3
Sep
2008

Ein neues Leben

Habt Ihr schon einmal die Chance bekommen, ein völlig neues Leben anzufangen? Einen neuen Job, mit dem Ihr nie gerechnet hättet? An einen Ort zu ziehen, wo Ihr nie erwartet habt, vielleicht einmal hinzuziehen? Weit weg? An einen Ort, wo Euer Liebster eher nicht hinwill. Wo Ihr keine Freunde habt, aber auch keine lästigen alten Bekannten.

Ihr hättet Euch neu erfinden können.

Habt Ihr es getan?

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steppenhund - 3. Sep, 20:35

Ja. Zwei meiner Berufswechsel waren so.
1) Der Wechsel von der Entwicklung in den Verkauf mit dem Verkaufsgebiet Sowjetunion und ca. 180 Tagen im Jahr Dienstreise.
2) Der Wechsel in den Verkauf bei Bösendorfer - hauptsächlich Asien. Komplett von der Technik weg, totaler Verlust der technischen Kompetenz. die mich sonst über alles weggetragen hat. Verbunden damit das Lernen einer komplett anderen Technik aus Holz und Leder.
Nachher musste ich dann wieder in die Technik zurückwechseln, aber das war eher erzwungen.
Aber 1 und 2 waren schon toll und es waren richtige Paradigmenwechsel.
Und gerechnet habe ich weder mit 1 noch mit 2. Verkauf schon gar nicht, das hatte ich bei einem ehemaligen Chef sogar abgelehnt. Und bei Bösendorfer zu arbeiten war ein Traum. Ich erfuhr erst viel später, dass zu meinem Aufnahmetermin 102 Bewerber vorsprachen, drei aufgenommen wurden, wobei in der Regel 2 in der Probezeit wieder ausfielen. Bei meinem Termin blieben 2 Leute in der Firma:)
Und für Bösendorfer gab ich einen bestens dotierten Job mit Dienstwagen, späterer Firmenpension und praktisch so etwas wie eine Pragmatisierung auf.
Ja, ich habe das getan.

steppenhund - 3. Sep, 22:46

Nein, die blieb in Wien. Meine Lebensbasis ist schon Wien geblieben, nur die Arbeitsumstände waren gänzlich andere. Und die Kinder haben schon eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Ländern bekommen, weil ich ja von meinen Reisen erzählte und sie wussten, wo ich überall unterwegs war.
Meine älteste Tochter ist am weitesten herumgekommen. Die hat schon mehr Kontinente als ich bereist:)
diefrogg - 3. Sep, 21:50

Mitsamt...

Deiner Partnerin?

syro0 - 3. Sep, 23:05

sounds like pirandello to me ;-)

manchmal kommt mir vor, ich würde mich mal lieber eine weile lang nicht neu erfinden müssen, aber das ist sicher auch nicht ganz korrekt.

diefrogg - 5. Sep, 10:24

Pirandello

sounds good. "Rich" sounds good. Was danach kommt, könnte ich in Ruhe abwarten.
syro0 - 7. Sep, 13:44

in der tat läßt die zusammenfassung einen wichtigen aspekt aus: es geht nicht nur um die lügen, mit denen mattia pascal nicht mehr leben kann, sondern auch um den umstand, daß er keine juristische person mehr ist und sich weder gegen ausbeutung wehren noch vermählen kann. die krise hat bei pirandello konkrete gründe. ich würde ja über die historischen umstände der identitätskrisen im fin-de-siècle und in der beginnenden moderne schreiben, und wie 'wir' das heute nicht ganz so tragisch sehen mit 'unseren' postmodern gespaltenen identitäten und ironischen selbstinszenierungen, aber ich bin froh, daß der roman letzten endes nicht mit bestechung, ausweisfälschung und einem fbi-showdown endet.
diefrogg - 7. Sep, 23:27

Nun ja, so...

unmodern ist diese Situation gar nicht. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das die klassische Sanspapier-Situation. Nur, dass Sanspapiers normalerweise gar kein Geld haben. Aber wie auch immer: Ich glaube, ich würde die Geschichte schon deshalb mögen, weil sie nicht gemeinplätzig ist. Denn was sagt der Gemeinplatz zu einer solchen Flucht: Man kann auf jeder Reise nur sich selber mitnehmen. Wenn es einem beschissen geht, ist man selber Schuld, fügen die Lottis dieser Welt noch hinzu. In der gemeinplätzigen Situation wäre Mattia Pascal am Schluss genauso arm dran wie am Anfang. Pirandello scheint aber zu zeigen, dass ein Mensch sich verändern und aus Reife bessere Entscheidungen fällen kann.
syro0 - 8. Sep, 16:50

Sie haben nicht unrecht. Pirandellos Ironie (auch das Bewußtsein der Unwahrscheinlichkeit des Plots) untergräbt zudem allzu allegorische Interpretationen des Inhalts; das macht das Buch m.E. noch besser, läßt sich allerdings schwer mit einer allgemeingültigen Moral verbinden und sträubt sich sogar gegen allzu selbstsichere Wikipedia-Artikel.
nedganzbachert - 3. Sep, 23:23

Nach meiner Bundeswehrzeit habe ich mit 22 Jahren meinen Lebensmittelpunkt um 330 km nach Regensburg verlegt.
Mit 30 habe ich meinen Job gekündigt, habe die Fachhochschureife erworben und danach begonnen zu studieren. Mein Sohn war beim Wechsel gerade fünf Monate alt und ich musste die schöne Werkswohnung aufgeben und umziehen.
Mein dritter Umbruch war unfreiwillig, weil die Entwicklungsabteilung eines Pharmaunternehmens, in der ich arbeitete geschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war ich allerdings schon getrennt.
Und schließlich habe ich letzten April gekündigt und bin wieder mal umgezogen - meinem neuen Arbeitsplatz entgegen.
Reicht das?

diefrogg - 4. Sep, 10:34

@alle

Da klingt vieles mit: Stolz vor allem. Auch Müdigkeit. Doch wie war es, als ihr es getan habt? Wie habt Ihr Euch gefühlt?

steppenhund - 5. Sep, 00:14

Mich selber habe ich sicher nicht neu erfunden. Sonst fand ich es aber toll und ich war auch stolz darauf, wenn ich plötzlich etwas ganz anderes machen konnte. Es gab aber auch immer Leute in meiner Umgebung, die gesagt haben: Hans, Du kannst das. Selbst wenn ich da selbst gar nicht so überzeugt war zu dem Zeitpunkt.
Heute sehe ich es gelassener - ich kann wirklich fast alles:))))
chamäleon123 - 4. Sep, 11:15

ja. als ich mich nach der Geburt des Bären in der Annahme getäuscht sah, ich könne auch als Elternteil weithegend dieselbe Berufsfrau bleiben, einfach mit reduziertem Arbeitspensum (und entsprechend geschrumpftem Lohn, natürlich). Mein Schef belehrte mich eines Besseren und legte mir nah, ein völlig neues Leben anzufangen. Seither erfinde ich mich wöchentlich neu.
Und ich muss sagen: der Mann hatte recht. Die Realität ist eben kein Gleichstellungsbüro.

diefrogg - 4. Sep, 12:51

Im strengen Sinn...

Ist das natürlich nicht das, was ich gemeint habe. Und doch... Mutter werden ist wohl etwas ziemlich Gewöhnungsbedürftiges. Aber Sie haben Recht. Die Realität ist kein Gleichstellungsbüro. Was mit ein Grund ist, weshalb ich mich nie als Mutter neu erfunden habe.
Pia Fankhauser - 4. Sep, 18:50

Habs immer wieder getan. Berufe gewechselt, Studienrichtungen, Freunde, Wohnorte. War immer toll. Aber es hielt nicht an. Mein Fazit: Frau/mann nimmt sich immer mit. Aber ich machs wieder. Gehe vom komfortablen Haus in eine Bruchbude (wirklich!) und lasse meinen jetzigen Beruf Beruf sein. Überraschenderweise kann sich mein Partner damit anfreunden, aber ich würde es auch sonst tun.

la-mamma - 4. Sep, 19:44

ja und nein

neuen job (und zwar völlig neuen): fast dreimal ja - würd ich jederzeit wiedertun und bin auch stolz drauf.
neues leben in anderem land: hab ich zweimal ganz konkret entscheiden müssen - ich/wir sind nicht nach brasilien und nicht nach istanbul gegangen. (nach deutschland hätte(n) einmal ich/einmal wir zwar auch zweimal ziehen können/sollen - aber da war die ablehnung von vornherein klarer). bei den beiden anderen war es letztlich eine nicht wirklich gemeinsame entscheidung (ich wäre gern gegangen, er dann doch nicht). dabei ist bei uns die initiative - anders als bei dir vielleicht impliziert - ursprünglich von ihm ausgegangen. bei brasilien hatten wir noch kein kind, bei istanbul schon, das macht die sache natürlich auch komplizierter. manchmal stell ich es mir vor, wie es gewesen wäre wenn. zuviel drüber nachdenken mag ich nicht. schließlich ist es eben ein klassisches "hättiwari"-problem und die gedanken dazu fallen damit für mich eher unter sentimentale zeitverschwendung ... und um das ganze abzuschließen - nicht ich, sondern er hat dann tatsächlich jahre im ausland verbracht.

walküre - 4. Sep, 20:42

Neu angefangen habe ich mehr als einmal in meinem Leben. Mich selber neu erfunden hab ich allerdings kein einziges Mal, denn das wäre glatter Selbstbetrug gewesen.

diefrogg - 9. Sep, 19:00

Das glaube ich Ihnen gern...

Frau Walküre ;) Ich persönlich glaube, dass man sich in einem gewissen Sinne neu erfinden kann. Man kann Überzeugungen abstreifen, wenn sie einem zu eng werden und derlei mehr. Was man nicht kann: Seine eigenen Emotionen verleugnen.
Sun-ray - 5. Sep, 00:50

ja, hab ich gemacht - vor zwei jahren
ich wachte morgens auf und wusste:
berlin muss es sein.
dann ging alles ziemlich flink.
als ich herkam, kannte ich niemanden -
auch die stadt nicht.
job hatte ich keinen -
nur hoffnungen im handgepäck.
große hoffnungen sogar.

nach vier wochen kam großes entsetzen:
was hab ich nur getan?!?
aber da war es schon zu spät.
in die stadt hab ich mich gleich verliebt,
ansonsten kam dann aber erstmal
sehr lange durststrecke.
von den großen hoffnungen
hat sich keine erfüllt.
dafür hab ich aber ganz langsam
in beruflichem bereich fuß gefasst,
von dem ich nie und nimmer erwartet hätte,
dass ich jemals dort lande.
noch trägt es mich nicht ganz,
aber wenn nicht unverhofftes dazwischenkommt,
wird es das hoffentlich bald tun.
entspricht zwar nicht meinem traum,
aber macht spaß und sinn.
und das weiß ich mittlerweile sehr wertzuschätzen.

ob ich mich neu erfunden hab?
ich träumte davon - aber es war ein traum,
der mich, solange ich an ihm festhielt,
ziemlich handlungsunfähig gemacht hat.
andererseits hab ich mich neu erfunden -
in der weise, dass ich mich neu entdeckte.
und es hört nicht auf.
tut mir sehr gut.

was noch kommen wird, weiß allenfalls der himmel.
ich selbst rechne grundsätzlich mit
noch weiteren veränderungen -
örtlichen und/oder beruflichen.
aber mich kann und will ich
'nur' noch weiterentwickeln.

diefrogg - 9. Sep, 19:01

Schöne Geschichte...

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