kulinarische reisen

29
Jun
2013

Gastmahl des Meeres

Wir Schweizer glauben ja, unser Hochdeutsch sei in etwa gleich wie jenes der Deutschen - mal abgesehen vom Akzent, der uns in Deutschland sehr schnell verrät. Die Deutschen mokieren sich gern ein bisschen über diesen Akzent. Umgekehrt begegneten uns in Deutschland immer wieder sprachliche Phänomene, die wir in der Schweiz nicht kennen - und über die wir staunen. Oder über die wir uns ein bisschen mokieren. Jedenfalls machen sie uns klar, dass Deutschland eben doch anders ist als die Schweiz. Bald begann ich solche Wendungen zu sammeln und nannte sie Wörter des Tages. Gelegentlich waren es solche aus der ehemaligen DDR - aber nicht nur.

Herr Punctum lieferte das erste, als wir an unserem ersten Abend auf Fische zu sprechen kamen: Gastmahl des Meeres. So hiess in der DDR ungefähr das, was in der Schweiz heute pragmatisch, etwas protzig und Neudeutsch "Seafood Restaurant" heisst. Dagegen hat "Gastmahl des Meeres" etwas berührend Poetisches, ja Philosophisches. Waren doch Gastmähler die ganze westliche Kulturgeschichte hindurch Zusammenkünfte, bei denen Geist, Genuss und Gemeinschaftssinn sich - im besten Fall - zu einem kostbaren Ganzen verbanden. Dass solche Erlebnisse nicht der Intelligentsia vorbehalten sein sollten, finde ich im Grunde nicht verwerflich.



Allerdings scheint das Resultat gastronomisch nicht über jeden Zweifel erhaben gewesen sein, wie dieser Beitrag nahelegt. Offenbar lässt sich auch Gastlichkeit nicht staatlich verordnen. Hier und hier noch mehr über das Gastmahl des Meeres.

16
Feb
2013

Fastenzeit

Seit dem letzten Mittwoch ist in der kaholischen Welt theoretisch Fastenzeit. Es ist vorbei ist mit dem Genuss von Fasnachtschüechli, Schenkeli (Bild)


(Quelle: www.lemenu.ch)

und anderen Kalorienbomben aller Art, inklusive Schoggi.

Theoretisch. In der Praxis quellen im Supermarkt längst die Ostereili-Säckchen aus den Regalen.

Die 40-tägige Askese im Frühjahr soll ja eine spirituelle Wirkung haben: Der Verzicht soll den Menschen empfindsam machen für die österliche Offenbarung. Auch das Teilen ist in der Fastenzeit ein grosses Thema. Noch immer gibts in der Schweiz die violetten - ökumenischen - Fastenopfer-Tütchen, in die man in der Fastenzeit Geld für Soziales legen kann. Wahrscheinlich landen sie nicht nur im Hause Frogg im Altpapier.

Und doch bedient die Idee des Fastens zwei Bedürfnisse der modernen Europäerin: jenes nach schlankeren Hüften und jenes nach dem wohligen Gefühl, etwas für seine Spiritualität zu tun. Die Folge: Wellness-Fasten-Wochen und Saftkuren sind schwer im Trend und in verschiedenen Preisklassen zu haben.

Ich habe dem ganzen Fasten-Klimbim stets misstraut. Wegen meinem Hang zu ausladenden Hüften habe ich früher viel gefastet. Eine tiefere spirituelle Empfänglichkeit habe ich davon nie bekommen. Nur Hunger und zittrige Knie.

Dieses Jahr habe ich eine neue Theorie, weshalb die katholischen Kirchenväter in grauer Vorzeit das Fasten im Februar erfanden: Wahrscheinlich machten sie aus der Not eine Tugend. Ich meine: Im Februar muss früher sowieso Schmalhans Küchenchef gewesen sein. Die Vorräte gingen zur Neige, aber die Böden gaben erst im März etwas Neues her - und zwar höchstens Bärlauch und Löwenzahn. Ein Freund, der während der Rubel-Krise eine Sägerei in Russland reorganisierte, hat mir einmal erzählt: "Am meisten Särge bauen wir im Februar". Grund: "Gegen das Winterende gehen bei den alten Leuten das Feuerholz und die Lebensmittelvorräte aus. Weil sie nichts mehr zu essen haben, fehlt ihnen die Kraft, Feuerholz zu suchen. Dann erfrieren und verhungern sie.»

Das würde auch erklären, warum zum Fasten das Teilen gehörte: Was man noch hatte, sollte man den Bedürftigen geben, damit möglichst viele überlebten. Wenn ich heute lese, dass wieder Kinder in Südeuropa hungern, dann überlege ich mir, ob ich wenigstens die Idee des Teilens etwas näher betrachten sollte.

Was das Fasten betrifft: Am Mittwochabend hatte ich nach einem Schneespaziergang doch wieder ordentlich Lust auf Fettgebackenes. Ich freute mich, als Herr T. sein letztes Schenkeli mit mir teilte.

17
Sep
2012

Ein Bier-Beitrag

Auf meinen Spaziergängen sehe ich in diesen Tagen oft Hopfenblüten.



Natürlich: Die meisten Leute denken diesem Anblick zuerst an Bier. Ich nicht. Ich habe Bier nie gemocht. Ich habe ein schönes Glas Wein stets bevorzugt. Oder einen Schnaps. Mir ist die Hopfenblüte vielmehr ein Schlüssel zur literarischen Schatzkammer in meinem Oberstübchen. Deshalb wird dieser Beitrag eher schöngeistig als bierselig.

Mir fallen bei Anblick der Blüte immer die Geschichten von der Hopfenernte in England ein. Wer sich da allerdings pastorale Idyllen vorstellt, täuscht sich. Die Hopfenernte war vor allem für sozialkritische Schriftsteller ein Thema. Für Jack London. Oder George Orwell. Nicht zufällig, wie dieser Link zeigt. Er gewährt auch wieder mal Einblicke in die kulinarischen Kenntnisse von Grosseltern - diesmal von jenen Englands.

Während der Hopfenernte in Kent zogen Leute aus London in Scharen aufs Land. Für die Ärmsten der Stadt war die Hopfenernte Sommerferien-Ersatz. Selbst Penner hatten für eine Weile Lohn und Logis - allerdings beides hundsmiserabel.

Und ohne weiteres fällt mir dann auch jene grossartige Doku-Serie über die Strassen von London ein, von der ich neulich auf BBC 2 einen Teil gesehen habe. Wirklich, von sowas könnte sich das deutschsprache Fernsehen eine Scheibe abschneiden!

In einer Folge wird erzählt, wie im Sommer ganze Familien aus einer ärmlichen Strasse in Southwark nach Kent ins Hopfenlager zügelten. Schon kleine Kinder pflückten sich in den Gärten die Händchen kaputt.

Inzwischen gibt es in England kaum noch Hopfenfelder. Der Anbau lohnt sich nicht mehr.

Das alles ist ja nicht schön. Und es hat im Grunde nichts mit mir zu tun. Was die Frage aufwirft: Warum freut es mich trotzdem, dass der Hopfen mir den Schlüssel zur Kiste mit diesen Geschichten in die Hände? Warum schreibe ich sogar darüber?

Vielleicht nur, um mir zu beweisen, dass - gerade angesichts von Existenzängsten - auch ein reich mit Geschichtenkisten bestücktes Oberstübchen ein Asset ist.

14
Sep
2012

Was Grossmutter ass

"Iss nichts, was nicht auch Deine Grossmutter als Essen anerkannt hätte." Dieses Zitat ist momentan bei Lifestyle-Kolumnisten sehr en vogue. Es wird einem Michael Pollan zugeschrieben. Die Kolumnisten garnnieren es gern mit Angebereien über ihr Ratatouille aus handverlesenem Gemüse und ihr schönes Stück Rindfleisch. Sie erwarten wohl, dass ich beim Lesen beifällig lächle. Aber ich stosse jeweils nur trockenes Hohngelächter aus.

Ich meine: Ich weiss ja nicht, was Grossmutter Pollan so ass. Aber glaubt mir: Ich weiss, was meine Grossmutter ass. Meine Mutter hat es mir erzählt. Mit angewidertem Gesicht hat sie einmal ihren ersten Besuch auf dem Bauernhof ihrer Schwiegerelten in spe geschildert. "Auf der Winteregg war gerade Metzgete*", erinnerte sie sich. "Deine künftige Grossmutter stand am Herd und rührte in einem grossen Topf." Nun ist die alte Küche der Winteregg noch in meinen Kindheitserinnerungen Ort mit schmutzigen Fliesen.

Doch nicht daran störte sich meine Mutter. Sie störte sich am Inhalt des Topfs: "Ich blickte hinein und sah einen grossen Blutsee - vom frisch geschlachteten Schwein. Die Mutter rührte darin, und der See gerann langsam. UUUääähh!!!" Nie mehr rührte meine Mutter Blut- und Leberwürste an.


(Quelle: wl27www804.webland.ch)

Einen solchen Anblick gab es bei uns zu Hause nie.

Versteht Ihr jetzt, warum mir keiner mit solchem Geschwätz kommen soll, der sein Rindsfilet nicht selber aus dem toten Tier gepuhlt hat?

Klar, ich weiss: Pollan geht es vor allem darum, die Auswüchse der Nahrungsmittelindustrie zu geisseln. Ich weiss auch, dass ich Leser habe, die von gewissen chemischen Zutaten Magenbeschwerden bekommen. Ich möchte diesen Lesern keinesfalls davon abraten, das Kleingedruckte auf den Lebensmittel-Verpackungen ernst zu nehmen.

Ich möchte aber auch anmerken: Die Rate jener Menschen, die in den Industrieländern an Magenkrebs sterben, ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gesunken. Das ist hier belegt. Insgesamt ist unsere Ernährung also wohl eher gesünder geworden.

* "Metzgete" heisst in der Schweiz traditionell jener Anlass im Herbst, bei dem ein Fleischer auf den Bauernhof kommt und vor Ort ein Tier schlachtet - meistens ein Schwein.

7
Aug
2011

Schwarze Linsen

Gelegentlich will Herr T. seinen kulinarischen Horizont erweitern. Diesmal hat er sich von einem Rezept der Coopzeitung inspirieren lassen: "Linsensalat mit mariniertem Ziegenkäse".

Zur Coopzeitung muss man sagen: Sie ist die Kundenzeitung von Coop, einem der beiden grossen Lebensmittelhändler der Schweiz. Der andere ist die Migros. Die Coopzeitung ist ein Gratisblatt, und sie ist gross: Sie hat eine Auflage von 2,5 Millionen Stück. Damit ist sie ist die auflagenstärkste Zeitschrift der Schweiz. Sie liegt hierzulande in fast jedem Mittelschichts-Haushalt auf - wird aber im allgemeinen Mediengetöse wenig wahrgenommen. Eine stille Riesin.

Aber an all das dachten wir nicht, als wir am Samstagmorgen zu einer weitläufigen kulinarischen Exkursion aufbrachen. Wir fragten uns bloss: Wo kaufen wir den Anis, den wir für das Rezept brauchen? Und wo die schwarzen Linsen?




Eher zufällig landeten wir beim exklusiven Globus. Ich bin seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Ist mir zu teuer. Dabei kann man dort das Staunen lernen. Sie nennen die männlichen Kunden dort jetzt "Sir". Zum Beispiel in: "Nein, das haben wir nicht, Sir, tut uns leid." Oder habe ich mich vielleicht verhört? Ich muss sagen: Ich finde das gewöhnungsbedürftig. Es lässt mich an Casino-Kapitalismus denken.

Schwarze Linsen fanden wir jedenfalls nicht. Aber im Gestell mit den Linsen gab es eine verdächtige Lücke zwischen den grünen und den roten Linsen. Plötzlich erinnerte sich Frau Frogg: Nicht nur ist die Coopzeitung enorm auflagenstark. Die Rezepte darin erfreuen sich breitester Beliebtheit. Und das Rezept mit den schwarzen Linsen war sogar Nicht-Hobbyköchin Frogg aufgefallen. Es war auf einer Seite, die beim ziellosen Blättern wie von selber aufging. Der Absatz schwarzer Linsen muss diese Woche in der Schweiz sprunghaft gewachsen sein.

Wir suchten im Gewürz-Gestell den Anis. Und siehe da: Das zweitletzte Gläschen schnappte uns ein Paar in unserem Alter vor der Nase weg. Ich musste lachen und fragte die beiden: "Und wo haben Sie die schwarzen Linsen gekauft?"

Die beiden lachten auch und sagten: "Bei Coop!" Natürlich. Coop hat doch sicherlich die Zutaten für die Rezepte in der Coopzeitung!

In der kleinen Filiale im Bahnhof hatten wir allerdings Pech. "Schwarze Linsen finden Sie wahrscheinlich in der grossen Filiale an der Stadtmauer", sagte die Verkäuferin dort freundlich, aber bestimmt. Kein Sir.

Herr T. wird unseren Salat mit roten Linsen anmachen müssen.

14
Jun
2011

Hahn im Körbchen

"Güggeli im Chörbli"* ist im Restaurant Alpenblick in Muotathal Haus-Spezialität. Darüber war Frau Frogg zunächst nicht begeistert. Ich meine: Man geht ja nicht nur wegen landschaftlicher Schönheiten in die Berge. Sondern auch, um in Form zu bleiben. Klar, ich hätte einen Fitness-Teller haben können. Aber glaubt Meister-Kalorienzählerin Frogg: Fitness-Teller sind die reine Gesundheits-Heuchelei. Der Salat ist zwar meist leicht angerichtet. Aber fast immer gibts dazu richtige Kalorienbomben: reichlich Schweinefleisch, triefende Panaden oder mayonnäsige Tartare-Sosse.

Also lieber gleich mit Genuss sündigen und zum Güggeli greifen, sagte sich Frau Frogg.

Das Güggeli im Chörbli ist ein kulinarischer Anachronismus. Als Delikatesse galt das Gericht Mitte der Siebziger, als auch klein Moni Frogg es einmal zu essen bekam. Müsste ich zu Güggeli im Chörbli frei assoziieren, würden mir orange Tapeten, haarige Männerbrüste oder etwas in der Art einfallen:



Doch das Güggeli im "Alpenblick" gehört zu den fleischigen Vergnügungen, die man sich mehr als einmal in einem halben Leben zu Gemüte führen sollte. Der Korb ist innen diskret mit Metzgerpapier ausgelegt. Zuunterst lächelt ein See aus köstlicher Béarnaise-Sauce. Darin ruhen knusprig gebratene Poulet-Teile. Man isst zwangläufig mit den Fingern. Dazu gibts Pommes Frites und Maienfelder Wein.

Wir assen und bekamen gute Laune. Als eine Abteilung der lokalen Feuerwehr eintraf, wurde der Abend feuchtfröhlich. Und der Arm des Gesetzes reicht anscheinend nicht bis nach Muotathal: Stammgäste dürfen hier noch rauchen.

Wir gingen dann doch früh aufs Zimmer. Wir wollten ja am nächsten Tag beizeiten in die Berge.

Übrigens: Alles über unsere Wanderung auf die Silberen gibts jetzt bei Herrn T.

* Für österreichische Leser: Hendl; für Deutsche: Hähnchen im Korb

27
Mrz
2011

Bärlauch-Pesto Schweizer Art

1 Büschel Bärlauch
Salz, Pfeffer
1 oder 2 Esslöfel Baumnüsse
100 Gramm Sbrinz oder Greyerzer Käse
Olivenöl


Bildquelle: www.saison.ch

Den Bärlauch waschen, abtropfen lassen und in einen Mörser geben. Falls kein Mörser vorhanden ist, gehen auch eine solide Schüssel und ein Hammer. Das hintere Ende des Hammers zum Mörsern benützen, das Holz ist dort meist aufgerauht. Den Bärchlauch zünftig mörsern, dabei nach und nach Salz, Pfeffer und die Haselnüsse beigeben, mitmörsern. Den Käse in Stücke schneiden, mitmörsern. Olivenöl beigeben, bis ein schmackhafter, sämiger Brei entsteht. Den fertigen Pesto in Einmachgläser füllen. Am Schluss mit wenig Olivenöl übergiessen. So bleibt der Pesto länger haltbar.

Man kann das Zeug auch mit Pinienkernen und Parmesan machen. Aber Aqcua und ich sind unabhängig von einander zum Schluss gekommen, dass man selbst geernteten Bärlauch auch mit einheimischen Zutaten einmachen sollte.

Natürlich kaufe ich die Nüsse im Supermarkt - und sie stammten aus der Türkei. Und natürlich verwende ich schliesslich doch Oliven- und nicht Rapsöl. Aber wenigstens ansatzweise kann man es ja versuchen mit der kulinarischen Heimattreue, nicht?

Edit: Kann als Spaghetti-Sauce serviert werden: Dazu die Spaghetti nach dem Kochen in die Pfanne zurückgeben. Pro Person etwa zwei Teelöffel Pesto zugeben, gründlich rühren. Mit Reibkäse servieren.

20
Jul
2009

Vegetarierin in Venedig

Wir sitzen in der Trattoria al Mascaron. Das Lokal ist DER Touristen-Renner. Es steht in jedem Reiseführer, der etwas auf sich hält. Zu Recht: die Leckereien hier sind köstlich. Und kostspielig, aber das ist alles in Venedig. Es ist unser erster Abend. Herr T. haut hungrig in seine Leberchen mit Polenta, ich in meinen Tintenfisch in seiner eigenen Tinte. Nur schon die italienischen Wörter für diese Köstlichkeiten machen Spass: fegato, seppie, tinta.

Sie sitzt mit ihrem Neuen am Nebentisch. Dass er ihr Neuer ist, merkt man daran,dass sie einander nicht viel zu sagen haben. Sie stellen wahrscheinlich selber eben erst fest, dass sie im Grunde nicht zusammen passen. Aber sie wahrt noch den Schein. Wenn er etwas sagt, dann strahlt sie in süsslich an, als wäre er ein herziges Schosshündchen, das sie von einem lieben Bekannten zum Geburtstag bekommen hat.

Zum Kellner sagt sie mit einer unausstehlichen Mischung aus Sorge und Selbstbewusstsein: "I'm a vegetarian"

Der Kellner schaut sie mit einer Mischung aus 85 Prozent Missbilligung, 10 Prozent Verachtung und 5 Prozent Ratlosigkeit an. "Wer bei uns isst, hat zu essen, was auf den Tisch kommt! Ach, was sage ich 'essen"! Ich meine natürlich 'geniessen'!" sagt dieser Blick. Italiener sind Chauvinisten, wenns ums Essen geht. Meistens dürfen sie sich das erlauben.

Aber die Lady beharrt darauf. She's a vegetarian. Schliesslich bekommt sie als Vorspeise einen Teller verdure in Olivenöl serviert. Von denen tastet sie jeden Bissen mit Lippen und Zunge ab als wäre es Kaviar. Eine etwas überinszenierte Darstellung von Genuss. Bei uns weckt sie so etwas wie Schadenfreude. Wir hauen mit umso mehr Appetit in Fleisch und Fisch. Die Frau neben uns mag moralisch auf höherer Warte stehen als wir. Aber wir haben definitiv mehr vom Leben.

Als auch noch ein Teller mit Teigwaren und Hühnerfrikassee vor ihr landet, ("but she's a vegetarian!" lärmt ihr Beau empört den Kellner an) ist unser Abend perfekt.

Mir vergeht das Lachen erst, als der Kellner uns fragt, ob wir einen Kaffee wollen. Nein, ich will keinen Kaffee. Ich will irgendeinen Tee, keinen Schwarztee. Da trifft mich auch so ein Blick: 90 Prozent Missbilligung, 10 Prozent Verachtung, würde ich sagen.

8
Jan
2009

Hier gibts Schokolade

In den letzten Tagen haben wir das Thema Fisch aus kulinarischer und politischer Optik gründlich aufgearbeitet. Es wird Zeit, diese ernsten Diskussionen etwas zu versüssen: mit Schokolade. Oder vielmehr: Ragusa.


(Quelle: www.news.ch)

Für alle nichtschweizer Leser: Ragusa-Riegel gehören zum helvetischen Kiosk-Sortiment, seit ich mich erinnern kann. Sie schmecken auch prima. Nie hätte ich damit gerechnet, dass es sich bei diesem aus unserem Alltag nicht wegzudenkenden Schoggistengel um ein Ersatzprodukt aus dem Zweiten Weltkrieg handelt. Ist er aber: Er wurde 1942 als Pralinen-Ersatz erfunden. Erfinder war Camille Bloch, Gründervater der gleichnamigen Firma. Er konnte bei Kriegsausbruch in Moskau einen der letzten grösseren Brocken Schokolade erbeuten, die damals noch zu haben waren. Den streckte er mit Haselnüssen, so weit es überhaupt ging. Als er dem Produkt einen Namen geben wollte, muss er festgestellt haben, dass gerade alle Marketing-Berater im Aktivdienst waren. Benannt wurde das Ding jedenfalls umstandslos nach dem heutigen Dubrovnik. Dort verbrachten Blochs damals scheints ihre Sommerferien.

(Dieses Anekdötchen habe ich von Jürg Stadelmann).

4
Jan
2009

Dorschfilet nach Maxens Art

Zu Hause gabs bei uns nie Fisch. Naja, es gab hie und Fischstäbchen. Aber die kann man im Grunde nicht Fisch nennen. Denn Fisch, das war irgendwie zu gut für uns, lernten wir. Zu teuer. Und dann so schwierig zuzubereiten! Mutter Frogg war eben im Herzen eine Berufsfrau, genau wie ihre Mutter auch. Kochen betrachtete sie als lästige Pflicht. Als junges Mädchen versuchte ich dieses Defizit nach Kräften auszugleichen. Dabei konzentrierte ich mich aber eher auf Kuchen und Torten als auf Fleisch und Fisch. Und kaum erwachsen, entdeckte die Frogg ihr eigenes Herz für den Beruf. Fortan liess sie ihre Männer kochen.

Dieser Tage aber sagte ich mir: "Ich will jetzt Fisch zubereiten lernen!" Und dann stand ich in der Küche, und vor mir lagen zwei grosse, kalte Dorschfilets.



Hilflos schaute ich sie an. Ich wusste nicht, was ich mit ihnen anfangen sollte. "Unsere Familie hat mit Fischen eben doch nichts am Hut!" jammerte die Frogg. Doch dann fiel mir diese Geschichte ein, die Grossmutter Walholz, ledige Blötz, einmal erzählt hat.

Sie drehte sich um ihren Bruder Max, meinen Grossonkel. Zugetragen hat sie sich wohl während der frühen dreissiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals war meine Grossmutter, Gertrud Blötz, ein Kind. Ein Kind aus bürgerlichen Verhältnissen an sich. Doch das Unglück hatte ihr und drei Geschwistern in Gestalt einer hübschen, jungen Verkäuferin den Vater und Ernährer aus dem Haus geholt. Mutter Blötz war zu katholisch, sich scheiden zu lassen. Deshalb zahlte Vater Blötz auch keine Alimente. So war Schmalhans Küchenchef bei Blötzens.

Bruder Max war zwar noch zu klein, um Ernährer zu sein. Aber er reicherte die bescheidene Kost hie und da etwas an, indem er im nahen Flüsschen verbotenerweise Fisch fing. Eines Tages sei er wieder mit zwei schönen Albeli* ins Haus gekommen. Die sehen auf freier Wildbahn so aus:


(Quelle: http://www.4waldstaettersee.ch)

Mutter Blötz war gerade dabei, den Küchenboden feucht aufzunehmen und hatte Lappen und Feger in eine Ecke gestelt. Aus dem Fenster sah sie, dass zwei Männer ihrem Sohn folgten. Es waren Ordnungshüter.

Sie klopften an Frau Blötzens Tür und sagten: "Wir glauben, dass Ihr Sohn verbotenerweise gefischt hat. Können wir hereinkommen?" Grossmutter nickte schreckensbleich und liess die beiden Männer in die Küche. Dort sahen sie sich prüfend um. Sie fanden nichts und gingen wieder. Als sie weg waren, wirklich weg, nahm Mutter Blötz die Fische unter dem Putzlappen hervor, wo sie sie versteckt hatte. Sie war sonst die Rechtschaffenheit in Person. Ob er Hunger sie zur Gaunerin machte oder das Bedürfnis, ihren Sohn zu schützen, werden wir nie wissen.

Jedenfalls gab es im Hause Bötz köstliches Albeli-Znacht. Es gab also jemanden in unserer Familie, der Fisch zubereiten konnte! Es gab sogar jemanden, der ihn fangen konnte!

Beflügelt von dieser Erkenntnis machte ich mich auf die Suche nach einem Kochbuch und fand unter Herrn T.s Kochbuch-Schätzen Betty Bossis "Vielseitige Fischküche". Und siehe da: Darin gab es ein Rezept, für das ich fast alle Zutaten im Haus hatte. Ich kochte es zu Ehren von Onkel Max und seiner Mutter. Hier das Rezept, leicht abgewandelt:

400 g Dorschfilets in Würfel schneiden

3 dl saurer Most (auch Apfelwein),
etwas frischer Ingwer, gerieben,
3 Pfefferkörner, zerdrückt
einen halben Teelöffel Salz zusammen aufkochen und fünf Minuten köcheln, absieben, wieder in die Pfanne geben.

1 mittelgrossen Selerie halbieren und scheibeln und fünf Minuten köcheln
2 rote Äpfel, ungeschält, in Schnitte schneiden, beigeben und ca. 5 Minuten mitköcheln. Dann Äpfel und Sellerie herausnehmen, abgetropft warm stellen.

Fischwürfel in den Sud geben, kurz und auf kleinem Feuer ziehen lassen. Dann herausnehmen und warm stellen.

Dann die Sauce zubereiten:
1,5 dl Pochierflüssigkeit und
1,5 dl Rahm zusammen aufkochen
salzen, pfeffern

Alles zusammen mit Trockenreis servieren.

*Für Acqua: Ja, genau, Albeli sind Balchen!
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