oder?! Der will mir doch erklären, was ich mit meinem Mund anstellen soll, damit er sich nicht ekeln muss, wenn er mir je auf der Strasse begegnet!" schimpft die Frogg.

"Aber liebe Frau Frogg! Hier darf jeder einen Kommentar schreiben. Das weisst doch! Sonst bist Du doch auch nicht so leicht gekränkt!"

"Grumbel! Grumbel!" kommt es aus der Schmollecke.

"Und überhaupt: Du bist selber Schuld. Du stellst Dich in diesem Text als Suchende dar. Als Unwissende. Du weisst, dass man damit gutgemeinte Ratschläge geradezu provoziert. In Deinen eigenen, leider immer noch unpublizierten gesammelten Lebensweisheiten steht doch: Starke Menschen stellen sich nie als Suchende dar! Das wirkt schwach und könnte gutgemeinte, aber unbedarfte Ratschläge provozieren. Starke Menschen stellen sich immer glücklich dar. Sie tun so lange so als wüssten sie den Weg, bis sie es selber glauben."

"Du weisst genau, dass ich auf eine andere Art stark bin", sagt sie. "Ich will mich den unbequemen Fragen stellen! Lass andere sich in ihrem Glück, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Erleuchtung suhlen! Ich tapse mit einer kleinen Laterne in der Hand im Dunkeln weiter. Ich schreibe über Falten und frage, ob ich eine verbitterte Mutter habe! Jawoll!"

"Dann musst Du lernen, mit den unappetitlichen Wahrheiten zu leben, die das an den Tag bringt!" sage ich. "Zum Beispiel der Tatsache, dass niemand Frauen mit Falten um den Mund mag!"

"Pah!" sagt die Frogg und zieht die Mundwinkel nach unten.

Sie sehen, geschätzter Herr Steppenhund, da war nichts zu machen, obwohl ich mich heftig bemüht habe. Es ist nun mal so: Falten sind ein Thema, bei dem Frauen besonders heikel reagieren. Da ist die Frogg offensichtlich keine Ausnahme! Ich kann deshalb nichts tun, als Sie zu bitten, inskünftig Diplomatie walten zu lassen, wenn es hier um derartiges geht. Ich weiss, Sie sind ein gescheiter Mann, der sich auf den Umgang mit Frauen versteht. Sie können das! Genau deshalb hoffe ich, dass Sie mich weiterhin lesen und hier auch mal wieder einen Kommentar stehen lassen!

Mit lächelndem und augenzwinkerndem Gruss aus dem Hause Frogg!

P.S.: Was aber die nach unten ziehenden Falten in meinen Mundwinkeln betrifft, so hat Ihr Rat zu lächeln doch geholfen: Heute habe ich mich im Spiegel angelächelt und dabei etwas höchst Merkwürdiges beobachtet: Es sind Lachfalten. Oder vielmehr: Lächelfalten. Sie werden tiefer, wenn ich lächle. Es gibt also Lachfalten, die nach unten zeigen. Wie merkwürdig!

24
Aug
2008

Vor dem Spiegel

Meine ersten Fältchen bekam ich zwischen den Augenbrauen. Senkrecht. Zornesfalten nennt man sie, ich aber nenne sie die Falten des Beharrungsvermögens. Meine Mutter hat sie auch, und ich mag sie. Inzwischen sind sie ziemlich tief.

Dann, in den dreissigern, bekam ich Fältchen in den Augenwinkeln. Es waren Lachfältchen, und ich mag sie.

Jetzt sehe ich meiner Mutter immer ähnlicher. Wie sie bekomme ich in den Mundwinkeln tiefe Furchen. Sie zeigen nach unten. Bei meiner Mutter sind diese Gräben stark ausgebildet. Manchmal, wenn ihr sonst so lebhaftes Gesicht plötzlich schlaff wird, sieht man sie deutlich. Sie graben sich in die Haut neben ihrem Kinn wie vertrocknete Rinnsale in eine Sandwüste. Ihr ganzes Gesicht sieht dann für Momente aus wie eine Maske der Bitterkeit. Bis sie wieder zu lächeln, zu gestikulieren und zu erzählen beginnt.

Ich kenne meine Mutter. Ich kenne ihre Geheimnisse. Gerade deshalb weiss ich nicht, welches ihr echtes Gesicht ist: das lebhafte Gesicht oder die Maske der Bitterkeit.

Als ich ein junges Mädchen war, hatte ich einmal einen Religionslehrer, der zu sagen pflegte: "Wenn ihr wissen wollt, ob jemand glücklich ist, seht ihm auf die Mundwinkel. Wenn sie nach oben zeigen, habt Ihr einen glücklichen Menschen vor Euch." Damals schien mir das allzu simpel.

Jetzt aber schaue ich reiferen Frauen immer öfter auf die Mundwinkel. Achte darauf, ob sie diese Furchen haben. Nicht alle haben sie. Ich schon. So sind meine Mundwinkel zwar mehr oder weniger horizontal. Ich glaube, sie zeigen sogar ein wenig nach oben. Aber diese Furchen! Sie zeigen abwärts, und sie werden tiefer.

Manchmal frage ich mich dann: Heisst das, dass ich kein glücklicher Mensch bin?

20
Aug
2008

Mein Kleiner

Ist er nicht ein Prachtskerl geworden, mein Kleiner?

ahorn_aug_08 002

Zweifellos ein Ahorn, so viel ist jetzt klar. Ich habe jetzt beschlossen, ihm einen Namen zu geben. Er soll Benji heissen. Von Benjamin.

Besonders gut getan hat ihm ja der Aufenthalt bei unserer vielseitig begabten Nachbarin Agnes. Er durfte zu ihr in die Ferien, derweil wir in der Türkei waren. Erst bei Agnes begann er wie ein richtiges Bäumchen auszusehen. Agnes hat eben auch einen grünen Daumen.

Von Agnes brachte er aber auch seinen ersten Feind mit: einen kräftigen Glücksklee. Er war einfach so neben ihm gewachsen. Alsbald standen die beiden Pflanzen in mörderischer Konkurrenz um den inzwischen eng gewordenen Raum in ihrem Topf. Ich musste mich entscheiden: Sollte ich der Natur ihren Lauf lassen? Oder solte ich Benji retten, indem ich den Glücksklee ausriss? Nein, einen Glücksklee killt man nicht einfach, beschloss die Frogg. Sie grub Benjis Wurzeln zwischen jenen des Glücksklees hervor und gab dem Bäumchen einen neuen Topf.

Der Glücksklee gedeiht schon längst wieder prächtig.

ahorn_aug_08 004

Benji gedeiht ebenfalls, kämpft aber schon wieder gegen neue Feinde. Seine Blätter haben bläuliche Flecken bekommen. Sind das die ersten Vorboten des Herbstes? Oder ist es eine Folge des Schiffwetters, das hier ständig herrscht? Ich fürchte, ich werde ihm bald wieder helfen müssen.

17
Aug
2008

Nachwort

Ja. Mein Türkei-Epos ist hiermit beendet.

Zum Abschluss nur noch drei Bemerkungen.

1) Was im Moment in der Türkei politisch passiert, verblüfft mich und erfüllt mich mit Besorgnis. Von den Spannungen zwischen der zum Islam neigenden AKP und den sekulären Generälen war für uns Touristen kaum etwas zu spüren. Im Gegenteil: Die Türken präsentierten sich uns als Volk, das gerne lebt und gern Geschäfte macht . Von sturen Ideologien scheint es sich ungern daran hindern zu lassen. Umso mehr befremden die Bomben, die in den letzten Wochen in Istanbul hochgegangen sind. Die Verhaftungen. Die Streitigkeiten am Verfassungsgericht. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Konflikte die Menschen auf der Strasse etwas angehen. Gut tun sie ihnen sicher nicht. Einfach zu lösen dürften sie aber auch nicht sein.

2) Gehört die Türkei in die EU? Jein. Einerseits möchte die Fröschin in der Türkei ja gern die demokratischen Kräfte und den Wohlstand gestärkt sehen. Andererseits bin ich mir nicht sicher, inwieweit ein starker Islam mit einem demokratischen Staatswesen überhaupt vereinbar ist. Diese Frage hat sehr wohl mit den oben erwähnten Konflikten zu tun, und sie muss auf befriedigende Weise geklärt sein. Sagt die Fröschin (nota bene als Bürgerin eines Nicht-EU-Landes, das aufs Engste mit der EU verflochten ist und von ihr abhängt).

3) Die Türken kochen tatsächlich besser als die Griechen. Vor allem haben sie ein unglaubliches Flair für frische Früchte und frisches Gemüse. Zudem ist Kebab viel mehr als das, was man hierzulande in der Bude um die Ecke als Döner über die Theke gereicht bekommt. Und von den reichhaltigen Mezze-Tafeln will ich gar nicht erst zu schwärmen anfangen. Einfach wunderbar! Nur beim Ziegenkäse konnten Herr T. und ich uns nicht einigen: Er kauft hier weiterhin griechischen Feta aus der Plastikverpackung. Der türkische Variante aus der Blechbüse begegnet er mit höchstem Misstrauen.

4) Danke für die vielen, auch kontroversen Kommentare. Hat wirklich Spass gemacht.

Weiter gehts auf diesem Blog jetzt wieder mit alltäglichen Themen.

15
Aug
2008

Abschied von Istanbul

Drei junge Mädchen warten mit uns auf die Metro Richtung Flughafen. Sie tragen schwarze Mäntel und Kopftücher, fast wie wütende Mareien. Sie tragen sie mit so viel Trotz wie die Frogg weiland ihre Jeansjacke mit den Heavy Metal-Knöpfen. Der Stoff hängt ihnen schlabbrig an den mageren Körpern. Darunter tragen sie Jeans und Turnschuhe.

Beim Einsteigen sehe ich: Eine von ihnen hat eine billige Stofftasche mit dem Logo der osmanischen Sultane um.


(Quelle: www.arabische-kalligraphie.ch)

Die Tughra. Das Zeichen hat mich fasziniert, wo immer ich es gesehen habe. Auch jetzt, auf dieser Tasche finde ich es schön und rätselhaft. So eine Stofftasche hatte ich als junges Mädchen auch. Die Taschen waren "in" damals und trugen das Logo eines in Frösch erfolgreichen Mittelschichts-Kleiderladens. Was dem Mädchen wohl seine Tasche bedeutet? Und das Logo?

Es ist Sonntag. Die Mädchen werden wohl jetzt zu einer der drei nach Hause fahren. In ein besseres Mittelschichtsheim. Sie werden sich in einem Zimmer verbarrikadieren und zusammen laute Rockmusik hören. Oder was was immer trotzige junge Mädchen heutzutage hören.

Oder sehen sie sich YouTube-Videos mit den Brandreden feuriger Mullahs an?

Vielleicht tun sie auch nichts von alldem. Jedenfalls steigen die drei bei der Station Dünya Ticaret Mercesi aus: am Welthandelszentrum. Da sind weit und breit keine gut situierten Wohnhäuser zu sehen. Nur Messehallen.

Wir fahren weiter. Zum Flughafen. Alles, was wir jetzt noch nicht wissen über die Türkei werden wir noch lange nicht wissen. Vielleicht nie. Wir sind auf dem Rückweg in die Schweiz.
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Journal einer Kussbereiten

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