15
Sep
2008

Schwarzer Montag

Die Kollegen im Newsroom nebenan werfen mit den Schlagzeilen von der Börse um sich. "Uiuiui! Der SMI stürzt um 19 Prozent!" oder so ähnlich klingt es von drüben und dann wieder "Wall Street!" Und dann: "Uiii! Senkrecht!" Sie haben diesen unbeschwerten, leicht überdrehten Ton. Wenn sie den anschlagen, weiss Frau Frogg, dass es ernst ist.

Kalter September

Es ist kalt in unserer Wohnung, denn es ist nun mal so: Frogg Hall hat alle Stärken und alle Schwächen einer Dachwohnung. Im Sommer würde sie sich anfühlen wie Sahara pur, wenn Herr T. nicht ein rigoroses Lüft- und Verdunkelunssystem eingeführt hätte. Kaum macht der Herbst sich aber mit einem ersten Temperatursturz bemerkbar, passt Frogg Hall sich in vorauseilendem Gehorsam an und begrüsst uns beim Nachhausekommen mit frösteligen Temperaturen. Auch wenn wir nicht vergessen, die Fenster rechtzeitig zu schliessen.

Dieses Jahr ist es noch schlimmer als sonst.

Ich fürchte, daran ist Herr Imobersteg schuld. Er ist verantwortlich für die Zentralheizung des ganzen Quartiers. Und er ist ein Meisterheizer, Feinmechaniker von Beruf, Heizmeister aus Berufung. Ich habe einmal gesehen, wie Herr Imobersteg die Temperaturregler an den Heizkörpern unserer Wohnung berührte: mit einer Zärtlichkeit, die mich plumpe Tastenhauerin aufrichtig beschämte.

Sicher beobachtet Herr Imobersteg die Ölpreise mit genausoviel Liebe wie die Temperaturregler, Schräubchen und Öschen seiner Heizung. Ich fürchte, die hohen Ölpreise im Sommer haben in ihm eine hitzige Sparwut geweckt. Ich habe den Eindruck, er hat irgendeinen Thermostat tiefer gestellt, so dass es kälter werden muss, bis die Heizung überhaupt anspringt. Jedenfalls friere ich abends und morgens. Auch wenn die Heizung mittlerweile zwischen sieben und zehn jeweils lauwarm wird.

Zum Trost packe ich mich morgens in meinen zitronengelben Bademantel, ziehe die warmen Pantoffeln an und trinke Tee. English Breakfast Tea. Es ist guter Tee, Marke Harrods. Er duftet nicht nur nach Tee, nein, er riecht nach England an einem kalten Morgen. Nach England vor zwanzig Jahren. Nach den verrussten Holzschwellen uralter Diesel-Eisenbahnlinien. Nass nassen, kurvenreichen Landsträsschen. Nach klammen Brombeerhecken, die von der Morgensonne langsam warmgeleckt werden.

Um mich zu trösten, denke ich: In England ist es manchmal sogar im Sommer so kalt. Naja, vielleicht nicht gerade in England. Aber doch in Schottland.

Und wenn das auch nichts hilft, denke ich an Russland. Russland im Sepember. Eine Wohltat für die Liebhaber extremer Temperaturen. Tagsüber kann das Thermometer bis 30 Grad klettern (oder aber bei Regen und plus vier Grad den ganzen Tag unentschlossen hängen bleiben). Nachts fällt es unter den Gefrierpunkt, und die meisten Russen haben nichts als ein paar Wolldecken, um sich vor solchen Extremen zu schützen. Denn geheizt wird nicht im September in Russland. Nicht doch. Dort dürfen die Heizmeister erst am 15. Oktober in Aktion treten. Wer will denn im Sommerhalbjahr heizen?

So war das jedenfalls vor neun Jahren, als ich in Russland war. So schlimm ist es mit Herrn Imobersteg zum Glück nicht.

Und sollte es noch schlimmer werden, so stelle ich fest: Die Finger wärmt man sich am besten mit Tee und Fernweh.

12
Sep
2008

Schwacher Gerritsen-Krimi

Neulich habe ich gesehen, dass spiegel.de auffallend grosse Werbung für Leichenraub macht, den neuen Krimi von Tess Gerritsen. Tatsächlich ist der Name Gerritsen Garantie für Krimiliteratur, die mit Sachkenntnis über Pathologie zu packen weiss. Und ihre Plots erreichen jeweils vor lauter Rasanz fast schon Überschallgeschwindigkeit. "Leichenraub" aber bietet plotmässig wenig als nervöses Gehetze.

Empfehlen kann ich höchstens die Lektüre der ersten 40 bis 50 Seiten. Auf ihnen nimmt sich Gerritsen einer Frage an, an dem sich schon zahllose werdende Mütter mehr oder weniger wohlig gegruselt haben mögen: Wie kamen Babies zur Welt, als die moderne Medizin noch in den Kinderschuhen steckte? Ohne Fachlatein, aber kundig und hoch emotional schildert Gerritsen, was das Kindbettfieber in einem Bostoner Spital des frühen 19. Jahrhunderts anrichtet (nichts für zarte Gemüter).

Die Haupthandlung des Buches aber ist in der Gegenwart angelegt: Die Heldin findet im Garten ihres neuen Hauses ein Skelett. Irgendwie stehen die Knochen im Zusammenhang mit den Geschehnissen rund um zwei Ärzte in der Vergangenheit. Sie haben herausgefunden, wie man das grassierende Kindbettfieber aus den Spitälern vertreiben könnte: mit mehr Hygiene. Eine Idee, die die amtierenden Oberärzte erst lächerlich, dann zusehends bedrohlich finden.

Eine an sich spannende Ausgangslage. Doch je länger die Lektüre dauert, desto mehr zerfallen der Plot der Gegenwart und jener der Vergangenheit. Gerritsen zieht noch die unplausibelsten Entwicklungen an den Haaren herbei, um etwas Spannung zu erzeugen. Heldin wird ein Mädchen aus der Unterschicht, das schliesslich ganz nach oben heiratet - eine höchst unwahrscheinliche Entwicklung, was Gerritsen aber nicht zu merken scheint. Und die moderne Heldin reift an ihrem Beispiel durchaus. Aber nicht so, wie sie es laut Madame Frogg sollte.

Es kann nicht gut bestellt sein um das Sortiment des Limes Verlags, wenn er mit diesem Buch eine so kostspielige Werbekampagne bestreitet!

9
Sep
2008

Ironie des Schicksals

Schon seit Tagen will ich Euch einen Eintrag präsentieren, der in etwa so geht: "Ich habe lange gesurft. Sehr lange. Bis ich am Schluss hier gelandet bin."

Jetzt bin ich tatsächlich am Ende des Netzes angelangt, aber auf eine ganz andere Art: Seit gestern legt ein Problem mit meinem BitDefender meinen Internet-Zugang lahm. Herr T. hat Stunden vor meinem Computer verbracht und versteht die Welt nicht mehr.

Frage ich nach - sei es aus Interesse, Anteilnahme oder Ungeduld - wird er so tobsüchtig wie ich ihn noch nie erlebt habe. Im Hause Frogg herrscht Untergangsstimmung.

Diesen Eintrag hier schreibe ich mit unfreundlich hingeraunzter Genehmigung von Herrn T. auf seiner Kiste. Wie es hier weitergehen soll, weiss kein Mensch.

Ich glaube, ich mache mir jetzt ein schönes Tässchen Tee und lese ein Buch.

6
Sep
2008

Im Städtchen

Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb die Frogg nie wirklich aus ihrem Städtchen weggezogen ist. Weshalb sie zwar mit dem Gesicht und mit offenen Augen zur Welt gelebt hat. Weshalb sie sich aber immer von ihrer grossen Zuflucht, dem Städtchen Frösch, den Rücken decken liess.

Lag es daran, dass die Leute hier so freundlich sind? Ja, sie sind freundlich. Die Leute hier haben einen breiten Dialekt, die Laute greifen Raum in ihren Mündern. Sie neigen zu einer katholischen Jovialität wie man sie etwa in Irland kennt. Sie haben diese Freude am Schnörren*, am gemeinsamen Trinken und salbadern. Sie glauben, dass etwas Gschnörr, ein paar gute Sprüche, Gelächter, alte Wunden heilt, verzeihen leichter macht und viele Türen öffnet. Sie sind sehr erpicht aufs Schnörren, wenig erpicht aufs Streiten. Früher hat mir das gefallen. Ich liebte es. Heute... Naja, ich kanns immer noch, wenns sein muss.

Das Städtchen ist nicht klein. Aber es ist überschaubar. Ein Gemeinplatz besagt, dass man hier immer Leute trifft, wenn man auf die Gasse geht. Und wenn man mit den alten Freunden nicht mehr so gut kann, so ist sie doch gross genug, dass man ein paar neue findet.

Vor langer Zeit wollte ich weg. Mich neu erfinden. Mich überhaupt erfinden.

Aber ich bin wieder zurückgekommen. Zweimal. Einmal ungern. Ich musste. Einmal kam ich mit einem Lächeln zurück. Ich erfand mich hier.

Vielleicht bin ich auch immer wiedergekommen, weil man in die Fremde nur sich selber mitnehmen kann. Und manche, das hatte die Frogg als Kind gelernt, sind sich selber in schlechten Zeiten ein mieser Tröster, eine Hölle von einer Heimat. Die Frogg hat schon als Kind Menschen gekannt, die sich selber abhanden kamen. Oder allgemeinverständlicher: die den Verstand verloren.

Vielleicht lag es daran. Daraus, dass andere sich verloren haben, hat sie geschlossen, dass auch ihr das passieren könnte. Irrümlicherweise, bislang. Zum Glück. Aber vielleicht war sie deshalb immer sehr vorsichtig damit, sich selber, an die Grenze ihrer Belastbarkeit zu bringen. Die Einsamkeit einer fremden Stadt, das lernte sie schnell, brachte sie nahe an diese Grenzen. Vor ihr floh sie stets gerne in ihr Heim, ihr Städtchen zurück.

Aber die Neugier auf die Fremde ist geblieben. Die Faszination des Unbekannten. Die Frage, was gewesen wäre, wenn...

Was wäre, wenn...

*auf Hochdeutsch etwa: plaudern oder auch herumquatschen.

3
Sep
2008

Ein neues Leben

Habt Ihr schon einmal die Chance bekommen, ein völlig neues Leben anzufangen? Einen neuen Job, mit dem Ihr nie gerechnet hättet? An einen Ort zu ziehen, wo Ihr nie erwartet habt, vielleicht einmal hinzuziehen? Weit weg? An einen Ort, wo Euer Liebster eher nicht hinwill. Wo Ihr keine Freunde habt, aber auch keine lästigen alten Bekannten.

Ihr hättet Euch neu erfinden können.

Habt Ihr es getan?
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