8
Feb
2009

Bogart und Blanc

Lange Jahre war ich froh, dass sich mir keine Gelegenheit bot, mir Gilberte de Courgenay anzusehen. Ich hätte mich nur geärgert. Der Streifen ist der Kultfilm der Aktivdienst-Generation des Zweiten Weltkriegs. Und die steht für alles, was der jungen Frogg als verstaubt und dazu noch heucheleiverdächtig galt: Da waren all jene Männer, die brav an der Grenze standen und glaubten, sie hätten Hitler davon abgehalten, uns über die Türschwelle zu trampeln. Dass sich unsere Regierung ganz schön bei den Deutschen anbiederte und unsere Firmen gute Geschäfte mit ihnen machten, taten sie gern mit den zwei Sätzen ab: "Das versteht Ihr gar nicht. Das waren eben harte Zeiten damals." Dass es mit ein Grund gewesen sein dürfte, warum Hitler sich so wenig für das kleine Land an seiner Südgrenze interessierte, lassen sie sich lieber nicht sagen.

Die Zeit hat die Emotionen zu diesem Thema etwas gemässigt, auch jene der Frogg. So konnte ich mir Gilberte de Courgenay gelassen als Klassiker der geistigen Landesverteidigung zu Gemüte führen.



Der Tod der von Anne-Marie Blanc, die die Titelheldin spielte, bot der Frogg und Herrn T.einen guten Anlass. Blanc schaffte es rechtzeitig, sich den Staub Aktivdienstes von den Schultern zu schütteln und wurde zur grossen alten Dame des Schweizer Films. Am Freitag wurde bekannt, dass sie gestorben ist.


(Quelle: http://www.prixwalo.ch/)

Deshalb wurde ihr am Schweizer Fernsehen gestern Abend eine ausführliche Würdigung zuteil. Da Herr T. erkältet ist, schleppte ich ihn für einmal nicht ins Kino, sondern schaute mit ihm fern.

Nun ist es ja mit Klassikern so eine Sache. Manche sind alt geworden. Wenn Frische und Aktualität ihre Schwächen nicht mehr überstrahlen, dann sind sie bestenfalls blass aber würdig, schlimmstenfalls einfach peinlich. "Gilberte" ist irgendetwas zwischendrin. Der Humor funktioniert nur noch an wenigen Stellen, die Dialoge sind einfach nur sentimental. Dem legendären US-Klassiker Casablanca (auch zum Zweiten Weltkrieg) kann das Streifchen jedenfalls in keinster Weise das Wasser reichen.



Nun ja, das ist auch viel verlangt. Ich meine: Wer schlägt so etwas: Rick(Humphrey Bogart, fordert vom korrupten Vichy-Offizier mit der Waffe in der Hand ein Visum und sagt): "Machen Sie vorwärts! Eine Pistole zielt direkt auf Ihr Herz."
Darauf der Vichy-Offizier: "Das ist meine am wenigsten verwundbare Stelle."

Sicher nicht "Gilberte de Courgenay"! Und doch habe ich zwischen den beiden Filmen eine überraschende Parallele entdeckt: Die Helden beider Filme, Rick und Gilberte, sind in eine Dreiecksbeziehung verwickelt. Beide verzichten schliesslich auf die Erfüllung ihrer Liebe - zu Gunsten des Rivalen oder der Rivalin. Rick rettet seiner Geliebten Ilsa und ihrem Mann Laszlo das Leben. Gilberte verliebt sich in den Soldaten Hasler, führt ihn aber schliesslich seiner Tilly zu, in die er zuvor verliebt war.

Es ist also die Entsagung, die Menschen in schweren Zeiten zu Helden macht. Eigentlich ganz einfach. Und trotzdem so romantisch verbrämt! Schlechte Zeiten sollen wir ja jetzt wieder bekommen. Da merke ich mir das für mein nächstes Buch!

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acqua - 8. Feb, 21:37

Kann sein, dass du mit deiner Filmkritik recht hast. Es ist schon ewig her, seit ich Gilberte de Courgenay gesehen habe und ich kann mich kaum mehr an Details erinnern. Aber vom Lied kann ich einen grossen Teil auswendig. Es ist eine wunderschöne Schnulze, finde ich. Und Annemarie Blanc war sowieso eine tolle Frau.

diefrogg - 8. Feb, 21:39

Letzteres...

darf man ruhig zweimal sagen! Ich fand sie als alte Frau beinahe noch toller als in ihren alten Filmen! Sie gibt mir Hoffnung, dass frau mit Stil alt werden kann.
acqua - 8. Feb, 22:01

Stimmt. Wie sie zu altern ist ein Ziel, das es wert wäre, verfolgt zu werden.
diefrogg - 8. Feb, 22:06

Ditto!

(Wie man zu Gilbertes Zeiten sagte).
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