24
Mrz
2009

Seele verkauft

Trotz meiner Abneigung gegen dieses Buch. Ein Zitat daraus werde ich Euch nicht ersparen: "Everybody sells their soul to the devil. I just decided that I'd get a damn good price for mine." (S. 11)

Und dazu gleich noch ein paar Fragen:
1) Habt Ihr Eure Seele schon verkauft?
2) Habt Ihr einen guten Preis dafür bekommen?
3) Habt Ihr dafür auch schon ein bisschen Hölle im Diesseits abgesessen?

"Nicht doch!" höre ich jetzt meine imaginäre Leserin Ulrike unken. "Ich bin mir stets treu geblieben. Nur so wird man im Leben glücklich!" Darauf, liebe Ulrike, gibt es eine gute Antwort: "Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen kommen überall hin."

22
Mrz
2009

Anderson's "Cityboy": Verriss

Bücher über die Finanzkrise boomen zur Zeit. Auch solche, die dem Phänomen literarisch beizukommen versuchen. Ich habe zur Zeit diesen Titel aus Grossbritannien auf dem Nachttisch.

Eben habe ich in dern Sonntagszeitung gelesen, dass das Buch nächste Woche auf Deutsch erscheint. Sofort entschloss ich mich, vor der Lektüre zu warnen. Nicht lesen sollten es all jene, die von einem Buch einen halbwegs differenzierten Einblick in die Tiefe der menschlichen Seele erwarten.

Schon der Untertitel hätte mich warnen müssen: "Beer and Loathing in The Square Mile" legt zwar Anlehnung an ein grosses Vorbild nahe: Fear and Loathing in Las Vegas stammt von Hunter S. Thompson und damit von einem literarischen Schwergewicht. Doch die Anspielung klingt wie eine alkoholselige Verballhornung, und genau diese Erwartung löst der Text auch ein. Geraint Anderson bleibt in seinem Sinnieren fast durchwegs dem Bier (wahlweise auch dem Koks) verhaftet. Er schildert seine Abstürze und die seiner Kollegen mit einer wenig erhellenden Mischung aus moralischer Empörung und pubertärem Stolz: "Boahhh! Ihr glaubt nicht, wie voll ich war!" könnte ein Zitat von Anderson sein. Keine literarisch wertvolle Aussage, wenn Ihr mich fragt.

Überhaupt: Anderson's sprachliche Fähigkeiten bewegen sich auf der Skala irgendwo zwischen "noch witzig" und "vollkommen banal". Es gibt darin Sätze, die ich auf den Mond schiessen könnte, so nichtssagend sind sie. Zum Beispiel (Cityboy über seinen Chef): "I knew David was married and the fact he was willing to introduce me to his mistress made me feel part if his ' inner circle of trust' and that made me feel good'." (S. 27)

Es könnte ja sein, dass Anderson will, dass seine Romanheld so spricht - weil er eben einer dieser Banker-Idioten ist und über sich und die Welt nichts Geistreicheres sagen kann. Aber ich kann mich des Verdachts nicht ganz erwehren: Anderson kann es nicht besser. Er schreibt bekanntlich hier seine eigene Geschichte.

Naja, vielleicht hat die Frogg zu viel erwartet, als sie sich von einem einstigen Analysten eine literarische Reise in die Abgründe der Banker-Seele versprach. Da sollte ich mich vielleicht doch an den Ex-Marketing-Mann Martin Suter halten. Er hat die kleinen Eitelkeiten der Zürcher Business-Leute leichtfüssig und doch brilliant beschrieben. Aber eine halbwegs ernst zu nehmende Erörterung der Frage, was die Banken der Welt in den Abgrund getrieben hat, sollte bei Anderson laut Vorbesprechungen eigentlich drinliegen, dachte sie. Bis jetzt: Fehlanzeige.

Klar: Banker sind zynische Typen und geldgeil. Sie koksen und sie sind ach so versoffen! Haben wir es nicht schon lange gewusst? Klar: Männer unter sich machen gerne sexistischen Witzchen. Wer sich diesbezüglich weiterbilden möchte, wird im Buch übrigens gut bedient. Wahrscheinlich ist es nicht zuletzt deswegen ein Bestseller geworden. Und klar: das Banker- Business kennt zynische Überlebens-Regeln. Doch welches Business kennt die nicht? Das alles macht die Menschen in den schwarzen Anzügen zwar nicht sympathischer. Aber es erklärt nicht das Versagen des ganzen Systems.

Vielleicht lässt es vor allem eine alarmierende Feststellung zu: Wenn Anderson derjenige mit dem menschlich besten Durchblick in dieser Zunft ist, dann Gnade uns Gott.

20
Mrz
2009

Horror-Thriller für Patientin Frogg

Ja, ja ich weiss: Das Buch sieht überhaupt nicht spannend aus. Es sieht aus wie ein ungeheuer langweiliges Medizinfachbuch. Es ist auch ein Medizinfachbuch. Aber nicht deshalb habe ich mit der Lektüre jahrelang gezögert. Nein. Ich fürchtete mich davor. Ich hatte auch eine Ausrede. "Die drei wichtigsten Dinge über die Krankheit, die ich habe, weiss ich", pflegte die Frogg zu sagen, "Erstens: Niemand weiss, wo sie herkommt. Zweitens: Niemand weiss, wie sie verläuft. Und drittens: Niemand kann sie heilen."

In diesem Falle wäre Wissen nicht einmal Macht. "Also brauche ich gar nicht mehr wissen", sagte die Frogg.

Aber neulich abends habe ich dann doch angefangen, das Buch zu lesen. Mara hat es mir in die Tasche gesteckt. Auch eine Menière-Patientin.

Schon das erste Kapitel fährt mir mehr ein als alle schwarzen, goldgeprägten Anglo-Thriller auf meinem Büchergestell zusammen.

Manches daran fühlt sich tröstlich an. Vertraut. Es ist gut zu wissen, dass andere dasselbe erlebt haben wie ich: "Der typische Drehschwindel tritt in der Regel anfallsweise ... auf. Das kann zu allen Tageszeiten geschehen, auch nachts aus dem tiefen Schlaf heraus." (S.3)

Auch das hier gibt mir so etwas wie einen angenehmen Thrill: "Das japanische Gesundheitsministerium hat den Morbus Meniere 1974 auf die Liste der insgesamt 43 schwer behandelbaren Krankheiten gesetzt." (S.2) Es ist eben doch so, wie mein Hausarzt einmal gesagt hat: "Manchen Patienten gibt es eine narzisstische Befriedigung, an einer kuriosen Krankheit zu leiden." Auf der anderen Seite: Eigentlich würde ich lieber auf beiden Ohren gut hören und nie mehr Angst vor der nächsten Schwindelattacke draussen auf der Strasse zu haben. Ehrlich!

So richtig mulmig wird mir, wenn ich lese, dass Morbus Meniere "zu beidseitiger Taubheit, Unsicherheit und Hilflosigkeit bis hin zur Berufsunfähigkeit führen kann": (S XI)

Und wenn Schaaf verspricht, auf "psychosomatische Aspekte dieses oft Jahre anhaltenden Krankheitsbildes" zu sprechen zu kommen, dann fahre ich das Arsenal meiner Abwehrargumente auf: "Ich habe mich mit meinem Leben arrangiert, und das war schwierig genug. Ich werde alles tun, was mir guttut. Aber wenn mir jemand erklären will, was ich an mir oder meinem Leben ändern soll, dann ist er an der falschen Adresse! Jawoll!!!" sagt die Frogg grimmig.

Zum Glück ist Herr Schaaf bislang vor allem auf die psychosomatischen Folgen andauerner Schwindelanfälle eingegangen: Depressionen, massive Ängste und allgemeine körperliche Verunsicherung. Damit kann ich mittlerweile umgehen. Ich habe gelernt: Ein Meniere-Anfall auf der Strasse ist weniger schlimm als ein Kreislaufzusammenbruch: Wer einen Meniere-Anfall hat, bleibt bei Bewusstsein. Er kann (meistens) kontrollieren wie er fällt und nötigenfalls um Hilfe bitten."

"Nein! Du kannst mir keine Angst machen, Schaaf!" sagt die Frogg. Aber bevor ich das Licht lösche und einschlafe bringe ich das Buch doch noch schnell hinaus in ein anderes Zimmer. Ich will nicht, dass es mich bis in meine Träume verfolgt.

Hemut Schaaf: Morbus Menière; Schwindel - Hörverlust - Tinnitus, eine psychosomatisch orientierte Darstellung; Heidelberg: Springer, 5. Auflage, 2007.

18
Mrz
2009

Vergewaltigt: Wer ist Schuld?

Wenn es etwas gibt, was mich wirklich empört, dann ist es die Aussage: "Eine Frau, die vergewaltigt wird, hat die Vergewaltigung selber auf sich gezogen."

Ich halte diese Überzeugung für eine Erscheinungsform hochgradiger esoterischer Dümmlichkeit. In meinem Bekanntenkreis glaubte ich sie nachhaltig getilgt. Aber ich hatte mich getäuscht. Letztes Wochenende haben drei alte Freunde die ausgelatschte These aus der Mottenkiste geholt. Auch eine Frau war dabei.

"Und wie bitte soll sie das tun?" fragte ich.

"Das sind feinste energetische Schwingungen!" dozierte mein alter Freund Babar, der sich immerhin Psychologe schimpfen darf, in fachmännischem Ton. Er machte dabei eine Geste, als wolle er eine Stecknadel in eine dafür sorgfältig präparierte Wand schräubeln. Natürlich dürfe man die Handlung des Täters nicht ausklammern, antwortete er auf meinen Einwand. Tatsache sei aber, sagte er, dass es in New York eine Frau gäbe, die 563 mal (oder so) überfallen worden sei. Ich müsse doch zugeben, dass die das irgendwie selber beeinflusst haben müsse.

Ich murmelte etwas von "Humbug" und "urband legend", aber ich sah, dass ich gegen drei Opponenten nicht ankam, ohne unangemessen militant zu werden. So wurde ich statt dessen sprachlos vor Ärger.

Jetzt bin ich froh um Zu- und Widerspruch. Ich muss mein Argumentarium stärken. Für ein andermal.

16
Mrz
2009

Bäuchlein angesetzt

Es ist wieder so weit. Wir alten Freunde schlemmen uns durch unser jährliches Smörgasbord.

Nach dem Kaffee sitzen wir da und warme Gefühle senken sich über uns. Diese Zärtlichkeit, die man nur uralten Freunden gegenüber empfindet, von denen man weiss: Egal, wie weit wir uns von einander entfernen - wir werden irgendwann immer wieder einen Grund finden, einander zu mögen. François reibt sich genüsslich den Bauch und ich entdecke: Er hat das bekommen, was man hierzulande "es Ränzli" nennt. Ein Bäuchlein. Es muss daran liegen, dass auch er endlich Vater geworden ist. Es ist ein kleines Bäuchlein, er fährt schliesslich viel Rad. Aber es ist eins, unverkennbar.

François grinst: "Naja. Ich sage schliesslich immer: Wer will denn ein Sixpack, wenn er ein ganzes Fässchen haben kann?!"
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