26
Apr
2010

Schlampen, schummeln

Hier ein interessanter Link zu meinem neuen Lieblingsthema "kaputter Sozialstaat".

Er zeigt: Schweizer Gutachter für die Sozialversicherungen schummeln und schlampen und verdienen ordentlich Geld - alles auf dem Buckel der Betroffenen.

Ihr werdet Euch fragen: Warum dieses Drama um die Gutachter? Wer keine Invalidenrente oder kein Geld von der Unfallversicherung bekommt, soll doch einfach zum Sozialamt gehen! Nun, unser Schweizer System sorgt dafür, dass der Run auf die IV für alle irgendwie Geschwächten attraktiv bleibt.

Denn wer die Gutachter-Hürden übersteht und eine IV-Rente erhält, erhält damit gewissermassen ein Gütesiegel. Es berechtigt ihn zum Bezug weiterer Gelder: So bekommt er eine Rente von seiner Pensionskasse (wie er sie normalerweise erst ab 65 bekäme). Damit macht er schon mal 60 Prozent seines ursprünglichen Einkommens. Hat er auch noch eine Lebensversicherung, so wird diese ihm wegen Erwerbsunfähigkeit ausgezahlt. Damit wird er zum Krösus unter den Bettlern.

Wer dagegen zum Sozialamt geht, bekommt von Staat das bare Existenzminimum - aber erst, wenn er sein ganzes Erspartes aufgebraucht hat. Zahlungen an die Lebensversicherung werden sistiert, er verliert also auch noch Geld, das er im Alter einmal gebrauchen könnte. Und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Er gilt als Scheininvalider und damit als Abschaum.

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war das alles noch kein Thema. Wer irgendwie kränkelte, bekam eine IV. Dann kam die erste grosse Krise. Arbeitsplätze wurden plötzlich knapp. Die Chefs reagierten, indem sie Hunderttausende in Frührente schickten: die Älteren in die Frühpensionierung, die Jüngeren bekamen schon wegen irgendeiner Kleinigkeit eine IV-Rente nachgeworfen. Doch anfangs der Nuller-Jahre setzte sich in diesem Land das Rechtsbürgertum durch und damit die Überzeugung: Unser Land ist ein armes Land, das nicht jedes hungrige Maul würdig stopfen kann - und vor allem nicht diejenigen der vielen Scheininvaliden.

Fortan stieg die Zahl der Scheininvaliden und man schreckt auch nicht davor zurück, sie gegeneinander auszuspielen: Wer als Schweizer mit einem chronischen Schmerzleiden 100prozentig arbeitsfähig gestempelt wird, schimpft über die Ausländer. Das habe ich schon oft erlebt. Denn, so Volkes Stimme: Die sind angeblich am Niedergang der IV schuld, weil sich ja so viele von ihnen eine Rente zu ertrügen versucht haben.

Man zeigt so gerne auf Scheininvalide, dass daneben eine Tatsache vollkommen übersehen wird: Es gibt in diesem Land Leute, für die die Arbeitswelt keinen Platz mehr hat. Wer zwei Stunden im Tag arbeiten kann, findet in diesem Land keine Stelle - egal ob ein Gutachter ihn für invalid befindet oder nicht. Und unsere Wirtschaft und unser Sozialsystem sind im Moment nicht in der Lage, solchen Menschen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. An dieser Tatsache ändern alle Schneckentänze der Gutachter, der IV, der Politiker nichts. Es ist eine unbequeme Tatsache.

Eine, die die Idee eines Grundeinkommens für alle plötzlich viel attraktiver aussehen.
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