18
Feb
2009

Salatschleuder-Trauma

Ich erfuhr es schon, bevor ich mit Herrn T. zusammenzog: Er nennt eine Salatschleuder sein Eigen.


(Quelle: www.cookplanet.de)

Ja, genau so ein unhandliches, nur unter Mühen abwaschbares - kurz: vollkommen unpraktisches Möbel, das primär der Zumüllung der Küche dient. Man kann darin Salat waschen und ihn danach trocken schleudern. Für alles andere reicht auch ein normales Löchersieb.

Ich zog trotzdem mit Herrn T. zusammen. Schliesslich liebte ich ihn. Ich war ich bereit, zu seiner Salatschleuder Ja zu sagen wie zu all seinen anderen Eigenheiten, Mödeli und Marotten.

Dennoch kam ich nicht umhin, sie ab und zu zur Sprache zu bringen: Wenn sie mir beim Kochen im Weg stand zum Beispiel. Und bald merkte ich: Die Salatschleuder war nur das am sperrigsten dastehende Symptom einer viel tiefer gehenden Verschiedenheit zwischen Herrn T. und mir. Herr T. ist das, was ich einen Küchen-Clutterer* nenne. Er empfindet Freude an der gerätschaftlichen Vielfalt in seiner Küche. Die Dinge darin sind Teil seiner selbst. Sie stellen ihn dar als Menschen mit Besitz und Distinktion. Er nennt auch Grapefruitmesser, eine Pouletschere, eine Joghurtmaschine seine Eigen und ist glücklich damit - seine Mutter hatte gar Messerbänkchen für die Sonntagstafel. Solche Neigungen sind kulturell oder erblich bedingt.

Dumm nur, dass seine Küche jetzt auch meine Küche war. Denn die Frogg ist eine ausgesprochene Küchen-Minimalistin. Eine praktische Küchenausrüstung besteht für mich aus wenigen, vielseitig verwendbaren Gegenständen. Musts sind lediglich: ein Sparschäler, eine Bircherraffel, eine Röstiraffel und ein von meiner Mutter passend Löcherbecken genanntes Stück (als Salatsieb und zum abtropfen lassen von Spaghetti geeignet).



Weitere Geräte zu horten und zu warten ist für mich Platz- und Zeitverschwendung.

Tja. Wie hätten wir ans Kinderkriegen denken können, wo so fundamentale Differenzen uns schon die Haltung einer gemeinsamen Küche beinahe verunmöglichten?

Zum Glück gelang es mir, schon früh viele von Herrn T.'s guten Stücken auf Nimmerwiedersehen ins Kabinett des Doktor Caligari zu verbannen. Aber nicht die Salatschleuder.

Sie blieb. Und sie sorgte für unzählige Debatten in unserem Bekanntenkreis. Denn von der Erkenntnis unserer küchentechnischen Differenz beflügelt, erforschten wir nun die Gewohnheiten unserer Bekannten. So unterhielten wir eine Zeitlang mit einem Salatschleuder-Forschungsprojekt nicht nur ganze Abendgesellschaften. Wir stellten dabei auch fest: Der Salatschleuder-Graben verläuft quer durch die dicksten Freundschaften. Ja, er entzweit auch andere Paare. Sogar solche, die sich an die Gründung einer Familie gewagt haben.

Wir staunten.

Bis ich merkte, dass ich begonnen hatte, die Salatschleuder auch zu benützen. Da staunte ich noch mehr. Ja, ich lernte sogar, Salatsaucen anders zuzubereiten: mit mehr Öl, Essig oder Milch. Denn merke: Geschleuderter Salat ist trockener als im Sieb gewaschener Salat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jetzt hat Herr T.'s Salatschleuder bald acht Jahre in Frogg Hall hinter sich. Die äussere Schale ist spröde und trüb geworden. Und manchmal hat die Schnur im Deckel Leerlauf. Ich fürchte, das Möbel wird bald das Zeitliche segnen.

Vielleicht werde ich Herr T. dann ein Neues schenken müssen. Sicher würde er sich nicht wohl fühlen ohne. Und sicher wird er nicht wütend, wenn ich sie auch ab und zu brauche.

* von engl.: "to clutter up" = vollstopfen.
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