28
Apr
2010

Rauchverbot

Diesem Eintrag muss ich eins vorausschicken: Ich habe selber ein paar Jahre geraucht. Ich verpaffte pro Tag fünf bis sechs Zigaretten, an einer rauschenden Party auch mal ein ganzes Päckchen. Ich rauchte gern. Mir hätte niemand zu sagen brauchen, rauchen schade der Gesundheit. Ich hätte ihm gesagt, ich könne schon selber auf meine Gesundheit aufpassen, vielen Dank.

Aber es gibt Dinge, die man mit den Jahren anders zu sehen beginnt. Zum Beispiel die Sache mit dem Rauchen.

Ab 1. Mai gilt in der Schweiz ein generelles Rauchverbot in Restaurants.

Alle, die jetzt so medienwirksam den Verlust ihrer Genussfreiheit beklagen, würde ich gerne ans Krankenbett meines Schwiegervaters (79) mitnehmen.

Er liegt seit einem Monat (!) auf der Intensivstation. Eine Lungenentzündung hat ihn hingebracht. Seine Lunge ist von ein paar Jahrzehnten Rauchen total kaputt.

Besonders eindrücklich wird es jeweils, wenn die Pflegerin ihm mit einem Rohr das Wasser von der Lunge saugt. Es klingt, als würde jemand mit einem riesigen Strohhalm einen fast leeren Schüttelbecher aussaugen. Wobei das Wort "Schüttelbecher" mit Bedacht gewählt ist: Denn das ist es, was die Saugerei aus dem Tigervater macht: einen grossen, wehrlosen, entsetzten Schüttelbecher.

Zur Erholung hier die rauchige Stimme des Tages:

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https://froggblog.twoday.net/stories/6313464/modTrackback

acqua - 28. Apr, 19:20

Geht es ihm also noch immer nicht besser? Das tut mir leid.
"Absaugen" war wohl die von mir meistgehasste Arbeit im Spital. Eben wegen diesem wehrlosen Entsetzen. Den Angehörigen habe ich allerdings wenn immer möglich nahegelegt, währenddessen vor die Türe zu warten.

diefrogg - 28. Apr, 19:33

Doch, es geht ihm...

zum Glück schon besser. Er ist zwar immer noch an der Lungenmaschine und kann deshalb noch immer nicht sprechen. Aber er hat wieder genügend Kraft in den Händen, um dumme Sprüche auf die Ritsch-Ratsch-Tafel zu schreiben.
Es hat mich auch erstaunt, dass die Schwester das gemacht hat, währenddem wir zuschauten. Aber ich muss sagen: Es war sehr lehrreich. Man sieht das Leben anders, wenn man dabei einmal zugeschaut hat.
acqua - 28. Apr, 19:43

Ich glaube ja, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn alle Menschen in ihrem Leben einmal einen Monat lang auf einer Spitalabteilung arbeiteten. Allerdings würde umgekehrt die Qualität unserer Spitäler dadurch wohl eher nicht besser.
(Das soll jetzt natürlich nicht heissen, dass alle Pflegepersonen gute Menschen sind. Aber Spitalerfahrung hilft den meisten dabei, glaube ich.)
diefrogg - 28. Apr, 20:31

Ach, die meisten...

Pflegefachleute, die ich erlebt habe, sind wirklich sehr freundlich. Was mich dagegen überrascht hat, ist, dass eine hohe Empathie-Fähigkeit bei Pflegefachleuten und Ärzten nicht sehr verbreitet ist. Als ich im Spital war, hat niemand gemerkt, dass ich einem Nervenzusammenbruch nahe war - obwohl ich das sogar gesagt habe und heftige Angstzustände typische Begleiterscheinungen einer akuten Meniere-Erkrankung sind. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die Pflegefachleute es gar nicht merken wollten. Dabei hätte ich wahrscheinlich weniger lang Probleme gehabt, wenn sie es gemerkt hätten.
Übrigens habe ich eben erfahren, dass der Tigervater von der Lungenmaschine weg ist. Es geht also doch aufwärts.
acqua - 28. Apr, 20:35

Dagegen kann ich nun nichts einwenden. Ich glaube, du hast Recht. Und ich muss wohl auch mich selbst (bzw. mein ehemaliges selbst) an der Nase nehmen. Ich kann mir ein paar Gründe dafür vorstellen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie zutreffen und ich will hier auch nicht nach Ausflüchten suchen.
diefrogg - 28. Apr, 21:11

Ach, da warst Du...

ja nicht mitgemeint! Brauchst Dich also nicht an der Nase zu nehmen! Und ich möchte nicht ausschliessen, dass ich keine besonders sympathische Patientin war ;) Vielleicht haben sie es deswegen nicht gemerkt.
acqua - 28. Apr, 21:22

Dass der Tigervater nicht mehr beatmet werden muss, sehe ich ja erst jetzt. Das ist ja wunderbar!

Ich weiss schon, dass du nicht mich gemeint hast. Aber ich glaube, dass ich während der Arbeit oft so reagiert habe, wie du es beschrieben hast. Und weiters glaube ich nicht, dass du keine sympathische Patientin warst.
diefrogg - 28. Apr, 22:15

Ach, weisst Du,

ich glaube, Krisensituationen bringen das Schlimmste aus den Menschen heraus - und das Beste: Firmenfusionen, Krankheiten,Todesfälle. Alles immer ein Test für die guten Manieren und die Menschlichkeit!
jueb - 29. Apr, 09:09

apropos rauchige Stimme...
Zugeben, was jetzt kommt, ist musikalisch um Welten flacher, aber wenigstens auch charmant, und kann Ihnen - liebe Frau Frogg - Schubkraft für Ihr Romanprojekt verpassen, nicht wahr?
http://www.youtube.com/watch?v=9cW_Fv7uS7k&feature=PlayList&p=7EF689C5416C2D5F&index=0&playnext=1

diefrogg - 30. Apr, 09:46

Oh, das ist aber...

ein schöner Link. "Oh wann kommst Du?" war eine der ersten Singles, die meine Eltern besassen. Ich hörte sie täglich x-mal. Meine Mutter muss einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen sein.



A propos rauchige Stimme: Das ist ja auch ein besseres Beispiel für eine rauchige Stimme. Tine Turners Organ als "rauchig" zu bezeichnen, ist ein wenig gesucht. "Eine Stimme wie ein Vulkanausbruch" ist wohl präziser.

Und was das Buch betrifft: Ja, selber das Buch zu sein! Das ist vielleicht die Lösung!
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