30
Jul
2010

Triumph über die Sportlichkeit

Eben habe ich diese Neuerscheinung gefunden. Toller Song. Tolles Video*. Ein Triumph der Kunst über den Terror organisierter Sportlichkeit.



An dieser Stelle ein Dankeschön an canela. Ohne Deinen Link auf laut.de hätte ich den Song gar nicht gefunden. Und ich hätte nicht über den Sprecher des lieben Gottes geschrieben.


* Naja, es ist ganz nicht frei von Schwächen. Diese erwachsenen Stimmen aus Kindermündern... das überzeugt nicht. Und der Schluss könnte etwas weniger plakativ sein. Aber sonst... köstlich.

29
Jul
2010

Der Sprecher des lieben Gottes

Wir sassen am Flughafen Zürich. Wir warteten auf unser Flugzeug nach London. Die Panik hatte mich immer noch eisernem Griff. Hier habe ich zu erklären versucht, wie die Panik bei mir funktioniert. Wobei ich die beste Foltermethode der Panik vergessen habe: Sie packt mich und redet mir ein, ich dürfe keine Panik haben - weil sonst nämlich alles viel schlimmer werde. Das funktioniert jedesmal. Das treibt mich jedesmal fast die Wände hoch.

Vor unserem Abflug war ich nahe dabei, die nächste Wand zum Hochgehen zu suchen. Und jetzt hatte auch noch unser Flugzeug Verspätung. Wir würden zu spät in London ankommen. Ich würde viel zu wenig Schlaf bekommen. Ich würde einen Hörsturz haben, ich würde...

Womit hatte ich eigentlich dieses Elend verdient? Empörend! Eine Zumutung!

Ich machte meine Atemübungen und versuchte, etwas zu finden, was ich der Angst entgegenhalten konnte. Irgendetwas.

Da sah ich vor meinem geistigen Auge den Sprecher des lieben Gottes. Er war eierköpfig und schmal, eigentlich etwa zehn Jahre zu alt für einen PR-Menschen mit Öffentlichkeits-Kontakt. Ein Mann mit Sorgenfalten. Vielleicht sass ging es ihm ja wie vielen anderen Arbeitnehmern in ihren Fünfzigern: Gefangen in einer Branche, aus der sie sich besser in ihren frühen Vierzigern noch abgesetzt hätten. Naja, er war der Sprecher des lieben Gottes, das macht wenigstens etwas her.

Er beugte sich über mich und sah genau so besorgt aus wie jeweils Tony Hayward, bevor er sein altes Leben zurückbekam. Der Sprecher des lieben Gottes sprach Englisch. Er sagte: "Be assured that we are aware of the difficulty of your situation. All I can say at the moment is that it's due to some unexpected and inexplicable error of our system. We assure you that the problem will be addressed as soon as possible."

Frau Frogg maulte: "Ach, erzählen Sie mir doch nichts! Ich weiss doch, dass Ihr andere Prioritäten habt! Nehmen wir nur Aids, Welthunger und ein kleines Öl-Leck im Golf von Mexiko!"

Der Sprecher des lieben Gottes räusperte sich verlegen. "Yes. Well. I'd like to draw your attention to the fact that we've made some fair progress in the case of Aids. But there's something else I'd like to say: Please allow me to to apologize for any inconvenience caused by the situation." Mehr hatte er nicht zu sagen. Doch es genügte.

Danach ging es mir besser.

28
Jul
2010

Das Pub der 1000 Rätsel

Herr T. und Frau Frogg überschritten also die Grenze zum Londoner Stadteil Hackney, traditionellerweise als stolzes Arbeiterquartier bekannt. Was bisher geschah, könnt Ihr hier lesen. Zu unserer Rechten lag immer noch schwer und grün das Wasser des Grand Union Canal. Da verspürte Frau Frogg einen...äh, wie soll ich sagen... Druck auf der Blase. Nun, ich würde Euch damit nicht belästigen, wenn er nicht Ursache für eine aussergewöhnliche Entdeckung geworden wäre.

Wir wollten in einem der charmanten Cafés am Ufer einkehren. Aber mit den charmanten Cafés war es nun plötzlich vorbei. Ausgerechnet Hackney werden die Vorposten der Zivilisation am Kanal spärlich. Nichts als Hausboote und denkmalschützenswerte Lagerhäuser in verschiedenen Stadien des Verfalls.

Erst als wir nach einer halben Stunde oder so zum Victoria Park kamen, dachte ich, jetzt würde alles gut. Ich meine: Königin Victoria hat den Park in den 1850er-Jahren eingerichtet, um ein paar 10000 Menschenleben jährlich zu retten. So steht es jedenfalls auf dem Schild am Eingang des Parks. Die Lebensbedingungen in der Gegend müssen damals so schaurig gewesen sein, dass man mit ein bisschen Licht, Luft und englischem Rasen Tragödien verhindern konnte.

Der Park ist hübsch und dient auch heute noch der körperlichen Ertüchtigung.

Victoria Park, London

Der Rasen ist nur deshalb so gelb, weil ihm die Bewässerung fehlt: Es hatte seit Wochen nicht richtig geregnet in London.

Queen Victoria müsste doch auch an Notlagen wir jene von Frau Frogg gedacht haben, dachte Frau Frogg. Doch sie irrte sich.

Wir mussten noch einige Hundert Meter weiter noch Osten wandern, bis zum Mile End Park. Über den Mile End Park kann man nur sagen: Er weiss nicht, was er ist. Ein Park? Ein Experimentierfeld für Öko-Freaks? Das Ende von allem? Keine Ahnung. Und mitten im Mile End Park sahen wir auf einem verdorrten Stück Rasen etwas abseits des Weges das Hinterteil eines einsamen, baufälligen Hauses. Die Wände waren russig und das ganze Haus so düster, als sei Jack the Ripper hier Stammgast gewesen - und als sei es seither nie mehr renoviert worden. Eine blasse Tafel am Wegrand wies es als Pub aus. "Das war früher mal ein Pub!", sagte Frau Frogg und wollte schon weitergehen.

Aber Herr T. hatte Lunte gerochen und ging um das Haus herum. "Es ist offen!" rief er. Und tatsächlich: Die Ecktür zum Lokal stand offen, und von vorne sah es etwas freundlicher aus.

The Palm Tree Pub

Vor dem Eingang war sogar ein blitzsauberer, schwarzer Jaguar parkiert (unten rechts im Bild). Keine Ahnung, was sein Besitzer an diesem gottvergessenen Ort zu suchen hatte. Gehörte er etwa dem Wirt? War der Wirt ein berüchtigter Waffenhändler?

Das Pub heisst The Palm Tree, auch wenn weit und breit keine Palmen zu sehen sind. Es existiert seit grauer Vorzeit: seit 1609. Wahrscheinlich hat es die Häuserzeilen rundum im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs verloren. Es sieht so aus, als vermisse es sie immer noch. Innen präsentiert es sich mit den landesüblichen Pub-Verzierungen aus Spiegeln, goldenen Tapeten und violett gemusterten Plüschsesseln - alles so abgewetzt und verblasst, als hätte der Wirt sich und sein Lokal längst aufgegeben. Ausser uns waren nur noch ein East Ender mit Gipsfuss und sein Sohn da, beide im Trainingsanzug. Ich rechnete damit, dass bald ein gespenstischer Greis hinter dem Tresen auftauchen würde.

Doch weit gefehlt: Der Mann, der aus den Tiefen des alten Hauses auftauchte, war ein lächelnder, fitter Mittvierziger. Herr T. bestellte zwei Glas Cider, Frau Frogg eilte aufs stille Örtchen.

Dann staunten wir über die tiefen Getränkepreise des Lokals. Im Zentrum von London kosten zwei Glas Apfelwein gut das Doppelte.

Schliesslich entdeckte Herr T., dass über dem Tresen Dutzende Künstlerbilder hingen, nicht alle brandneu. Er fragte den Publican, ob die Künstler hier alle mal aufgetreten seien. "Aber sicher!", sagte der stolz. Und: "Das hier ist ein Jazzlokal! Nein, nein, sowas wie Rockmusik machen wir hier nicht!" Es war ihm deutlich anzusehen, dass er Rockmusik ein bisschen primitiv fand. "Aber jeden Freitag, Samstag und Sonntag haben wir hier Jazzmusik!" sagte er. Keine grossen Namen. Es klang eher so, als würden die drei gleichen Stamm-Musiker sich dreimal die Woche für die immergleiche Fan-Gemeinde von fünf Personen einfinden.

Aber der Wirt schien stolz und glücklich auf sein Lokal.

Es war einer der seltsamsten Orte, die ich je gesehen habe.

26
Jul
2010

London: Geheimtipp für Stadtwanderer

Jeder touristische Anfänger kennt den Camden-Market in London. Er ist malerisch, wild und oft überlaufen.


(Quelle: www.travelstay.com)

In seiner Mitte fliesst ein Kanal: Der Grand Union Canal. Fortgeschrittene Touristen verlassen den Markt gerne diesem Kanal entlang. Die meisten gehen westwärts. Dabei erleben sie Böötli-Herrlichkeit, den Anblick des Londoner Zoos von aussen und erreichen schliesslich das idyllische Little Venice.

Hardcore-Stadtwanderer dagegen gehen am Kanal gen Osten. Denn auf dieser Seite von London geht wirklich die Post ab: Hier gibts altes Industriegemäuer, ambitiöse, neue Stadtarchitektur, arm und reich und das pralle Leben. Schnell erreicht man den Bahnhof King's Cross. Dort statten Harry Potter-Fans kurz dem Gleis 9 3/4 einen Besuch ab. Hogwarts-Besucher stehen bereits Schlange für ein solches Bild.

platformpotter

Auf dem Rückweg zum Kanal sollte man einen wehmütigen Blick auf die Grossbaustelle beim Bahnhof werfen. Hier wird gerade eine linksgrüne Oase nach 25 Jahren erbittertem Widerstand niedergewalzt und neu bebaut.

Ab hier heisst das Ziel Limehouse Basin und liegt 8,5 Kilometer südöstlich an der Themse. Der Weg ist breit und gemütlich. Man teilt ihn mit Radfahrern, Joggern und Fussgängern. Probleme gibts erst in Islington. Dort verschwindet der Wasserlauf unversehens in einem Tunnel. Den Anschluss ans nächste Kanal-Stück zu finden, stellt auch für gute Kartenleser eine kleine Herausforderung dar. Unterwegs lockt der Stadtmarkt von Islington. Klein und auch ganz hübsch.

Danach wandert man den verwunschenen, alten Gärten von Islington entlang. Und weiter im Osten wirds dann eine Weile richtig trendy. Hier gibts auch hübsche Restaurants, die Frau Frogg und Herr T. aber links liegen liessen.

Grand Union Canal, London
(Bilder von Herrn T.)

Was sich exakt an der Grenze zum traditionell armen Stadtteil Hackney zu rächen begann. Aber diese Geschichte erzähle ich morgen oder übermorgen.

25
Jul
2010

Frage

Nehmen wir an, Du verreisst mit dem Flugzeug. Auf der Rückreise geht Deine Reisetasche verloren. Sie enthält:

- Deinen MP3-Player
- Deine bequemste Feierabend-Hose
- Zwei tolle Bücher, die Du Dir als Souvenir und Lesestoff gekauft hast
- Deine Identitätskarte
- Dein Bahn-Abo
- Deine hübsche Sommerbluse vom letzten Jahr
- Dein Portmonee mit 100 Schweizer Franken oder 70 Euro
- Deine Zahnbürste und Zahnpaste
- Dein Shampoo

Der Verlust welches dieser Gegenstände würde Dich am meisten schmerzen?
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