14
Sep
2012

Was Grossmutter ass

"Iss nichts, was nicht auch Deine Grossmutter als Essen anerkannt hätte." Dieses Zitat ist momentan bei Lifestyle-Kolumnisten sehr en vogue. Es wird einem Michael Pollan zugeschrieben. Die Kolumnisten garnnieren es gern mit Angebereien über ihr Ratatouille aus handverlesenem Gemüse und ihr schönes Stück Rindfleisch. Sie erwarten wohl, dass ich beim Lesen beifällig lächle. Aber ich stosse jeweils nur trockenes Hohngelächter aus.

Ich meine: Ich weiss ja nicht, was Grossmutter Pollan so ass. Aber glaubt mir: Ich weiss, was meine Grossmutter ass. Meine Mutter hat es mir erzählt. Mit angewidertem Gesicht hat sie einmal ihren ersten Besuch auf dem Bauernhof ihrer Schwiegerelten in spe geschildert. "Auf der Winteregg war gerade Metzgete*", erinnerte sie sich. "Deine künftige Grossmutter stand am Herd und rührte in einem grossen Topf." Nun ist die alte Küche der Winteregg noch in meinen Kindheitserinnerungen Ort mit schmutzigen Fliesen.

Doch nicht daran störte sich meine Mutter. Sie störte sich am Inhalt des Topfs: "Ich blickte hinein und sah einen grossen Blutsee - vom frisch geschlachteten Schwein. Die Mutter rührte darin, und der See gerann langsam. UUUääähh!!!" Nie mehr rührte meine Mutter Blut- und Leberwürste an.


(Quelle: wl27www804.webland.ch)

Einen solchen Anblick gab es bei uns zu Hause nie.

Versteht Ihr jetzt, warum mir keiner mit solchem Geschwätz kommen soll, der sein Rindsfilet nicht selber aus dem toten Tier gepuhlt hat?

Klar, ich weiss: Pollan geht es vor allem darum, die Auswüchse der Nahrungsmittelindustrie zu geisseln. Ich weiss auch, dass ich Leser habe, die von gewissen chemischen Zutaten Magenbeschwerden bekommen. Ich möchte diesen Lesern keinesfalls davon abraten, das Kleingedruckte auf den Lebensmittel-Verpackungen ernst zu nehmen.

Ich möchte aber auch anmerken: Die Rate jener Menschen, die in den Industrieländern an Magenkrebs sterben, ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gesunken. Das ist hier belegt. Insgesamt ist unsere Ernährung also wohl eher gesünder geworden.

* "Metzgete" heisst in der Schweiz traditionell jener Anlass im Herbst, bei dem ein Fleischer auf den Bauernhof kommt und vor Ort ein Tier schlachtet - meistens ein Schwein.

Trackback URL:
https://froggblog.twoday.net/stories/142785601/modTrackback

walküre - 14. Sep, 12:19

Das Zitat ist so nicht ganz korrekt, denn sinngemäß geht es darin nicht darum, ob unsere Altvorderen etwas als Essen ANerkannt hätten, sondern darum, ob sie es überhaupt als solches erkannt hätten, was in meinen Augen einen nicht unwesentlichen Unterschied darstellt. Und dabei geht es eben auch nicht beispielsweise um exotische, vor hundert Jahren hierzulande noch unbekannte Früchte, sondern um Halbfertig- und Fertigprodukte (Michael Pollan ist Amerikaner, und dort ist das Angebot an Convenience-Food bekanntlich noch viel größer als hierzulande).

Ich weiß übrigens auch selber, wie man Blut- und andere Würste zubereitet. :-)

Was das Thema "Regionalküche" angeht, so finden sich ja durchaus sehr interessante Unterschiede; Fleisch auf dem Teller bedeutete dort, wo ich herkomme, Wohlstand. Fisch wurde mit Skepsis betrachtet, Gemüse war kein großes Thema, und Salat war Hasenfutter, nicht mehr und nicht weniger. In anderen Gebieten wurde Fisch nicht nur zur Fastenzeit bevorzugt, und weiter südlich stellte Gemüse eine Normalität in jeder Küche dar ...

Hier übrigens meine Buchbesprechung:
http://walkuere.twoday.net/stories/6227078/

diefrogg - 14. Sep, 13:32

Danke, Frau Walküre!

Wusste ich doch, dass dieser Beitrag für Diskussionsstoff sorgen würde! Nun ist es so, dass ich Pollan nicht gelesen habe - bestimmt ist das ein sehr empfehlenswertes Buch, und in diesem Punkt erkenne ich Ihre Themenhoheit neidlos an. Dass Frau Walküre weiss, wo die Blut- und Leberwürste herkommen, hatte ich doch vermutet ;)

Was den Unterschied zwischen "erkennen" und "anerkennen" betrifft: Im Original heisst es wohl "recognized" - was (glauben Sie in diesem Punkt der Anglistin, bitte!) beides heissen kann.

An diesem Punkt muss ich die Sache leider für zwei Tage auf sich beruhen lassen - ich verreise gleich.

Sollten Sie aber noch Lust haben zu antworten: Gerne!

Was ich mit dieser Geschichte zu sagen versucht habe, ist im Grunde nur dies: Viele von uns Heutigen wissen im Grunde wenig über das Leben und die Essgewohnheiten unserer Grosseltern. Statt fiktive Ahnen zu bemühen, verlasse ich mich deshalb lieber auf meinen eigenen Instinkt und meine Lesefähigkeit (auch ich lese das Kleingedruckte auf Nahrungsmittelverpackungen).

Und was ich unbedingt noch loswerden wollte: Ich selber habe meine Grossmutter väterlicherseits nie gekannt. Sie starb im zarten Alter von 56 - an einem Hirnschlag. Selbst mein Vater meint, das könnte damit zu tun gehabt haben, dass man - wenn überhaupt Fleisch - auf der Winteregg (wie überall in der ländlichen Schweiz) meistens Schweinefleisch ass.

Dabei war sie nicht einmal übergewichtig, meine Grossmutter. Im Gegenteil: Letzte Bilder von ihr zeigen sie als ausgemergelte, vom Leben schwer gezeichnete Frau. Das Leben war hart damals. Das ist es, was die Lifestyle-Kolumnisten von heute gern vergessen - oder nicht einmal ahnen. Das ist es, was mich im Grunde ärgert.
walküre - 14. Sep, 16:39

Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen bzw. was Sie ärgert.

Das Buch habe ich nur in der deutschen Übersetzung gelesen, und dort steht eben "erkennen", was mir auch sinnvoller scheint, weil es begrifflich mit dem Thema "praktische Lebenserfahrung" verbunden ist, wohingegen man etwas (nicht) anerkennen kann, auch wenn man davon nicht die geringste Ahnung hat. Ich verstehe Mr. Pollan sehr gut, denn wenn man heute manche Fertiggerichte ansieht, fragt man sich ernsthaft, ob das Zeug in anderer Verpackung auch als Tierfutter verkauft wird, ganz zu schweigen von jenen Produkten, die eigentlich aussehen wie eine Mischung aus Küchenabfällen.

Dass nur wenige Menschen heute wissen, was unsere Altvorderen gegessen haben, sofern sie armuts- und kriegsbedingt überhaupt etwas zu essen hatten, steht auch für mich außer Frage, denn auch wenn es Kochbücher aus der damaligen Zeit gibt, heißt das noch lange nicht, dass die Zutaten für die dort enthaltenen Gerichte auch für das Gros der Menschen erschwinglich waren. Von meinem Vater, einem Kind bettelarmer Taglöhner, weiß ich beispielsweise, dass er und seine Geschwister manchmal schon froh waren, wenn sie bei einem Bauern einen Krautkopf erbetteln konnten.
diefrogg - 17. Sep, 12:10

Ja, den Unterschied...

zwischen "erkennen" und "anerkennen" verstehe ich. Wahrscheinlich ist Ihre Wortwahl im Deutschen tatsächlich geschickter. Zumal ja für real existierende Grosseltern oft die Losung gilt/galt: "Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht" ;)

Auch Ihrer Bemerkung zum Tierfutter pflichte ich bei - wobei dieser Eindruck meiner Beobachtung nach auch damit zu tun hat, dass das Angebot an Tierfutter in unseren Supermärkten dekadent ist. Es widert mich an, dass es Katzenfutter in 12 verschiedenen Sorten gibt (durchaus als Luxus-Ware vermarktet), so lange irgendwo auf der Welt Menschen verhungern.
Rockhound - 14. Sep, 13:09

Meine Grossmutter hat auch Sachen gegessen, die ich persönlich als nicht essbar deklarieren würde. Ich esse keine Metzgete und auch keine Söischnörrli oder Rindszunge, weil ich es vom Geschmack und von der Konsistenz einfach nur eklig finde.

Ich bin aber überzeugt davon, dass meine Grossmutter die Älplermagronen aus der Mikrowelle verabscheuen würde, die ich ab und an esse. (Ja, ich gestehe!) Mir scheint, das Zitat "Iss nichts, was nicht auch Deine Grossmutter als Essen anerkannt hätte." bedeutet nicht, wir sollen dasselbe essen, was unsere Grosseltern gegessen haben, sondern uns überlegen, ob das was wir essen, unsere Grosseltern auch essen würden.

Aber egal, es hat sich in Sachen Ernährung viel verändert in den letzten 50 Jahren und Weisheiten von damals sind heute wiederlegt. Das heisst aber nicht, dass die heutigen Weisheiten und Studien unbedingt stimmen.

Meine Philosophie geht anders. Ich esse nur das, was meinem Magen keine Schwierigkeiten macht. Nicht immer deckt sich das mit der heutigen Ernährungswissenschaft. Ich glaube halt, jeder Mensch ist ein Individuum und man kann nichts verallgemeinern und deshalb ist die Diskussion darüber was gesund ist und was nicht eigentlich unnötig. Jeder sollte das für sich selber wissen und auch entscheiden können. Und wer gerne Blutwurst hat, soll diese essen, aber auch akzeptieren, dass ich nicht mitesse.

diefrogg - 14. Sep, 13:34

Meine, Rede,

Frau Rockhound! Meine Rede! Wobei es mir nicht mal so sehr um die Innereien geht - wer Fleisch ist, sollte im Grunde Innereien nicht verschmähen - man kann ja aus Anstand zum geschlachteten Tier im Grunde nicht nur das Filet essen und den Rest wegschmeissen.

Aber das mit dem eigenen Instinkt: ganz genau!
Eugenie Faust - 14. Sep, 13:38

Das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, ist allerdings gestiegen, von anderen Darmkrankheiten aufgrund von Unverträglichkeiten ganz zu schweigen.

Rockhound - 15. Sep, 09:09

Bei mir in der Familie hatten schon einige Leute Dickdarmkrebs. Wenn ich das also bekomme, wer sagt mir, ob es nun vererbt ist, oder weil ich "was Falsches" gegessen habe? Oder vielleicht liegt es ja an den vielen AKW's in der Umgebung, die strahlen, obwohl Vater Staat sagt, sie täten dies nicht.

Nichts mehr zu essen aus Angst, es könnte krank machen, ist ja auch nicht unbedingt sinnvoll. Da esse ich lieber abwechslungsreich und alles was ich mag. Sterben werde ich sowieso eines Tages. Dann will ich aber sagen können, dass ich gelebt habe - und zwar ohne diese Scheissängste, die heutzutage rundherum gerne verbreitet werden.
diefrogg - 17. Sep, 09:49

Der Link,

den Sie angeben, Frau Faust, enthält auch eine These, warum mehr Leute Darmkrebs haben als früher: weil wir als Kollektiv zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse und Früchte zu uns nehmen. Das scheint mir durchaus plausibel. Ich selber esse wenig Fleisch, verschmähe aber auch mal ein Stück Wurst oder ein paar Ravioli nicht (die sind notorisch für die dubiose Konsistenz der Fleischfüllung). Aber täglich Fleisch essen - nein, das könnte ich wohl nicht.

Auch hier gilt wohl: Man folgt am besten seinem Instinkt.
Falkin - 17. Sep, 07:09

Ich denke, dass zu Großmamans Zeiten noch ein anderer Zugang und Bezug zu Lebensmitteln bestand, liebe Frau Frogg. Es waren harte Zeiten, in denen eine Scheibe mit guter Butter einen bereicherten Tag kennzeichnete. Da wurde das Huhn bis hin zur Kralle ausgeschlachtet. Heutzutage endet das Bewußtsein um die Putenbrust an den Klippen der Tiefkühltheke des Supermarktes, wachsen Frikadellen möglicherweise an Sträuchern, fehlt das Bewußt-Sein um die Zusammenhänge. Sich an der Stelle zu sensibilisieren geht bei mir nicht zwangsläufig mit jener organischen ehedem aus der Not geborenen Müllverwertung einher. Ich werde mein Huhn niemals selber schlachten, seine Federn nicht rupfen und weder in mein Haupthaar noch in mein Kissen stopfen. Ich werde keinen Innereien pürieren, weil ich schlechten-zeiten-technisch bedingt mangelernährt bin und diese kalourienhaltig. Auch weigere ich mich Sehnen und Speckscharten aus diesem Grunde zu essen, oder diese zu Gitarrensaiten zu verarbeiten. Ich kann mich ver-weigern, weil die Fülle und der Wohlstand, aus dem die heutige Zeit sich er-schöpft, diese Dekadenz möglich macht. Und ehrlich gesagt, bin ich froh darüber.

...was Ernährung anbelangt, folge ich dem Gespür des Körpers, der mir offensichtlich durch Heißhunger und Appetit kennzeichnet, worin Zufuhr-Bedarf besteht. Und so bin ich Zeit meines Lebens von jedwelchen Mangelerscheinungen frei gewesen, obwohl ich mich gemessen an Ernährungs-Guru-Empfehlungen in Gänze ungesund ernähre... wenn mich der "Hiep" überkommt und eine ganze Tafel Kinderschokolade genußvoll mit meinen Magensäften verschmilzt, oder ich zwei Wochen hintereinander ausschließlich kartoffelsalat zu mir nehme. Für mich zählen die Ergebnisse: keine Mangelerscheinungen und problemlos-stabiles Gewicht seit 24 Jahren.

Meiner Großmutter würden die langen, schneeweißen Haare ausfallen über meine Essgewohnheiten,.. die vom Lust-und-Laune-Prinzip bestimmt...und nicht wie bei ihr einem strengen Tages-Essens-Plan folgen... um exakt 7:00 Uhr Frühstück, um exakt 12:00 Uhr Mittag-essen, um exakt 14:30 Uhr Kaffee und Kuchen und um exakt 18:00 Uhr das Abendbrot. Die inviduelle Wahrheit liegt i-wo zwischen enggeschnürtem Essenszeit-korsett und im Vorbeihasten inhalierter Fast-Food. Glaube ich. Habe aber eigentlich überhaupt keine Ahnung von dem Thema, ...indes eine Meinung zu Großmamans Essensverwertung. ;)

...Ihren Kommentar, liebe Frau Frogg, habe ich gelesen, indes noch nicht beantwortet, da die Antwort sich in mir erst zusammensetzt und die Worte noch trudeln wie Erdpartikel in einem durch einen Stein aufgewühlten Gewässer.

Es grüßt herzlich,
die Mauerfalkin aus Glas*
robustem Glas!

diefrogg - 17. Sep, 09:38

Sie Glückliche!

Dass Sie nach dem Lust-und-Laune-Prinzip zu jeder Tages- und Nachtzeit essen können (und dabei auch kein Übergewicht zulegen) ist eine schöne Sache.

Bei mir ist das anders - im Moment muss ich regelmässige Mahlzeiten zu mir nehmen, damit meine Ohren einigermassen funktionieren. Allerdings muss ich sagen: Das tut mir auch sehr gut. Körperlich fühle ich mich heute oft sehr viel wohler als früher, als ich meinte, hungern zu müssen.

Edit: Und sehr herzlichen Dank für Ihren Link zu gläsernen Falkinnen-Schloss! Eben habe ich mir kurz Zeit genommen, das richtig durchzulesen. Dieser dunkle Kindheits-Moment hat mich sehr berührt. Auch Ihre Kindheit kannte also diese Flucht in bessere Welten. Meine Kindheit kannte sie zum Glück nicht. Meine Jugend schon. Auch bei mir hat das Buch die Wegweiser dorthin wieder gezeigt.
Falkin - 20. Sep, 08:58

...im gehetzten Vorbeiflug hinzutiriliert: nun, ich esse schon regelmäßig, allerdings ohne dabei auf die Uhr zu schauen, oder kalourien zu achten und nach dem Lust-Prinzip. Was ich mir indes auch erst nach einer langjährigen Magersucht mühsam erarbeitete... die entspannte Haltung zum Essen ;)

...um Missverständnissen vorzubeugen, wertgeschätzte Frau Frogg: ...meine Kindheit war eine wunder- und liebevolle, gehütete. Diese Assoziationen, die sich zu "Schloss aus Glas" aus den Untiefen der Seelengewässer hochblubbern sind fiktiv und ich versuche diese im Wachbewußtsein eingefangenen Traumbilder noch auf Mitteilungsgehalt zu entschlüsseln. Bislang ergebnislos. Meine Jugend dagegen war ein blutiger Feldzug. Grausam, an welch scharfen Klippen mein Selbst sich häutete. Sei.s drum: ich habe es überlebt.;)

(...und i-wie scheinen sich die Synchronizitäten zu verdichten. Geahnt hatte ich es bereits... ;)
steppenhund - 17. Sep, 08:44

An den Inhalten in den Kommentaren und auch im Artikel selbst habe ich hier überhaupt nichts auszusetzen.
Aber entweder bin ich ein verwöhnter Fratz oder irgendetwas ist spurlos an mir vorbei gegangen.
ich bin ja alt genug, dass ich behaupten kann, das meine Großmutter (mütterlicherseits, an die andere kann ich mich nicht erinnern, denn die ist gestorben als ich drei war) zu den ältesten Großmüttern gehört hat, die hier von zeitgenössischen Bloggern ins Treffen geführt werden können.
Jetzt muss ich als kleine Zwischeninformation einen Spruch anführen, den man über die Wiener sagt. "Ein Wiener ist nur dann ein Wiener, (gendermäßig hat man sich da nichts angetan) wenn wenigstens die Großeltern aus Böhmen oder Mähren stammen.
Diesbezüglich bin ich ein reinstrassiger Wiener, der dazu noch in Linz geboren ist, ein Edelwiener sozusagen.
Jetzt ist die böhmische Küche ja nicht nur bekannt sondern sie hat sich in den Gerichten fortgesetzt, für die die Wiener Küche bekannt ist.
-
Und meine Großmutter war eine hervorragende Vertreterin. Nicht der böhmischen sondern der mährischen Küche, Wagstadt lag im Sudetenland.
Und was da auf den Tisch kam, war erstklassig. Da gab es eine fantastische geröstete Leber, deren Rezept ich leider verloren habe. Ein einziges Mal hatte ich sie selbst noch nach dem Rezept, dass meine Mutter aufgeschrieben hatte, gebraten. Aber irgendwas fehlt mir jetzt bei der Sauce, da muss ich noch experimentieren. Die geröstete Leber gab es mit Griess.
Natürlich waren Beuschl, Hirn oder Nierenbraten im Menüportfolio vorhanden. Die Zubereitung von Geflügel, insbesonders die Weihnachtsgans war eine Geschichte für sich. Das habe ich schon einmal beschrieben.
Es geht also vielleicht nicht so sehr, was die Großmutter erkennt oder anerkennt, sondern um die Mühe, die man der Zubereitung angedeihen lässt.
Es gab eine Zeit, da hatten wir zwei Mikrowellenherde. Einen hatte ich einmal gekauft, den anderen von meinen Eltern geerbt. Beide standen in Brunn, wo ich seit 21 Jahren wohne, nie in der Küche sondern verrotteten im Keller, bis sie kürzlich in der Mistmulde landeten.
Es sind nicht einmal die Fertiggerichte selbst, die so zu verurteilen sind, sondern eine Lebenshaltung, die sich für die Essenszubereitung nicht mehr ausreichend Zeit nimmt. Die Zeit brauchen wir, um die Autos abzuzahlen.
Ich denke aber auch, dass die Unterschiede zwischen Amerika und Europa noch sehr groß sind. Leider werden sie kleiner, wenn die EU damit durchdringt, dass es nur mehr Bauern geben darf, die Flächen bewirtschaften, die größer als 200 Hektar sind. Das wäre in Österreich unmöglich.
Ich bin aber froh, dass wir zur Zeit in Österreich noch fantastische Nahrungsmittel bekommen können, wenn wir Saison und Herkunft beachten.

Falkin - 17. Sep, 09:02

die Zeit ist wirklich ein Schlüsselwort. Durch meine Krankschreibung zwangsläufig zur Unproduktivität verdammt, ersann ich Beschäftigungen, denen nachzugehen ich vermochte. Das Kochen gehörte dazu. Auskramen uralter Rezepte, stundenlang am Herd zaubern. Was ich übrigens als sehr magisch und bereichernd emp-fand. Erpel und Puberküken begrüßten es..und das gemeinsame Essen erhielt eine ganz andere Tiefe, oder richtiger wandelte vom profanen Essen zu einem kleinen "Ritual". Mal randbemerkt.
diefrogg - 17. Sep, 09:42

Könnte es sein...

Herr Steppenhund, dass Ihre Grossmütter einem anderen Milieu entstammten als meine?

Und @ Frau Falkin: Ja, das ist eine Segnung regelmässiger Mahlzeiten in Gesellschaft - das Glück, zusammen etwas Gutes zu sich zu nehmen! Ein Glück, das unserer Zeit verloren zu gehen droht. Ich weiss nicht, ob Herr Pollan auch daran gedacht hat.
steppenhund - 17. Sep, 10:04

Also reich waren die nicht, weder in Wagstadt noch als sie nach Wien kamen.
Allerdings hat sich dann beim Großvater bis zum Werkmeister bei Steyr hochgearbeitet.
In der Nachkriegszeit wurde gehamstert und prinzipiell war meine Großmutter sehr sparsam und fast geizig.
Ich weiß nicht, ob das die Frage beantwortet. Aber Pollan unterscheidet ja auch nicht nach Großmutter und Großmutter.
Die Sudetendeutschen galten aber allgemein als sehr fleißig und gleichzeitig (leider auch) als sehr große Materialisten.
Deswegen haben sich die, welche ins Schwabenland ausgewandert sind, ja auch besonders gut behaupten können.
-
Ich möchte aber soweit gehen, dass Großmütter ganz allgemein für ihre gute Küche bekannt waren, das galt nicht nur für meine. Da den Frauen damals eine Karriere verbaut war, bewiesen sie sich dort, wo man sie ließ.
Kleiner bösartiger, nicht ganz ernst gemeinter Seitenhieb: seit sich die Frauen lieber mit Betriebswirtschaft und Publizistik abgeben, gibt es auch viel mehr berühmte Köche als Köchinnen:)
diefrogg - 17. Sep, 10:25

Ja, eben,

Herr Steppenhund: Das ist genau der Unterschied zwischen Ihren Grossmüttern und meinen. Meine beiden Grossmütter trugen durch Arbeit ausser Hauses zum Einkommen ihrer Familien bei. Die eine auf dem Bauernhof. Die andere schmiss die Bäckerei meines Grossvaters.

Die feministische Forschung stellt einen grossen Unterschied zwischen den Interessen der bürgerlichen und der proletarischen Frauen im 19. Jahrhundert fest: Die bürgerlichen Frauen kämpften darum, Erwerbsarbeit leisten zu dürfen. Die proletarischen Frauen darum, keine Erwerbsarbeit mehr leisten zu müssen. Dieser Unterschied dürfte sich bis weit ins 20. Jahrhundert gehalten haben.

Wobei meine Grossmütter nicht proletarische, sondern bäuerliche, bzw. kleinbürgerliche Frauen waren. Aber das Resultat war dasselbe: Wenn von den Kochkünsten meiner Grossmütter die Rede ist, habe ich keinen Anlass in Schwärmerei auszubrechen - und das hatte seine Ursachen nicht im Können meiner Grossmütter, sondern in der Ökonomie.
steppenhund - 17. Sep, 10:28

Da besteht natürlich ein Unterschied. Der Fehler liegt nur in der Verallgemeinerung, welche der Herr Pollan unterstellt, wenn er von DER Großmutter spricht.
diefrogg - 17. Sep, 11:59

Ja, darauf...

können wir uns wohl einigen ;)
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