23
Aug
2009

Seltsame Reisegewohnheiten

Mein englischer Freund Eagle Nose hat eine merkwürdige Art zu reisen. Er sammelt Länder. Als er uns im Herzen der Schweiz besuchte, preschte er einmal mit dem Auto zweieinhalb Stunden ostwärts und genauso lange wieder zurück. Nur, um zu Hause erzählen zu können, er sei in Liechtenstein gewesen.

Man kann Eagle Nose jederzeit fragen, wie viele Staaten er schon besucht hat. Er gibt stets eine präzise Antwort. Schliesslich liefert er sich mit einem seiner Brüder einen Wettkampf, wer mehr Länder besucht hat. Herr T. behauptet gar, in Eagle Nose's Büro hänge eine Weltkarte mit vielen roten Stecknadeln drin. Sie würden die Staaten bezeichnen, die er schon besucht hat.

Frau Frogg rümpft gern ein wenig die Nase über derartiges Gebahren. Beim Reisen, sagt sie, zählt die Intensität des Erlebten. Es zählt das Erlebnis der Sinne, es zählen Geschichten, Begegnungen. Reisen ist kein Wettkampf, sondern der Genuss von Weltreichtum. Oder allenfalls Forschung. Nur ein einziges Mal fühlte ich mich versucht, es Eagle Nose nachzutun: in Neum.

View of the sea

In Neum wünschte ich mir, eine Weltkarte und rote Stecknadeln zu haben. Denn Neum ist zwar nichts weiter als ein kleiner Ferienort an der dalmatinischen Küste. Aber er liegt nicht in Kroatien, sondern in Bosnien. Wer von Split nach Dubrovnik fährt, muss dort zweimal die Grenze überqueren: hinaus aus Kroatien ins bosnische Neum - und dann wieder hinein nach Kroatien.

Auf der Bushaltestelle von Neum machte unser Bus einen Kaffeehalt. So tranken wir ein Tässchen in Bosnien, schauten aufs Meer und warfen einen Blick in den Supermarkt bei der Bushaltestelle. Die Auslagen dort bestätigten sämtliche Balkan-Klischees: Da lag billiges Zeug, und zwar alles, von der Babydecke bis zur DVD.

Dann sahen wir auf dem Parkplatz den Linienbus, der aus Sarajevo kam.

Bus from Sarajevo

Und spätestens in diesem Moment erwachte bei der Frogg die Sehnsucht, mehr von Bosnien zu sehen. Nur eine rote Nadel in ein Land stecken zu können, reichte ihr nicht mehr. Eins wollte sie aber auch nicht: Als Touristin ein sicher in mancherlei Hinsicht noch kriegsversehrtes Land begaffen. Vielmehr möchte ich Bosnien auf die frogg'sche Art erkunden. Ich möchte die Landschaften dort entdecken und durchwandern. Ich möchte sehen, wie die Menschen dort ticken.

Aber bis das möglich ist, wird es wahrscheinlich noch eine Weile dauern. Das legt jedenfalls mindestens ein Buch nahe, das ich über die Region gelesen habe.

Klaglos stiegen wir in den Bus nach Dubrovnik. Dort begann zwei Tage später unsere Heimreise.

Tja. Und mit diesem Abstecher nach Bosnien endet das Epos von Herr T.s meiner Kroatien-Reise. Es gäbe noch mehr zu erzählen. Aber der Sommer ist bald vorbei. Andere Themen drängen.
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