1
Mai
2010

Weinen Männer nicht?

Er sei "sexuell komplett übersteuert" gewesen, berichtet Georges im "Tagesanzeiger" vom letzten Samstag. Plötzlich habe er nur noch Geschlechtsteile gesehen. Und: "Auf einmal explodierte ich fast vor Energie, wurde schneller aggressiv und konnte nicht mehr weinen." Georges war 33 und bis dato eine Frau gewesen. Nun hatte er begonnen, sich mit Testosteron zu behandeln. Er ist ein Transsexueller.

Nicht weinen ist also eine Begleiterscheinung des Mannseins?! Frau Frogg staunte nicht schlecht. Sie hatte immer geglaubt, das mit dem Weinen sei Erziehungssache. "Männer weinen nicht!" und all das Zeug. Doch offenbar haben Männer ihrer Hormone wegen weiter vom Wasser weg gebaut als Frauen.

Das würde mich mit meinem neuen Vorbild Seneca versöhnen. Der hat es nämlich gar nicht mit dem Weinen. "Auch im Hinblick auf das All der Dinge zeigt derjenige doch einen höheren Geistesschwung, der mit dem Lachen als der mit dem Weinen nicht an sich halten kann", schrieb er in "von der Seelenruhe". Dazu sagt Frau Frogg: "Pardon, aber wer lacht und nie weint, ist ein Zyniker." Nichts gegen das Lachen. Nichts gegen eine gesunde Portion Zynismus im richtigen Moment! Aber nur wer weint, lernt die tiefsten Tiefen seiner Seele kennen. Glaubt mir. Ich habe eine Zeit lang viel geweint, und es ist noch nicht lange her. Ich weiss es.

Überhaupt: Mir scheint, Gemütsruhe im Sinne von Seneca eher wie Gefühlsunterdrückung von der übelsten Sorte. Ich bin froh, dass ich mich nicht mit so viel Gelassenheit durch die Welt zwingen muss wie er empfiehlt. Ich käme mir vor, als hätte ich einen Mühlstein in der Brust.

Vielleicht liegt es einfach daran, dass er hormonell ein bisschen übersteuert war?

Der Soundtrack dazu:

30
Apr
2010

Hörbehinderter Vielredner

Es gibt Leute, von denen man sagt: "Er hört sich gerne reden". Wer schon eine Vereins-Jahresversammlung besucht hat, weiss welchen Typus Mensch ich meine. Er ist immer männlich und meist im Rentenalter, nicht selten weit über 70. Gern lassen sich diese mitteilsamen Senioren auch an Aktionärsversammlung vom Wort ergreifen. Sie bringen Zuhörer zum Gähnen und Augenverdrehen, Vorstände zum hilflosen Haareraufen. Ob sie etwas zu sagen haben, bleibt meistens unklar. Denn es gelingt ihnen fast immer, jede relevante Aussage in mehreren Minuten Geschwafel zu begraben. Gestern war ich an der Jahresversammlung unseres lokalen Hörbehinderten-Verbandes. Auch in diesem Verein gibt es zwei solche Exemplare. Einer von ihnen warf bei Frau Frogg die Frage auf: Was hat so einer vom Reden, wenn er sich selber offenkundig nicht mehr hört?

Edit: Woran ich hörte, dass der Mann sich selber nicht hören konnte? Nun: Er formte seltsame Gaumen- und Nuschellaute, so dass man ihn zunächst kaum verstand. Als ein Vorstand ihm dann das Mikrofon in die Hand zwang, besserte sich seine Aussprache merklich - und er schien erst recht Freude am Sprechen zu finden.

28
Apr
2010

Rauchverbot

Diesem Eintrag muss ich eins vorausschicken: Ich habe selber ein paar Jahre geraucht. Ich verpaffte pro Tag fünf bis sechs Zigaretten, an einer rauschenden Party auch mal ein ganzes Päckchen. Ich rauchte gern. Mir hätte niemand zu sagen brauchen, rauchen schade der Gesundheit. Ich hätte ihm gesagt, ich könne schon selber auf meine Gesundheit aufpassen, vielen Dank.

Aber es gibt Dinge, die man mit den Jahren anders zu sehen beginnt. Zum Beispiel die Sache mit dem Rauchen.

Ab 1. Mai gilt in der Schweiz ein generelles Rauchverbot in Restaurants.

Alle, die jetzt so medienwirksam den Verlust ihrer Genussfreiheit beklagen, würde ich gerne ans Krankenbett meines Schwiegervaters (79) mitnehmen.

Er liegt seit einem Monat (!) auf der Intensivstation. Eine Lungenentzündung hat ihn hingebracht. Seine Lunge ist von ein paar Jahrzehnten Rauchen total kaputt.

Besonders eindrücklich wird es jeweils, wenn die Pflegerin ihm mit einem Rohr das Wasser von der Lunge saugt. Es klingt, als würde jemand mit einem riesigen Strohhalm einen fast leeren Schüttelbecher aussaugen. Wobei das Wort "Schüttelbecher" mit Bedacht gewählt ist: Denn das ist es, was die Saugerei aus dem Tigervater macht: einen grossen, wehrlosen, entsetzten Schüttelbecher.

Zur Erholung hier die rauchige Stimme des Tages:

26
Apr
2010

Schlampen, schummeln

Hier ein interessanter Link zu meinem neuen Lieblingsthema "kaputter Sozialstaat".

Er zeigt: Schweizer Gutachter für die Sozialversicherungen schummeln und schlampen und verdienen ordentlich Geld - alles auf dem Buckel der Betroffenen.

Ihr werdet Euch fragen: Warum dieses Drama um die Gutachter? Wer keine Invalidenrente oder kein Geld von der Unfallversicherung bekommt, soll doch einfach zum Sozialamt gehen! Nun, unser Schweizer System sorgt dafür, dass der Run auf die IV für alle irgendwie Geschwächten attraktiv bleibt.

Denn wer die Gutachter-Hürden übersteht und eine IV-Rente erhält, erhält damit gewissermassen ein Gütesiegel. Es berechtigt ihn zum Bezug weiterer Gelder: So bekommt er eine Rente von seiner Pensionskasse (wie er sie normalerweise erst ab 65 bekäme). Damit macht er schon mal 60 Prozent seines ursprünglichen Einkommens. Hat er auch noch eine Lebensversicherung, so wird diese ihm wegen Erwerbsunfähigkeit ausgezahlt. Damit wird er zum Krösus unter den Bettlern.

Wer dagegen zum Sozialamt geht, bekommt von Staat das bare Existenzminimum - aber erst, wenn er sein ganzes Erspartes aufgebraucht hat. Zahlungen an die Lebensversicherung werden sistiert, er verliert also auch noch Geld, das er im Alter einmal gebrauchen könnte. Und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Er gilt als Scheininvalider und damit als Abschaum.

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war das alles noch kein Thema. Wer irgendwie kränkelte, bekam eine IV. Dann kam die erste grosse Krise. Arbeitsplätze wurden plötzlich knapp. Die Chefs reagierten, indem sie Hunderttausende in Frührente schickten: die Älteren in die Frühpensionierung, die Jüngeren bekamen schon wegen irgendeiner Kleinigkeit eine IV-Rente nachgeworfen. Doch anfangs der Nuller-Jahre setzte sich in diesem Land das Rechtsbürgertum durch und damit die Überzeugung: Unser Land ist ein armes Land, das nicht jedes hungrige Maul würdig stopfen kann - und vor allem nicht diejenigen der vielen Scheininvaliden.

Fortan stieg die Zahl der Scheininvaliden und man schreckt auch nicht davor zurück, sie gegeneinander auszuspielen: Wer als Schweizer mit einem chronischen Schmerzleiden 100prozentig arbeitsfähig gestempelt wird, schimpft über die Ausländer. Das habe ich schon oft erlebt. Denn, so Volkes Stimme: Die sind angeblich am Niedergang der IV schuld, weil sich ja so viele von ihnen eine Rente zu ertrügen versucht haben.

Man zeigt so gerne auf Scheininvalide, dass daneben eine Tatsache vollkommen übersehen wird: Es gibt in diesem Land Leute, für die die Arbeitswelt keinen Platz mehr hat. Wer zwei Stunden im Tag arbeiten kann, findet in diesem Land keine Stelle - egal ob ein Gutachter ihn für invalid befindet oder nicht. Und unsere Wirtschaft und unser Sozialsystem sind im Moment nicht in der Lage, solchen Menschen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. An dieser Tatsache ändern alle Schneckentänze der Gutachter, der IV, der Politiker nichts. Es ist eine unbequeme Tatsache.

Eine, die die Idee eines Grundeinkommens für alle plötzlich viel attraktiver aussehen.

24
Apr
2010

Rückschlag für Sparhysterikerin

Frau Frogg ist Sparhysterikerin geworden. Da ist neu. Grund: Sie rechnet sie aus gesundheitlichen Gründen mit einer baldigen, ziemlich dramtischen Lohneinbusse. Deshalb prüft sie jetzt bei jedem Einkauf Sparmöglichkeiten. Miuntiösestens. Sie hat Einkaufen zum Kampfsport erklärt. Gekämpft wird um jeden Rappen. Ich lernte schnell:
  • Das billigste Shampoo gibts bei Migros: M-Budget, Fr. 1.20 für 500 ml. Der Piniennadelduft ist nichts für empfindsame Riechorgane, aber die Qualität ist ok. (Sparpotential im Vergleich zu anderen Produkten: 70 Rappen bis 5 Franken)
  • Die billigste Schokolade gibts bei der Migros, 100 Gramm für 60 Rappen (M-Budget), es ist schnörkellose Haselnuss-Milchschokolade, gar nicht schlecht (Sparpoztenzial ca. 60 Rappen)
  • (Tja, Frau Wallküre, die Zeiten der Ragusa-Herrlichkeit werden bei mir einstweilen seltener)
  • Die billigste Sojamilch gibts bei der Migros: Fr. 1.90 für die geniessbare Variante mit Vanille (die vanillelose Sort kostet auch bei Coop Fr. 1.90, und sie schmeckt nur ganz wenig fader als Karton. Die DeLuxe-Variante, eine verfeinerte Vanille-Sojamilch, gibt's bei Coop für Fr. 2.30). Einsparungspotenzial: 40 Rappen.
  • Die billigste kalorienreduzierte Margarine gibts bei Coop: Fr. 3.25 für 500 g Lätta. (Sparpotenzial unklar, da die Migros kleinere Packungen verkauft.
Ich müsste lügen, wenn ich nicht gestehen würde, dass Frau Frogg ein winzigkleines Bisschen stolz ist auf ihre Rappenklauberei.

Aber neulich musste sie einen herben Rückschlag einstecken. Sie musste lernen: Wer beim Sparen wirklich Erfolg haben will, braucht ein tadelloses Zeitmanagement. Sie verschlampte ihren Termin bei der Dentalhygienikerin. Kostenpunkt: 80 Franken.

Der Soundtrack zu diesem Eintrag.

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