Die Frau in Rot
Es war ein Apero mit Dutzenden sympathischen Menschen. Von denen ich leider - ausser dem Geburtstagskind - keinen einzigen kannte. Früher hätte ich in einer solchen Lebenslagen schnell jemanden kennen gelernt. Ich hätte mich gut amüsiert, dem Sekt ordentlich zugesprochen und wäre fast als Letzte nach Hause gegangen.
Und eigentlich habe ich partymässig Nachholbedarf. Im vergangenen Jahr habe ich ja zeitweise wie eine Einsiedlerin gelebt. Aber gestern Abend tat sich in mir plötzlich ein bodenloser Abgrund von Müdigkeit auf. Ich konnte nur noch an die anderthalbstündige Heimreise denken, die Herrn T. und mir bevorstand.
Aber es gibt immer einen Moment, eine Person, die die Party rettet. Diesmal war es die Frau in Rot. War es scharlachrot?
Oder zinnoberrot?
Oder karminrot?
Ja, ich glaube, es war karminrot. Jedenfalls trug sie einen roten Lippenstift, rote Ohrringe und eine rote Jacke. Alles im selben Ton, der wunderbar zu ihrem blassen Teint passte. Und als Kontrast eine grüne Mütze. Eine eigensinnige Aufmachung. Sie war jung und brachte von draussen einen Hauch frische Zürcher Oberländer Luft herein. Der Gastgeber servierte gerade einen Teller Austern. Sie war eine der ersten, die probierten. Ein paar von uns standen neugierig um sie herum. Die meisten von uns hatten noch nie Austern gegessen. Sie löste das Fleisch sorgfältig mit der Gabel, schlürfte die Muschel aus. Dann schüttelte sie sich ausgiebig von oben bis unten.
"Also, man muss einfach fest dran denken, dass Austern ein totales Luxusgut sind", empfahl sie mit verzogenem Gesicht.
Später probierte ich auch eine. Um ehrlich zu sein: Es schmeckte, als habe man die arme Kreatur in einem brackigen Hafen von einem alten Böötliboden gekratzt.
"Na, wie wars?" fragte die Frau in Rot.
"Naja, Venus soll ja aus so einem Ding geboren sein", sagte ich, "Aber ich möchte lieber nicht so genau wissen, wie man das nennt, was sie darin zurückgelassen hat."
Zehn Sekunden lang waren wir Freundinnen.
Und eigentlich habe ich partymässig Nachholbedarf. Im vergangenen Jahr habe ich ja zeitweise wie eine Einsiedlerin gelebt. Aber gestern Abend tat sich in mir plötzlich ein bodenloser Abgrund von Müdigkeit auf. Ich konnte nur noch an die anderthalbstündige Heimreise denken, die Herrn T. und mir bevorstand.
Aber es gibt immer einen Moment, eine Person, die die Party rettet. Diesmal war es die Frau in Rot. War es scharlachrot?
Oder zinnoberrot?
Oder karminrot?
Ja, ich glaube, es war karminrot. Jedenfalls trug sie einen roten Lippenstift, rote Ohrringe und eine rote Jacke. Alles im selben Ton, der wunderbar zu ihrem blassen Teint passte. Und als Kontrast eine grüne Mütze. Eine eigensinnige Aufmachung. Sie war jung und brachte von draussen einen Hauch frische Zürcher Oberländer Luft herein. Der Gastgeber servierte gerade einen Teller Austern. Sie war eine der ersten, die probierten. Ein paar von uns standen neugierig um sie herum. Die meisten von uns hatten noch nie Austern gegessen. Sie löste das Fleisch sorgfältig mit der Gabel, schlürfte die Muschel aus. Dann schüttelte sie sich ausgiebig von oben bis unten.
"Also, man muss einfach fest dran denken, dass Austern ein totales Luxusgut sind", empfahl sie mit verzogenem Gesicht.
Später probierte ich auch eine. Um ehrlich zu sein: Es schmeckte, als habe man die arme Kreatur in einem brackigen Hafen von einem alten Böötliboden gekratzt.
"Na, wie wars?" fragte die Frau in Rot.
"Naja, Venus soll ja aus so einem Ding geboren sein", sagte ich, "Aber ich möchte lieber nicht so genau wissen, wie man das nennt, was sie darin zurückgelassen hat."
Zehn Sekunden lang waren wir Freundinnen.
diefrogg - 19. Jan, 17:16
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