23
Apr
2010

Wunderdroge

Ich werde hier nicht über Cannabis-Produkte, LSD oder andere illegale Produkte referieren. Da Frau Frogg als junges Ding schon von Joints paranoide Zustände bekam, liess sie ab ihrem 18. Lebensjahr die Finger von allen verbotenen Stoffen. Hier soll auch nicht von den Chemikalien die Rede sein, die die Pharma-Industrie als Allerweltsmittel gegen Angstzustände anbietet. Da könnte Frau Frogg mitreden. Es gab Zeiten, da war sie dermassen zugedröhnt, dass es an ein Wunder grenzt, dass sie an manchen Tageszeiten einen klaren Gedanken fassen konnte. Aber über solche Drogen redet in der Öffentlichkeit niemand. Und ich sehe nicht, weshalb ausgerechnet ich dieses Tabu brechen sollte.

Nein, vom Kaffee soll hier die Rede sein.

Kaffee ist eine Wunderdroge.

Das weiss Frau Frogg, weil sie keinen Kaffee trinken sollte. Kaffee fördert bei ihr Schwindelanfälle, das ist empirisch bewiesen. Wenn es Frau Frogg meniere-mässig beschissen geht, dann geht sie als erstes auf Kaffee-Entzug. Das heisst nicht, dass es ihr sofort besser geht: Wenn sie auf Kaffee-Entzug ist, muss sie erst einmal zwei Tage lang jeden Morgen jeden ihrer Knochen einzeln einsammeln. Oder so fühlt es sich jedenfalls an. Zu den Entzugs-Symptomen gehören zudem Kopfschmerzen, ein dumpfes Gefühl im Kopf und eine vermaledeite Zerstreutheit.

Und ich meine, wer könnte bei so einem Anblick widerstehen:



Nach zwei oder drei Tagen ist sie dann jeweils clean und putzmunter und beschliesst, es auch zu bleiben.

Im Januar, bevor ich wieder arbeitete, war ich clean. Ich beschloss, es auch zu bleiben.

Aber es gibt jeden Tag ein Dutzend Gründe, ein Tässchen Espresso zu trinken. Zum Beispiel die reine Schönheit eines Kaffeerausches. Die Tatsache, dass Kaffee diese scharfe, warme Neugier auf die Welt verleiht, ohne die zum Beispiel Journalismus überhaupt nicht möglich wäre (was wohl heisst, dass wir den Journalismus westlicher Prägung den Türken verdanken). Besonders gute Gründe gibt es im Büro. Da ist der Kaffee gut und günstig und die Konzentrationsfähigkeit könnte manchmal doch noch ein bisschen besser sein. Zerstreutheit ist ja leider eine der grössten Schwächen von Frau Frogg.

Ja, und so wurden die Gänge zum Kaffeeautomaten allmählich wieder häufiger. Erst war es einer pro Woche, meistens an einem drögen Donnerstag, so gegen Mittag. Jetzt führt mein erster Gang jeden Morgen zu unserer büroeigenen Espresso-Maschine.

Ich stelle fest. Ich liebe diese Tasse Kaffee am Morgen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich werde sie mir nicht so schnell wieder wegnehmen lassen. Auch nicht von ein paar läppischen Schwindelanfällen.

20
Apr
2010

Herzrasen

Der Tigervater ist immer noch auf der Intensivstation. Hinter ihm zählen Maschinen seinen Puls, seinen Blutdruck, nochmals seinen Blutdruck und eine Reihe anderer Dinge. Meistens hat er 85 Pulsschläge pro Minute. Er ist wach und mitteilsam. Doch weil ein Schlauch ihm Sauerstoff in die Lunge pumpt, kann er nicht sprechen. Nur Laute formen. Ich hätte doch einen Lippenlesekurs besuchen sollen, verdammt! Wir haben ihm eine Ritsch-Ratsch-Tafel* gekauft. Darauf kann er ohne viel Kraftaufwand schreiben und das Geschriebene auch schnell wieder wegputzen.

Sie liegt neben ihm auf dem Bett. Wenn er danach greift, steigt sein Puls jedesmal auf 100.


* Eine dieser Tafeln, die wir als Kind hatten: Sie sind mit Pauspapier und einer Plastikfolie überzogen. Man kann darauf schreiben, dann einen Stift drüberziehen und das Geschriebene so wieder wegputzen.

18
Apr
2010

Alles nur geliehen

Wer sehen uns gern als Herrinnen (oder Herren) über unser Schicksal. Unser freier Wille ist uns heilig, wir leben für unsere Ziele. Wir betrachten uns als so frei, dass sich manche von uns sogar fragen, ob sie die Schuld an ihren Krankheiten selber tragen.

Aber vielleicht sind wir nicht so frei wie wir glauben. Seneca etwa schreibt um 50 nach Christus über die Haltung des Weisen: Er rechnet "nicht nur Sklaven, reichen Besitz und würdevolle Stellung, sondern auch seinen Körper, seine Augen, seine Hand und was dem Menschen den Wert seines Lebens erhöhen mag, ja sich selbst, unter die Dinge, auf die kein Verlass ist. Er lebt, als wäre er sich selbst nur geliehen und müsse sich ohne Murren zurückgeben, wenn man ihn zurückfordere." (Von der Seelenruhe). Manchmal ist dieser Gedanke tröstlich.

Dazu der passende Song:



Besonders die Zeile: "...and so castles made of sand fall in the sea, eventually..."

17
Apr
2010

Fiese, kleine Stimme

Als ich Doktor Schnösel auf Wiedersehen gesagt hatte, verliess ich das Spital. Genauer gesagt: Ich schwebte aus dem Spital. Ich hätte singen mögen, jubeln. Ich war überglücklich darüber, dass er mir gesagt hatte, ich könne wieder mehr arbeiten. An diesem Tag lernte ich jene Frau Frogg richtig kennen, um deren Existenz ich zwar gewusst hatte. Von der ich aber nicht geahnt hatte, dass sie in meiner Seele einen so gewaltigen Raum einnimmt. Es ist die Frau Frogg, die nichts lieber täte als wieder in ihr früheres Leben zu schlüpfen wie in einen bequemen und gediegenen Mantel. Die Frau Frogg, die den Wohlstand und ihre bürgerliche Existenz liebt. Die Frau Frogg, die jenen einen Tag an der Woche wieder mit den Kumpels am Newsdesk malochen möchte. Die Frau Frogg, die gut gekleidet durchs Café schweben und sich nicht überlegen möchte, ob sie sich das Fischmenü leisten kann oder nur ein Salätchen.

Ja, irgendwo ertönt da noch dieses mickrige Stimmchen. Es sagt: "Vielleicht hatte der andere Arzt recht. Vielleicht verlierst Du Dein Gehör, wenn Du Dich gleich viel Stress aussetzt wie früher." Aber ich antworte leichthin: "Vielleicht werde ich sowieso taub. Warum nicht vorher noch die paar Adrenalinkicks und die Kohle, die ich mehr verdiene, wenn ich mehr arbeite?!"

"Und was wird aus all den anderen Dingen, die Du tun könntest, wenn Du weniger arbeitest? Diesem halben Dutzend Projekten, die Du schon angedacht hast? Vielleicht sogar Deinem Krimi?" fragte die fiese, kleine Stimme.

Ich zögerte.

Der Ohrwurm des Tages:

14
Apr
2010

Die spinnen, die Ärzte!

Ihr erinnert Euch. Vor zwei Monaten sagte ein Arzt im Spital zu mir: "Sie müssen Ihr Pensum reduzieren. Wenn Sie Ihr Pensum nicht reduzieren, verlieren Sie Ihr Gehör!" Das hat mich damals heftig aus der Bahn geworfen. Nicht zuletzt deshalb, weil es von jenem Arzt kam, zu dem ich in diesem Laden noch am ehesten Vertrauen hatte.

Zur Zeit arbeite ich tatsächlich zu einem reduzierten Pensum. Ich zehre von einem umfangreichen Ferienguthaben, und noch ist nichts Definitives entschieden. Mein Arbeitgeber hat sich zum Glück als sehr flexibel erwiesen.

Vorgestern musste ich wieder ins Spital. Diesmal sass ich einem anderen Arzt gegenüber als letztes Mal. Im Spital sieht man leider selten denselben Arzt zweimal. Aber weil ich im Herbst so oft im Spital war, kenne ich mittlerweile alle Assistenzärzte. Ich erkannte auch den hier wieder. Ich nenne ihn den Schnösel, immer noch, obwohl er mir seit dem Herbst merklich gereift scheint.

Der Schnösel guckte auf meinen Hörtest, der gut war. Dann fragte er: "Und wie stehts mir der Arbeit?"

Ich erklärte ihm die Situation.

Er schüttelte den Kopf und sagte: "Aber nein, Frau Frogg! Sie sollten jetzt wieder mehr arbeiten! Sie sollten wieder aufbauen!"

Frau Frogg guckte verdutzt aus der Wäsche. "Aber der andere Arzt hat gesagt...", sagte sie.

"Nein, nein, nein, das ist ganz falsch", sagte der Schnösel.

Da holte Frau Frogg tief Luft, fasste sich ein Herz und verlangte endlich, endlich den Oberarzt zu sehen. Wie viel sie arbeite und verdiene, sei schliesslich eine existenzielle Frage, gab sie zu bedenken. Sie fühle sich schon ein bisschen verschaukelt, wenn ihr da jeder Arzt (sie verkniff sich den Ausdruck "jeder dahergelaufene Assistenzarzt") etwas anderes erzähle.

"Jaja, das kann ich Ihnen schon organisieren", sagte der Schnösel, "Aber ich bin sicher, dass er meiner Meinung sein wird!"

Nun ja. Wir werden sehen. Am 25 Mai. Der Oberarzt hat erst dann Zeit.
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Journal einer Kussbereiten

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Freni - 28. Nov, 20:21
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