9
Feb
2014

Masseneinwanderung

Heute bin ich einfach nur frustriert darüber, dass meine düsteren Prognosen eingetroffen sind. Es ist zum Kotzen.

Y wie Ylang Ylang



Mit dieser hübschen Blüte aus Asien beteilige ich mich am Obstsalat von Frau Testsiegerin. Die Pflanze riecht betörend süss. Ihr Duft soll geradezu magische Wirkung haben: als Aphrodisiakum.

Ylang Ylang, die Blume der Blumen, trat in den späten achtziger Jahren in mein Leben. Mein damaliger Liebster hiess Konrad und neigte ein wenig zur Esoterik. Eines Tages entdeckte er die Aromatherapie. Er lebte weit weg. Aber jedes Wochenende nahm ich den Zug von der Universitätsstadt zu ihm. Er empfing mich mit dem Duft von Sandelholz oder Ylang Ylang im Schlafzimmer.

Ich muss gestehen: Ich entdeckte schnell, dass die aphrodisische Wirkung von Ylang Ylang nur sehr moderat ist. Jedenfalls bei mir. Mich und Konrad hielt nicht Sex zusammen. Sex kam für Frau Frogg später so richtig, sehr heftig und ganz ohne Ylang Ylang. Und nicht mit Konrad.

Aber ich mochte das Wort "Ylang Ylang". So exotisch.

Konrad kaufte ein Buch über die Wirkung von Duftessenzen. Es war ein sinnliches Buch, hochglanz, farbig. Für Studentin Frogg eine befreiende Abwechslung zum grauen, überwältigenden Lesepensum, das sie als Studentin zweier Literaturen hätte absolvieren sollen. Wir experimentierten mit den Tropfen, die aus kleinen, blauen Fläschchen kamen. Ich stellte Schiller, Jane Austen und die feministische Literaturtheorie in eine Ecke, und wir experimentierten mit Minze und Zimt und Ylang Ylang.

Ich kann mich nicht mehr präzise erinnern, wie das Zeug duftet. Und das einzige, was es auf dem Internet noch nicht gibt, sind Duftproben. Sonst würde ich hier eine verlinken.

Bevor Sie die Blüten in den Obstsalat tun, Frau Testsiegerin: Sie sind für den Verzehr nicht geeignet. Aber vielleicht gibts als Dekoration eine Duftschale?

5
Feb
2014

Wellness


Frutt Lodge & Spa (www.wyss-haustechnik.ch)

Im Schweizerdeutschen gibt es das Verb "wellnessen". Wenn ich es höre, denke ich immer an ein Grüppchen Turnerinennen vom Land. Energische Frauen, die einander ständig ihre Tüchtigkeit beweisen müssen. Und dazwischen lassen sie Lachsalven knattern über... ich weiss auch nicht was.

Es liegt wohl daran, dass niemand so genau weiss, was man beim Wellnessen macht. Ok, man planscht ein bisschen im warmem Wasser herum. Man lässt sich von diesem oder jenem Wasserstrahl das Wädli, den Rücken oder die Schulter massieren. Das soll gesund sein. Heisst es. Aber Sport ist es ja nicht. Und dazu kostet es ganz ordentlich. Das macht ratlos.

Dieser Ratlosigkeit begegnen die Thermal- und Wellness-Bäder auf unterschiedliche Weise. Manche geben sich diesen sakralen Touch. Aber wem erweist man Reverenz, wenn man beim Plätschern Ehrfurcht empfindet? Etwa dem Erbauer des Bades? In der Schweiz kommen da öfter Star-Architekten zum Zug - Peter Zumthor in Vals oder Mario Botta auf Rigi Kaltbad. Oder der Natur? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Wenn ich sakral empfinden will, dann gehe ich lieber in eine Kirche.

Andere sagen: Nach zwei Tagen im Wellness-Bad hat man sich etwas Gutes getan. Da ist man nachher wieder ein paar Monate lang den Dreizehnstundentagen unseres globalisierten Alltags gewachsen. Aber um ehrlich zu sein: Ich muss nur an das Verkehrschaos auf dem Weg zu den meisten Wellness-Oasen denken. Dann ist mir sofort klar: Ich erhole ich mich lieber mit einem guten Buch auf meinem Sofa. Oder bei einem Spaziergang. Ist auch billiger.

Dennoch: Das Frutt Spa mussten wir uns neulich von innen ansehen - zumal es einen bei schlechtem Wetter dort oben doch ein paar Stunden beschäftigt hält. Und ich muss sagen: Ich fands sehr charmant. Die Architekten, Lussi & Partner übertreiben es nicht mit dem heiligen Getue. Das Bad ist klein und gehört am Nachmittag den Hausgästen. Die Aussicht vom Warmwasserbecken auf das Bergpanorama von Melchsee-Frutt ist grossartig. Was will man mehr?

Im Ruheraum der Sauna gibts sogar kleine Erfrischungen. Ganz wie ein einer russischen Sauna - wobei es in Russland natürlich nicht erlesene getrocknete Mango-Scheiben und Tee mit Zitronengras gibt. Sondern Schaschlik und Wodka.

2
Feb
2014

Der Journalist


Szene aus Philomena: Judy Dench als Philomena und Steve Coogan als Journalist Martin Sixsmith.

Was habe ich Tränen vergossen, als ich neulich im Kino "Philomena" sah! Nicht wegen der Titelheldin, die 50 Jahre lang ihren verschwundenen Sohn Frankie gesucht hat. Naja, auch ein bisschen. Philomena hatte das uneheliche Kind in einem irischen Kloster zur Welt gebracht - dann gaben die Nonnen es weg. Ohne ihre Einwilligung. Der Journalist Martin Sixsmith soll ihr nun helfen, das Kind endlich zu finden. Selten habe ich eine realitätsnähere Darstellung des Journalisten-Alltags gesehen. Deshab habe ich geflennt. Gott, wie ich es vermisse, diesen Beruf auszuüben!

Von einem Spesenbudget wie jenem von Sixsmith wagen zwar die meisten Journalisten nicht einmal zu träumen. Zudem ist er ein eitler Kotzbrocken, wenn auch auf die feine britische Art. Er bemitleidet sich schrecklich, weil er vom BBC-Olymp gefallen ist und für ein zweitkassiges Medium einer "human interest"-Story nachrennen muss.

Und dann kommen die üblichen Kalamitäten des Journalisten-Alltags über ihn: Dokumente sind verbrannt. Sixsmith ist nicht sicher, dass er etwas herausfinden wird. Lohnt sich das überhaupt? "Jetzt nicht aufgeben", sagt die Chefin.

Dann, plötzlich, wird die Sache spannend. Die Nonnen haben Dreck am Stecken. Die Spur des verlorenen Kindes führt nach Amerika.

Dort wird die Story noch eine Liga grösser. Philomena bekommt kalte Füsse. Auf dem Gesicht von Coogan sieht man jetzt diese ungemütliche Spannung, an die ich mich noch gut erinnere: Wie mache ich aus der Sache eine Story, über die der Chef sich freut? Und wie werde ich dabei der Person gerecht, die sie mir geliefert hat?

Dann nochmals das übliche, stressige Recherchen-Rösslispiel: Zeugen sind telefonisch nicht erreichbar. Andere lassen sich verleugnen. Philomena will aufgeben.

Und dann der Durchbruch: Sixsmith deckt eine echte Sauerei auf, Philomena erfährt Genugtuung. Die ganze Plackerei war nicht vergebens!

So schön!

30
Jan
2014

Masseneinwanderung

In einer Woche stimmt die Schweiz über die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" ab. Wer noch nicht weiss, was sie verlangt, kann hier nachlesen. Hier die Kurzversion: Sie will die Zuwanderung begrenzen.

Eins vorweg: Ich bin eine vehemente Gegnerin dieser Vorlage. Aber mit dieser Überzeugung stehe ich wohl auf verlorenem Posten. Ich glaube: Unsere Region wird der Initiative wuchtig zustimmen. Ich bekomme bei der Arbeit täglich und sehr direkt mit, wie die Leute in den Kantonen Luzern, Ob- und Nidwalden, Uri und Schwyz ticken. Ok, das ist eine konservative Region. Aber die neuesten gesamtschweizerischen Umfragewerte haben meine bange Ahnung bestätigt: Die Initiative könnte durchkommen.

Es ist nämlich so: Plötzlich kennt hier jeder jemanden, der seine Stelle an eine billige Arbeitskraft aus der EU verloren hat. Jeder weiss auf einmal, dass der Patron im nahen KMU lieber Deutsche anstellt als seine eigenen Söhne und Töchter. Plötzlich fällt manch einem ein, dass er seit 2007 keine Lohnerhöhung gesehen hat. Hallo?! Was ist denn nun mit dem Wohlstand passiert, den die Personenfreizügigkeit angeblich gebracht haben soll? Einem ist die Wohnung schon zum zweiten Mal von rumänischen Diebesbanden leergeräumt worden - jetzt stimmt er Ja und hofft darauf, dass es wieder Grenzwächter gibt. Einer ist traurig, weil die schöne Wiese am Oberhubel zugebaut wird - nicht von Ausländern, sondern von Schweizern, die vom Eigenheim träumen. Aber das muss man ja nicht so genau nehmen. Der andere ärgert sich, weil in einem vollgestopften Zug ein paar Migranten laut reden. Wieder einer regt sich darüber auf, dass reiche Ausländer in der Schweiz fette Villen an schönster Seelage haben - und er findet kaum noch eine Dreizimmerwohnung unter 2000 Franken. Und überhaupt: die Masslosigkeit! Die Dekadenz!

Und was tun die Initiativgegner von der Partei der Arbeit bis zu den Freisinnigen? Sie behaupten, sie würden die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. Aber von einem griffigen Kündigungsschutz für gestandene Mitarbeiter redet kein Mensch. Auch die Arbeitgeber sind gegen die Vorlage. Aber keiner von denen erklärt den Leuten, dass nicht die Ausländer schuld sind an stagnierenden Löhnen - sondern die Weltwirtschaftskrise. Ein neues Raumplanungsgesetz haben wir zwar letztes Jahr angenommen. Aber niemand sagt uns, warum dieses neue Gesetz die Gräslein und Käferlein am Oberhubel nicht schützt. Und dem letzten müsste mal jemand erklären, dass die laut redenden Jugendlichen im Zug seine AHV zahlen.

Es ist und bleibt ja so: Ich würde am liebsten den Fernseher aus dem Fenster schmeissen, wenn ich den Blocher darin sehe. Aber ich muss gestehen: Der Alte hat diesmal mehr Farbe als der ganze blässliche Bundesrat und die ganzen quäkenden Parteichefs zusammen. Denen fällt nichts anderes ein, als mit der Rache der EU zu drohen.

Trotzdem: Wer einen Schweizer Pass hat und noch nicht abgestimmt hat, sollte es jetzt schnellstens tun. Denn, oh ja, eine Annahme wird das Wachstum stoppen - nämlich so, dass die sozial Schwachen noch schwächer werden. Insbesondere die Bezüger von Alters- und Invalidenrenten und anderen Sozialleistungen. Und nicht vergessen: Es muss NEIN auf dem Stimmzettel stehen!

29
Jan
2014

Wachstum im Steuerparadies


In der Nähe von Melchsee-Frutt, unterhalb des Tannensee-Staudamms.

Wenn ich jeweils auf Melchsee-Frutt ankomme, vergesse ich schnell alle Unannehmlichkeiten des Reisens. Ich liebe dieses Fleckchen Erde auf 1920 Metern über Meer! Weil es in einer phantastischen Mondlandschaft liegt. Weil es so still ist - es gibt dort keine Autos - nur ein paar Pistenfahrzeuge. Weil ich mit Herrn T. schon so viele Schneestürme und zärtliche Stunden hier verbracht habe. Und weil es (noch) ein stinkbiederer Familien-Winterferienort ohne mondäne Allüren ist.

Aber seit unseren letzten Skiferien 2009 hat sich hier oben vieles verändert - einiges bereitet mir Unbehagen. Etwa der offensichtliche Hunger nach Wachstum. Oder die Art, wie man sich hier neuerdings um Luxus-Gäste bemüht.

Dass man auf die Fundamente des 2004 abgebrannten Kurhauses ein neues Hotel gebaut hat, kann ich nachvollziehen. Die Architektur finde ich ansprechend - und soll es meinetwegen Frutt Lodge heissen, auch wenn das nicht heimatlich tönt.


(links im Bild)

Soll die Lodge vier Sterne haben. Und soll sie meinetwegen einem chinesischen Investor namens Yunfeng Gao gehören. Dass sich ein Ausländer das Prunkstück des Kurorts unter den Nagel gerissen, hat in der Gegend allerdings in vielen Herzen die Angst vor der Überfremdung wachsen lassen.

Mich jedoch beunruhigen die unauffälligen neuen Häuschen weiter unten viel mehr.


(Die Betonrohbauten im Hintergrund)

Sie stehen da, wo viele Jahre lang die Ruinen eines zerfallenen Hotels romantisch über dem Melchsee thronten. Zurzeit sucht ein Immobilienmakler Käufer für die 43 neuen Wohnungen - und es handelt sich nicht etwa nur um kleine Ferienlogis, sondern auch um geräumige 4,5-Zimmer-Wohnungen, durchaus als Eigentumswohnung gedacht.

Im Prospekt ist eine ganze Seite der Tatsache gewidmet, dass der Kanton Obwalden (in dem Melchsee-Frutt liegt) ein "steuerlich attraktiver Kanton" ist (böse Zugen sagen: eine Steueroase). Obwalden sein ein Kanton, in dem "Wirtschaft, Tourismus, Politik und Verwaltung ... eine Einheit" bildeten (böse Zungen sagen: "Säuhäfeli - Säudeckeli"*). Soll die Frutt ein Zweitwohnsitz für Geldsäcke werden? Und dann? Discos? Mondänes 24-Stunden-Shopping? Läden, in denen die Verkäuferin mit Röntgenblick zuerst mal Dein Tasche mit dem Portmonee durchleuchtet? Edler Food in winzigen und dennoch unerschwinglichen Portionen?

Herr T. und ich runzeln die Stirn. Doch dann stemmen wir uns gegen den eisigen Wind und gehen zurück in unser Zimmerchen im Traditionshotelchen Posthuis.


(Quelle: amazonaws.com)

Wir stellen erleichtert fest: Hier ist alles beim Alten. Dasselbe, freundliche Wirtepaar. Die Küche gutbürgerlich, nahrhaft und reichlich und nicht ohne Raffinesse. Der Bau unverändert - heimelig, praktisch und ohne Luxusgedönse. Und auf dem Bürostuhl in der Réception turnt ein Enkelkind der Hotlelière.


* "Säuhäfeli - Säudeckeli" - Schweizerdeutsch für Mauscheleien zwischen lokalen Geld- und Machteliten.
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