14
Jul
2009

In der Touristenhorde

Früher hat sich die Frogg ja immer vorgemacht, ihre Reisen seien wenigstens ein bisschen anders als die Reisen ihrer biedereren Mitmenschen. Ich meine, eine Gotthardwanderung, wer macht das schon?! Und wer ist in New Orleans, zwei Monate vor dem Ausbruch von Katrina? Und wer macht schon eine Expedition nach Asien... naja, jedenfalls an den Westrand von Asien, in die Türkei? Doch schon in der Türkei bröckelte die Illusion. Wer sich einmal unter 1000 anderen Reisenden mit hitzegeröteten Gesichtern durch Ephesos gewälzt hat, weiss warum. Es mag versnobbt klingen, aber die Gegenwart von so vielen Mittouristen entwertet die eigene Erfahrung. In Kroatien aber krachte Frau Froggs Selbstbild endgültig und mit Getöse in sich zusammen.

Denn an der kroatischen Küste ist man als Tourist nirgendwo allein. Egal, wie individuell zu fühlen man sich entschliesst, man ist und bleibt Massentourist. In Istrien und Kroatien sieht es nicht selten so aus:

DSCN1394

Die Mittouristen verstellen den Blick auf das, was man eigentlich sehen möchte. Das Bild habe ich bei den Krka-Fällen in der Nähe von Sibenik gemacht. Ja, dort wurden ein paar Szenen der Winnetou-Filme gedreht. Aber nicht nur deswegen gab es dort so viele Schaulustige. Nein. Kroatien ist nicht nur ein Reiseziel deutscher und österreichischer Massentouristen. Kroatien wird auch von Engländern, Spaniern, Italienern und Skandinaviern besucht - also von Leuten, die über Winnetou gar nichts wissen. Nach Kroatien reisen zudem angefressene Segler, wichtigtuerische Yachtbesitzer und Kreuzfahrten-Gruppen. Und Kroatien ist die Riviera der slawischen Völker: In Scharen strömen im Sommer Menschen aus Russland, Polen und Tschechien hierher, aus der Slowakei, Slowenien und Slawonien. Biblisch, sage ich Euch. Biblisch.

Ich überlegte mir schon, ob ich auch wirklich eine gute Touristin sei (gute Touristen sind für Touristiker jene, die im Schnitt 50 Euro im Tag oder mehr ausgeben). Glücklicherweise war ich am Ende aber doch zu faul zum Rechnen.

Klar, es gibt gute Gründe nach Kroatien zu reisen. Kroatien zehrt von einer architektonisch beeindruckenden Vergangenheit. Schon die Römer haben hier Spuren hinterlassen, später auch die Venezianer, und dann hatten die Kroaten ein paar hervorragende Baumeister. Und landschaftlich? Wunderschön!

Nur: Die Frogg hatte in Kroatien kaum je das Gefühl, etwas entdeckt zu haben. Wenn sie kam, waren immer schon Hunderte da.

Aber das hatte auch gute Seiten: Nie habe ich mir mehr Gedanken gemacht über Sinn und Zweck des Reisens.

Und dann habe ich ja zum Glück meinen Blog, auf dem ich diese Reise wenigstens auf meine eigene Weise dokumentieren kann.

12
Jul
2009

Auf dem Meer

DSCN1458

Auf blaue Wassermassen blicken
In den schäumenden Schlagrahm hinter der Schiffsschraube
Sich von den Wogen wiegen lassen
Dazu die Melodie von "Azzurro" trällern und kichern, weil es passt - und weil es doch nicht passt
Die Wärme spüren
Den Wind spüren
Mit der Zunge Salzkörner vom Handrücken pflücken, er ist sonnenbraun
Dem Song des Schiffsmotors lauschen

Kirschen essen
An den letzten Pfirsichen vom Markt in Dubrovnik riechen
Sie sind sonnenwarm

Zum Horizont blicken

Nichts tun. Nicht einmal fragen

Vielleicht gebe ich mich doch damit zufrieden, eine Suchende zu sein und nicht eine Findende.

(Auf der Fähre von Dubrovnik nach Bari, am 10. Juli 2009)

19
Jun
2009

...und tschüss!

Eigentlich wollte ich mein zweites Türkei-Epos mit dem Eintrag "Die Riesenspinne auf dem Meeresgrund" abschliessen. Aber dafür reicht die Zeit nicht mehr. Naja, es handelte sich auch nicht um eine echte Riesenspinne. Sondern "nur" um eine riesige Krabbe. Und der Meeresgrund, auf dem wir sie sahen, war nur 20 Zentimeter tief. Der Wirt eines einsamen Restaurants hatte sie gefangen. Dann hatte er sie bei seiner Bootsanlegestelle mit einem Schnürchen an einen Pfosten gebunden. Da sass sie und bewegte sacht eines ihrer Spinnenbeine.

Stolz zeigte der Wirt uns seinen Fang. Die Szene fühlte sich an wie ein Fellini-Film.

Aber eben. Morgen verreise ich für drei Wochen mit Herrn T. Ich habe schon wieder Ferien, weil ich Überstunden abbauen darf.

Diesmal geht es nach Venedig und Kroatien.

17
Jun
2009

Eine Türkin will reisen

Woran denkt Ihr, wenn Ihr an türkische Frauen denkt. An Kopftücher? Naja, wenn dem so ist, dann bin ich vielleicht selber nicht unschuldig daran. Deswegen. Höchste Zeit, Euch mit der Türkin bekannt zu machen, die Acqua und ich besser kennen lernten. Ein Kopftuch zu tragen lag dieser Frau fern.

Wir trafen sie in Üçağız, auf einer Bootstour. Die Reise sollte um zehn Uhr beginnen. Doch unsere neue Bekannte führte sich ein, indem sie uns warten liess. Sie kam erst kurz nach 10.15 Uhr. Als sie dann grazil ins Boot hüpfte, übersah sie unsere kritischen Blicke und verlor keine Zeit mehr. Innert der nächsten Stunde versuchte sie unsere Reisepläne radikal zu ändern. Und sie eroberte sie unsere Herzen - und jenes des jungen Bootsmannes.

Sie heisst Funda. Erst konnte ich mir ihren Namen nicht merken, aber später lieferte sie uns eine Eselsbrücke. "Ich heisse Funda, aber ich bin keine Fundamentalistin", lachte sie. Nein, wahrlich nicht! Mit ihren hellen Haaren und den blonden Streifchen hätte sie eine junge Griechin sein können. Oder eine Holländerin. Das einzige, was an ihr entfernt an Musliminnen erinnerte, waren ihre fröhlichen, gelben Pluderhosen. Sie nahmen sich wie eine augenzwinkernde Anspielung an die ländliche Welt rund um uns aus. Sie arbeitet in der Tourismusbranche in einer Stadt an der türkischen Südküste und hat dort bereits Karriere gemacht.

Dass sie zu spät gekommen war, gehörte zu ihrem Auftritt. Sie gibt sich gerne etwas zerstreut. Sie hatte diesen leichten Charme, der Männer dazu bringt, alles für einen zu tun. Und der zuweilen einen eisernen Willen versteckt. Uns und den Bootsmann jedenfalls hätte sie beinahe dazu gebracht, unsere ganzen Pläne über den Haufen zu werfen und ganz woanders hin zu fahren als ursprünglich vorgesehen. Wenn wir nicht vergessen hätten, dass es in Üçağız keinen Bancomaten gibt, wären wir Funda bis ans andere Ende dieses zauberhaften Buchtensystems gefolgt. So aber waren wir etwas knapp bei Kasse. Wir blieben beim kurzen Bootstrip nach Kekova und Simena. Dort liess uns der Bootsmann allein, nicht ohne Funda um ihre Handy-Nummer gebeten zu haben. Wir setzten uns ins Restaurant und redeten. Wenn gerade nicht ihr Handy düdelte.

Irgendwann stellte sich heraus, dass es so oft klingelte, weil jenem Tag ihr 26. Geburtstag war.

Ihre Reise nach Üçağız war also so etwas wie ein Geburtstagsausflug. Dass sie allein war, schien sie keine Minute zu stören. Sie hatte schon jede Menge Bekannte in Üçağız. Obwohl sie erst gestern angekommen war. Sie genoss die Reise, aber eigentlich war auch klar: Irgendwann wollte sie noch weiter reisen. Nach Kuba. Oder Thailand. Oder die USA. "Und in die Schweiz?" fragten wir. Wahrscheinlich nicht", sagte sie. "Es ist so schwierig, ein Visum für den Westen zu bekommen! Erst recht seit 9/11." Sie wartete gerade vergeblich auf ein Visum für die Vereinigten Staaten. Und dann gäbe es da noch ein anderes Problem: "Wenn Du jung und aus der Türkei bist, dann haben die im Westen Angst, dass Du bei ihnen arbeiten willst. Die lassen Dich erst herein, wenn Du in der Türkei ein Haus besitzt oder verheiratet bist." Und beider sei bei ihr nicht der Fall. "Heiraten würde mir nie einfallen", sagte sie, "Aber vielleicht heirate ich, nur damit ich ein Visum bekomme und im Westen reisen kann!" Welch seltsame Formen der Scheinehe unsere Welt hervorbringt!

Es ist bedauerlich, dass Leute wie Funda gewissermassen in ihrem Land eingesperrt bleiben. Ich meine: Die Frau kann besser reisen als viele Europäer, die mir begegnet sind. Sie hat ein lebhaftes Interesse für die Welt um sich. Sie liest, sie will Dinge wissen, sie ist kontaktfreudig. Und sie versteht die Gastfreundschaft - was einem auch als Gast hilft. Mir hat sie das Grundprinzip der türkischen Gastfreundschaft erklärt: "Meine Mutter hat immer gesagt, an müsse die Bedürftigkeit des Gastes sehen und verstehen - und zwar als grundsätzliche, menschliche Bedürftigkeit."

Naja, was hier etwas theoretisch klingen mag, klang aus ihrem Mund und auf Englisch echter und menschlicher als jedes Bekenntnis eines professionellen westlichen Touristikers.

Am nächsten Tag musste Funda zurück zur Arbeit. Aber sie hatte keine Fahrgelegenheit. Wie und ob überhaupt sie es dennoch schaffen würde, wurde ein ständiges Thema für den Rest Tages, eine Art Running Gag. Unschuldig lächelnd erzählte sie von ihrer Unart, nach jeder Reise ein paar Tage zu spät zur Arbeit zurück zu kommen. Sie hatte sogar schon versucht, ihren Chef zu erreichen, um ihn um eine Verlängerung zu bitten. Am Ende jenes Tages hatte ich ein lebhaftes Bild ihres Chefs vor Augen. Er raufte sich die Haare so sehr, dass ich nicht sah, ob er überhaupt noch welche hatte.

Am nächsten Tag sahen wir sie nur noch kurz.

Aber später hörten wir, sie sei pünktlich gewesen. Gerade noch.

16
Jun
2009

Paradies Nummer 2

Ich muss mit meinem Türkei-Epos vorwärts machen. Am Samstag verreise ich nämlich schon wieder - diesmal in die grossen Ferien mit Herrn T. (Warum ich heuer so oft Ferien habe, erzähle ich Euch später).

Unsere Reise durch Lykien führte uns nach sechs Nächten weg von Çıralı. Wir begaben uns zunächst nach Myra, wo einst St. Nikolaus wirkte. Dann liessen wir uns für ein paar Nächte in Üçağız nieder. Wiederum eine hervorragende Wahl: Üçağız ist ein kleines, sehr ländlich gebliebenes Dorf am Meer, mitten in einer überwältigend schönen Karstlandschaft. Hier der Blick aus von unserer Pension auf den Hafen.

Üçagiz

Wäre ich nicht eben aus dem Paradies gekommen - ich glaube, ich hätte Üçağız für einen (wenn auch unerwartet steinigen) Garten Eden gehalten. Aber Çıralı war nicht mehr zu übertreffen. Wenn auch vielleicht nur darum nicht, weil Çıralı einfach zuerst gekommen war.

Rund um Üçağız gibt ein ganzes System von kleinen und grossen Buchten. Das Land hier ist in 2000 Jahren 15 Meter gesunken - weshalb es versunkene Städte gibt, etwa das weit herum bekannte Kekova. Und überall stehen Jahrhunderte alte Sarkophage herum.

Aperlae
(Hier bei Aperlae)

Das macht zuweilen einen leicht gespenstischen Eindruck. Aber man gewöhnt sich dran. Die Frogg fand sie mit der Zeit sogar etwas inflationär.

Die Gegend Üçağız erforscht man am besten auf Bootsausflügen. Eigentlich ist das Anbieten von Bootsausflügen sogar die Haupteinnahmequelle der Leute von Üçağız. Zwei Bootsausflüge machten wir denn auch, als wir dort waren. Auf einem davon trafen wir Funda. Aber das erzähle ich nächstes Mal.
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