in frogg hall

24
Sep
2008

Herr T. und das Internet

Herr T. verbringt oft Tage und Nächte in seinem Zimmer, verschanzt hinter Bergen unerledigter Post und den Deckeln seiner beiden Laptops. Ich weiss nicht recht, was er da so treibt. Denn man hört dann aus seinem Zimmer nur das leise Quietschen und Rumpeln seines vierrädrigen Stuhls - dann, wenn er sich von einem Laptop zum anderen dreht. Er beantwortet keine Anrufe und keine Emails und versäumt auch sonst fast alles. Manchmal kommt er dann heraus und meldet stolz: "Ha! Ich habe Skype installiert!" Oder: "Schau mal! Jetzt kann man auf dem Kulturprogramm von Schepperdingen gleich auch Musikmüsterchen hören!" Ich folgere daraus, dass er sich mit den komplizierteren Mechanismen des Internet beschäftigt. Ich gebe zu, er versteht sich darauf merklich besser als ich.

Aber wenn er sehr lange nicht herauskommt, beginne ich mir Sorgen zu machen. "Herr T.", habe ich auch schon zu ihm gesagt, "Wenn Du einmal auf Deinem Stuhl festwächst, dann komme ich dran wegen unterlassener Hilfeleistung! Also komm bitte heraus!" Und ich gestehe: Ich habe in solchen Momenten schon Laute ausgestossen, die Herr Steppenhund wohl als Ausdruck "keifender Frustriertheit"* verstehen würde.

Neulich habe ich dann bei Herrn syro0 das Zitat gefunden, das mich zu diesem Eintrag inspiriert hat. "Das Internet verdankt seinen Erfolg zwei Säulen der menschlichen Aktivität: der Masturbation und der Prokrastination". Mein Blick blieb fasziniert am Wort "Prokrastination" hängen. Ich hatte das Wort auf Englisch auch schon gelesen - im Zusammenhang mit den ausufernden Bürokratien von Bananenrepubliken etwa. Aber ich wusste nicht, was es bedeutet. Ich googelte es umgehend und fand das hier.** Gibt es für "procrastionation" ein gutes deutsches Wort? "Schlendrian" vielleicht? Viel zu harmlos. Dem Wort fehlt der Beiklang des Krankhaften und jener der Tragik eines maroden Staatswesens. Auf Schweizerdeutsch würde man wahrscheinlich "Aufschiebitis" sagen, vielmehr "Uufschiebitis". Aber auch das klingt zu harmlos. Schweizerdeutsch klingt irgendwie immer zu harmlos.

Also anyway. Als Herr T. wieder einmal für Tage in seinem Büro abblieb, trug ich ihm das bei Herrn syro0 festgehaltene Zitat vor. Mit bedeutungsschwangerem Blick auf die unerledigten Postberge. Wirkungslos. Herr T. war viel zu beschäftigt, um seine Gekränktheit an den Tag zu legen.

Am nächsten Tag sass ich dann selber am Computer und stellte fest: Ich konnte mir keine YouTube-Filme mehr ansehen. Seit meinem kürzlich behobenen Ärger mit dem BitDefender funktionierte mein PlugIn dafür nicht mehr. Eine Quelle immer neuen Ärgers, dieses verdammte Internet! Ich alarmierte Herrn T., der sofort aus seinem Bürostuhl hüpfte. Er begutachtete das Problem und kratzte sich am Kopf. "Das ist eine komplizierte Sache", sagte er. Dann stellte er Recherchen an. Dann begann er, zwischen meinem und seinem Büro hin- und herzupendeln. Stundenlang.

Ich ging arbeiten. Als ich nach zurückkam, kam er gerade aus meinem Zimmer. Er hatte das Problem gelöst. Ich dankte. Er grinste und sagte im Ton von Arnold Schwarzenegger: "I am the Procrastinator!"

* Womit nur schnell gesagt sei, dass es auch für keifende Frustriertheit immer zwei braucht.
** Zu Deutsch: "Prokrastination ist ein Verhalten, das sich durch das Herausschieben von Aufgaben charakterisiert. Psychologen bezeichnen Prokrastination als Verhaltensmuster, das Betroffene anwenden um Ängste zu bewältigen, die mit dem Beginn oder dem Erfüllen einer Aufgabe oder Entscheidung einhergehen."

9
Sep
2008

Ironie des Schicksals

Schon seit Tagen will ich Euch einen Eintrag präsentieren, der in etwa so geht: "Ich habe lange gesurft. Sehr lange. Bis ich am Schluss hier gelandet bin."

Jetzt bin ich tatsächlich am Ende des Netzes angelangt, aber auf eine ganz andere Art: Seit gestern legt ein Problem mit meinem BitDefender meinen Internet-Zugang lahm. Herr T. hat Stunden vor meinem Computer verbracht und versteht die Welt nicht mehr.

Frage ich nach - sei es aus Interesse, Anteilnahme oder Ungeduld - wird er so tobsüchtig wie ich ihn noch nie erlebt habe. Im Hause Frogg herrscht Untergangsstimmung.

Diesen Eintrag hier schreibe ich mit unfreundlich hingeraunzter Genehmigung von Herrn T. auf seiner Kiste. Wie es hier weitergehen soll, weiss kein Mensch.

Ich glaube, ich mache mir jetzt ein schönes Tässchen Tee und lese ein Buch.

3
Sep
2008

Ein neues Leben

Habt Ihr schon einmal die Chance bekommen, ein völlig neues Leben anzufangen? Einen neuen Job, mit dem Ihr nie gerechnet hättet? An einen Ort zu ziehen, wo Ihr nie erwartet habt, vielleicht einmal hinzuziehen? Weit weg? An einen Ort, wo Euer Liebster eher nicht hinwill. Wo Ihr keine Freunde habt, aber auch keine lästigen alten Bekannten.

Ihr hättet Euch neu erfinden können.

Habt Ihr es getan?

8
Apr
2008

Ein grosser Moment

Vor rund einer halben Stunde habe ich den ersten Entwurf meines Krimis fertiggestellt.

Aber gratuliert jetzt lieber noch nicht. Ian Rankin macht bei seinen Büchern sechs Entwürfe (!!!) Und ich weiss immerhin schon, dass meine Arbeit, glaube ich, eben erst begonnen hat.

Aber dennoch: So weit bin ich noch nie mit einer so langen Geschichte gekommen. 96 Seiten...

5
Feb
2008

Richtig Urlaub

Freunde, die Frogg hat Urlaub. Ich meine: richtig Urlaub, drei Monate lang. Dies hier ist der zweite Tag. Wieso man drei Monate Urlaub macht, wenn man keine Weltreise oder wenigstens einen, zwei Monate trampen in Patagonien vorhat? Nun: Nach den Hörstürzen im letzten Herbst hatte ich Panik. Ich war kaputt. Ich wusste: Ich muss etwas tun. Mit heftigem Cortisonherzklopfen ging ich zum Chef und bat um eine Auszeit. Um mich einmal richtig zu regenerieren. Um herauszufinden, wie es mit meinem Leben weitergehen soll.
Mein Chef sagte ja, und hier bin ich also und habe Urlaub. Alles ganz wunderbar. Es geht mir gut.

Nur ein kleines Problem hat die gute Frogg: Sie hat das Gefühl, dass jetzt etwas wirklich Tolles passieren muss. Eine Veränderung. Eine Erleuchtung. Irgend so etwas.

1
Feb
2008

Fasnacht: Tim der Bär

Bevor Veronika gestern zum Fasnachtsumzug ging, ist sie mit den Kindern zu mir zum Mittagessen gekommen. Schliesslich ist ihr Kleinerer, Tim (bald 3), mein Göttibub, und ich soll sehen, wie er sich als Bär macht.

So schöpfe ich allen Reis und Sauce und schaue Veronika zu, wie sie Lisa Sirup eingiesst und dafür sorgt, dass sich Tim nicht schon wieder die Bärenschminke wegwischt. Ich schaue die Fasnachtsgwändli an, die die Kinder auf den Boden geworfen haben, und ganz langsam zieht denke ich etwas höchst Merkwürdiges: dass das Älterwerden wird leichter wird, wenn man weiss, dass allmählich eine Generation nachwächst, die uns so vieles abnehmen wird. Zum Beispiel die Fasnacht.

3
Dez
2007

Schweizer Hit

Soeben ist "Dr Schacher Seppli" von Ruedi Rymann am Schweizer Fernsehen zum grössten Schweizer Hit gekürt worden. Da kann es die Frogg nicht lassen, Euch ihr eigenes Werklein über diesen offenbar unverwüstlichen Song zu kredenzen. Hier.

25
Jul
2007

Potter hinter Schloss & Riegel

Im Hause Frogg herrscht ein eigentlicher Potter-Kult: Wenn ein neuer Band auf Englisch erscheint, kaufe ich ihn jeweils früh und lese ihn dem Herrn T. vor. Wir haben schon am letzten Samstag angefangen und sind bei Chapter 18. Dafür ruhen all unsere anderen abendlichen Tätigkeiten. Sprich: Wir sehen viel weniger fern, und ich blogge noch weniger. Nun ja. Es ist Sommer. Sowieso niemand da. Und es ist der letzte Harry Potter. Man muss ihn geniessen.

Nur, unser Kult hat seine Schwächen: Ich bin schon ein bisschen heiser, und Herr T. droht, mir über Nacht MEIN Harry Potter-Buch wegzulesen. Heute Abend habe ich Abenddienst. Ich werde das Buch in meinem Zimmer einschliessen müssen.

Wie ich den Wälzer finde? Das lasse ich Euch später wissen.

Immerhin habe ich ab und zu ein wenig Zeit, philologische Potter-Studien zu treiben. So bin ich der Frage nachgegangen, an wen Rowling dachte, als sie den Namen Bathilda Bagshot erfand. Ich kam auf Walter Bagehot. An eminent man in politics und ein Mann mit Witz.

23
Sep
2006

Abidjan

Die abgewiesenen Flüchtlingsfamilien von Frösch verbringen ihre Zeit in einer Unterkunft neben der Kehrichtverbrennung. Bevor sie ausreisen, natürlich. Sie bekommen Nothilfe, 5 Franken im Tag.

Naja, sagt der Tiger, das ist immer noch besser, als neben den Kehrichthaufen von Abidjan zu leben und gar nichts zu bekommen, oder?

9
Sep
2006

Blut spenden

Eben habe ich beim Aufräumen meinen Blutspendender-Ausweis gefunden. 0 Rh neg. C-D-E steht da drauf. Ich weiss noch, wie sich der junge Mediziner überschlug, der mir meine Blutgruppe erklärte. Ich solle möglichst oft Blut spenden, wurde er nicht müde mir zu raten. Meine Blutgruppe sei besonderes selten und besonders wertvoll. Weil man mein Blut jedem geben könne.

Ehrlich gesagt: Ich habe 1989 zum letzten Mal Blut gespendet. Damals war ich 24 und wir hatten einen HIV-positiven Mitbewohner in meiner WG. Wenn der Hühnchenknochen für seinen Hund zurechtschnitt, dann schnitt er sich auch mal in den Finger. Mir wurde fast schlecht vor Angst, ich könnte mich oder jemand anderen mit meiner Blutspende angesteckt haben, als ich damals mein Blut ins Tütchen fliessen sah.

Natürlich war ich bloss ein bisschen hysterisch.

Aber ich bin später nie mehr Blut spenden gegangen.

Jetzt habe ich auch eine gute Entschuldigung: Wer zwischen 1985 und 1986 während mehr als zwei Monaten in England war, sollte nicht Blut spenden gehen, hat das Bundesamt für Gesundheit einmal erklärt. Wegen des Rinderwahns. Ich war vom August 1985 bis zum Juli 1986 die ganze Zeit in England.

Ich bin richtig froh um diese Ausrede.
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