1
Mrz
2014

Verliebt

Wenn meine Beiträge hier ein bisschen seltener oder fahriger werden, dann hat das einen seltsamen Grund: Seit einer Weile bastle ich ein bisschen an ein paar Kurzgeschichten herum. Nichts Ambitiöses. Aber jetzt habe ich mich in den Helden einer meiner Geschichten verliebt. Keine Spur von professioneller Distanz. Er macht merkwürdige Dinge mit mir. Ich bin sehr beschäftigt.

27
Feb
2014

Pistolenschüsse


Schmutziger Donnerstag in der Luzerner Altstadt

Hier in Luzern ist gerade die Fasnacht ausgebrochen. Da sind Sitte und Moral und anständiges Benehmen immer grosse Themen, wie man auch auf dem Bild oben sieht - es zeigt einen Sittenpolizisten beim Tändeln mit einer Klientin. An der Fasnacht darf man alles, was man sonst nie darf, heisst es.

Wobei das nicht für die Schüler der Stadt Luzern gilt. Die dürfen an die Schulfasnacht keine Spielzeugwaffen mehr mitnehmen - ihr wisst schon: Ritterschwerter und Chäpsli-Pistolen*.

"Die haben das wegen der Sauerei verboten", erklärte mir Gottenbub Tim (8) mit seinem kompetentesten Ton. "Diese Chäpsli geben so eine Sauerei." Man kann Kindern ja nicht erklären, dass Schiessen mit Chäpsli-Pistolen politisch nicht korrekt ist. Deshalb das Kindermärchen von der Sauerei. Immerhin ist wohl die Sauerei die wahre Ursache dafür, dass die Kids auf dem Pausenplatz nur noch auf einem extra dafür bezeichneten Plätzchen mit Konfetti und Luftschlangen um sich werfen dürfen. Die Patentante (49) langte sich an den Kopf, als sie das hörte. Wo kommen wir hin, wenn an der Fasnacht die Chäpsli-Pistolen und die Konfetti verboten werden?! Können dergestalt gezähmte Kinder überhaupt normale Erwachsene werden?!

Nun ist die Patentante seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen fasnachtsabstinent. Denn an der Fasnacht trifft sie immer die ätzende Schwester der Schwerhörigkeit: die Hyperakusis, auch Lärmempfindlichkeit (hier mehr hier über sie).

Aber dann packte er mich heute doch, der Fasnachtsvirus. Zum ersten Mal seit Jahren. Mit gut verstöpselten Ohren machte ich mich am Nachmittag für ein Viertelstündchen auf ins Getümmel in der Altstadt. Das erste was ich hörte, war: Die Chäpsli-Pistole ist keineswegs aus dem fasnächtlichen Soundpanorama verschwunden. Im Gegenteil! Was für ein Geknalle! Hinter jeder Ecke Cowboys, Räuber, Polizisten! Gott sei Dank ist noch niemand auf die Idee gekommen, Ohropax zu verbieten.

Später machte ich zu Hause eine Google-Bildersuche nach Chäpsli-Pistolen. Da wurde mir klar, was man heute für Spielzeugwaffenarsenale man heute so kaufen kann. Wahres Kreigsspielzeug! Plötzlich begriff ich das Verbot.

* Das sind diese Spielzeug-Pistolen, mit denen man rosarote Streifen mit Knallerbsen verschiessen kann. Keine Ahnung, wie das auf Hochdeutsch heisst.

16
Feb
2014

Die spinnen, die Jugendlichen!

Gestern besuchten wir ein befreundetes Paar. Wir hatten die beiden lange nicht gesehen. Schon beim Prosecco mussten wir die Abstimmungs-Katastrophe des letzten Sonntags durchdiskutieren - das Ja zur Initiative "Gegen Masseneinwanderung". Er, ich nenne ihn Nitro, unterrichtet Englisch am Gymnasium einer mittelgrossen Schweizer Stadt. Eine jener Städte, die die Initiative abgelehnt hat - mit dem fast schon komfortablen Neinstimmen-Anteil von 60,34 Prozent.

"Aber meine 17-jährigen Schüler! Ihr glaubt es nicht! Sie waren alle begeistert von der Initiative!" rief Nitro. "Einige wollten auch ihre Essays über das Thema schreiben. Was haben die über Dichtestress räsoniert!" Er schüttelte den Kopf.

"Was heisst 'Dichtestress' auf Englisch?" fragte Herr T.

Nitro murmelte irgendwas mit "distress". Ich verstand ihn nicht genau. Ich will es gar nicht wissen. Aber ich wüsste gerne, was mit diesen Jugendlichen los ist. Ist unsere junge Elite rassistisch?! Wo ist der Hunger auf eine offene Welt geblieben, den wir als Gymnasiasten hatten?!

Nitro konnte es uns auch nicht erklären. Er konnte uns nur eine Ahnung von der Begeisterung vermitteln, mit der diese gerade noch nicht stimmfähigen Jugendlichen ein Ja in die Urne gelegt hätten.

12
Feb
2014

Schwarzer Mittwoch

Hier alles über den Tag, an dem die Schweiz zusammenbrach. Köstlich! Tipp: Unbedingt bis 15.15 Uhr durchlesen! 15.15 Uhr passiert das Beglückendste, was ich seit dem letzten Sonntag in den letzten 22 Jahren gesehen habe.

11
Feb
2014

Die spinnen, die Schweizer

Mättu sagte schüchtern: "Ich wollte ja auch schon 'Ja' auf den Stimmzettel schreiben." Ja, klar, es ging um die Initiative "Gegen Masseneinwanderung". Zurzeit redet hier niemand über etwas anderes.

Da blieb sogar mir schier mein Bissen Salat im Hals stecken. Denn Mättu ist überhaupt nicht so, wie wir uns den hinterwäldlerischen Ja-Sager zu dieser Initiative gerne vorstellen. Mättu war mal Grundschullehrer, ist heute unteres Kader in einer Online-Firma, Mitte 40. Er hat zwei Söhne, ausgezeichnete Manieren und einen pfiffigen Humor, wohnt in einer mittelgrossen Schweizer Stadt. Ehefrau bei einem internationalen Unternehmen tätig. Kein Nationalist, soweit ich weiss - auch wenn bei unseren Mittagstreffen Politik sonst tabu ist.

Dann kam die Begründung: "Es stört mich, wie hier alles zugebaut wird." Er machte eine ausladende Geste in Richtung Fenster. "Aber dann schaute ich nochmals ins Abstimmungsbüchlein und sah: Da geht es nicht um die Zersiedelung. Sondern um wichtige Verträge mit der EU." Da habe er aus dem "J", das er schon hingeschrieben hatte, ein "N" gemacht. "Da stand gewissermassen 'Njein'! Und dann musste ich meine Buben ins Hockey chauffieren und war erkältet und dann... habe ich einfach vergessen, den Stimmzettel einzuwerfen."

Nun, ich will das Ja vom letzten Sonntag zu einer zutiefst fremdenfeindlichen Volksinitiative nicht schönreden. Die rechtsnationalistische Lager hat bei uns gegen 30 Prozent Wähler. Das ist verdammt viel. Aber mit denen allein gewinnt man noch keine Volksabstimmung. Da waren Argumente im Spiel, bei denen es nicht nur um Ausländer ging.

Ich habe Kontakte mit gegen 200 Personen gehabt, die vor den Abstimmungen ihre Meinung äusserten. Das war alles nicht repräsentativ, aber ich kann doch sagen: Ja-Sager gab es bis erschreckend weit in die politische Mitte. Und durchaus nicht nur auf dem Land. Häufig waren es Rentner. Es kamen immer wieder Argumente wie:

- Es wird in diesem Land einfach zu viel gebaut.
- Wenn wir jedes Jahr 80000 Leute mehr sind, dann kollabiert hier irgendwann alles.
- Dieser Wachstumswahn wird unsere Lebensgrundlage vernichten.
- Wir finden in der Innenstadt keine bezahlbare Wohnung mehr.

Offenbar waren nicht alle so klug wie Mättu und haben noch einen Blick ins Abstimmungsbüchlein geworden.

Sonst sähe die Lage heute anders aus.

Zu sagen ist auch noch: Wir Schweizer haben uns selber viel zu lange Sand darüber in die Augen gestreut, wie eng unsere Verflechtungen mit der EU mittlerweile sind. Die Währungskrise hat die Popularität der EU unter den Gefrierpunkt sinken lassen. Das Thema EU-Beitritt war lange tabuestens. Und all diese Verträge und Verträglein? Da schaut man besser nicht zu genau hin! Das holt nur die Nationalisten aus dem Busch!

Nun wird sich zeigen, wer den Preis für dieses Debakel bezahlt. Ich bin wütend und würde gern die Hinterwäldler, die Nationalisten, die Rentner bestraft sehen. Aber jetzt sind erst mal die Studenten dran - unsere jungen Kaderleute von morgen.

Zum Kotzen! Immer noch!
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