vor der flimmerkiste

21
Nov
2014

Meer in mir

Auf vielseitigen Ratschlag habe ich mir den Film Das Meer in mir (Mar adentro) angeschaut - es ging um die Frage, wie der Streifen den assistierten Freitod thematisiert.


(im Bild Javier Bardem als der sterbewilliger Tetraplegiker Ramon Sampedro).

Und, ja, ich habe den Film gemocht. Ramon Sampedro ist sicher eine sehr viel interessantere Figur als dieser unsägliche Will Traynor aus dem Roman "Ein ganzes halbes Jahr" von Jojo Moyes (über den ich hier ausführlich gelästert habe).

Aber ich gestehe: Ich habe in diesem Film nicht geweint. Ich habe gewartet. Vergeblich. Ich finde: Der Film krankt am gleichen Problem wie das Buch von Moyes. Es gibt keine überzeugende Argumentation dafür, wieso der Sterbewunsch dieses einen bestimmten Menschen legitim sein soll. Um ehrlich zu sein: Ich verstehe, dass ein Gericht Mühe hat, diese Sprachlosigkeit - noch dazu von einem Poeten - zu akzeptieren.

19
Okt
2012

Weiblicher Sexteufel auf der Alp

Die Geschichte vom Sennentuntschi ist ein Stoff, der in jeder Alpensagen-Sammlung vorkommt. Ich kannte ihn schon als Kind. Ich glaubte, mich könne daran nichts mehr überraschen. Aber seit ich vor ein paar Tagen die Verfilmung von Michael Steiner gesehen habe, verfolgt mich die Geschichte. Wer die DVD in die Hände bekommt, sollte sie sich unbedingt ansehen.



Auch für Österreicher hat er einen Anknüpfungspunkt: Der Wiener Nicholas Ofczarek spielt darin einen jungen Dorfpolizisten. Hart an der Grenze zur Karikatur - aber auch voller verhaltener Zärtlichkeit. Stark.

Heutzutage konzentriert man sich ja vor allem auf den Sex in der Geschichte: Drei Männer auf der Alp erwecken im Rausch eine weibliche Puppe zum Leben. Ist ja klar, was die drei da oben mit ihr machen: Sie gehen so richtig zur Sache. Heutige Autoren vermuten, dass die eben Fleisch gewordene Puppe sich den notgeilen Viehhirten nicht freiwillig hingab. Sie wurde vergewaltigt. Dass das geschundene Weib sich grausam rächt, ist für uns heute beinahe legitim.

Aber die Geschichte hat auch eine Dimension. Hätte man mich als Kind gefragt, was denn das Frevelhafte am Benehmen der drei Älpler gewesen sei, hätte ich gesagt: "Sie gaben einer Puppe richtige Milch zu trinken." Natürlich, ich verstand als Kind die Sache den Vergewaltigungen noch nicht. Aber ich verstand die christliche Moral der Geschichte: Man behandelt tote Dinge nicht, als wären sie lebendig. Und man gibt ihnen sowieso kein richtiges Essen, denn Essen ist knapp und wertvoll. Wer so etwas tut, tut Teuflisches und wird teuflisch bestraft.

Aber mit solchem Zeug muss man den Leuten heute nicht mehr kommen. Da fangen sie zu gähnen an. Und doch braucht die Geschichte das Element des des Christlichen - sonst gibt es nichts Teuflisches. Steiner bringt daher einen Dorfpfarrer ins Spiel. Einen, der anscheinend etwas zu verbergen hat. Etwas, was schliesslich ganz der zeitgemässen Wahrnehmung der katholischen Kirche entspricht - ziemlich banal.

Reizvoll ist aber, dass Steiner dem Pfarrer den Polizisten als Gegenspieler gibt. Der Polizist ist der Mann aus dem Krimi, der in den ohnehin verlogenen christlichen Mythos einbricht. Weil das auch schon etwas altmodisch wirkt, hat man die ganze Geschichte in die siebziger Jahre verlegt. Purer nostalgischer Zuckerguss, aber ich gestehe: Er hat mir himmlisch geschmeckt. Warum? Hm, das erzähle ich ein andermal.

Hier nur noch so viel: Endgültig zeitgenössisch ist erst der Schluss. Dort wird aus der Story plötzlich ein Serienmörder-Schocker aus den nuller Jahren. Gruselig.

Und das Rätselhafte am Ganzen bleibt: Welche dieser ineinander verschachtelten Geschichten gilt nun? Der christliche Mythos? Der Krimi? Der Grusel-Schocker? Ich weiss es immer noch nicht.

Teuflisch.

7
Okt
2012

Held mit Hörproblemen

Als Goyas Geister 2006 in die Kinos kam, ging das glatt an mir vorbei. Dabei hat darin einer der ansehenlichsten Kinostars der Gegenwart eine wahrhaft diabolische Rolle.



Javier Bardem spielt Pater Lorenzo. Er ist erst Inquisitor, dann Chef der grausamen napoleonischen Truppen in Spanien.

Schon deswegen verdient der Streifen das Prädikat "äusserst sehenswert". Er verdient es aber auch, weil er ein differenziertes Porträt von einem tauben Menschen zeigt: vom Maler Francisco de Goya (Stellan Skarsgard).



Nun war Goya nicht immer taub und nicht irgendein Mensch mit einer Hörbehinderung. In jüngeren Jahren hörte er gut. Er absolvierte einen steilen sozialen Aufstieg und wurde Maler am Königshof. Schon seine Bilder von der Königsfamilie hätten ihn unsterblich gemacht.

Mit 46 aber ertaubte er gründlich. Er zog sich vom Hof zurück, richtete seinen Blick auf die Inqusition und zeigte ihre Protagonisten in schonungslos satirischen Druckgrafiken.



Im Film wird der taube Maler zum guten Gegenspieler von Pater Lorenzo, ohne zu einem behinderten Superhelden stilisiert zu werden. Als Filmfigur macht Goya Mut: Weil er zwar taub ist, aber nicht nur. Er ist ein Mensch mit vielen Talenten, vielleicht sogar ein bisschen privilegiert. Die existenzielle Erschütterung, die ein starker Tinnitus und ein Hörverlust verursachen, wird zwar angedeutet. Aber Goya hat die Taubheit akzeptiert. Sie ist lästig, nicht mehr und nicht weniger. Er gerät in eine schwierige Zeit und versucht dennoch, nicht nur für sich zu sorgen. Und er weiss sich zu behaupten - in Würde.

Oh, der Film hat eine lachhafte Seite: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der echte Goya einen Gebärdendolmetscher hatte. Aber vielleicht ist das ein dramaturgischer Trick: Man wollte den Zuschauern nicht die Geduld abverlangen, die es nun mal braucht, um eine alltägliche Konversation mit einem schwerhörigen Menschen zu führen.

Vielleicht ist es ganz gut, dass ich ihn erst jetzt gesehen habe.

12
Jun
2012

Fernseh-Tipp

Mrs Bennet ist eine strohdumme und total überdrehte Frau. Klar, sie ist auch in einer ungemütlichen Situation, das begriff ich sogar als junge Studentin, wenigstens in der Theorie: Fünf Töchter muss sie unter die Haube bringen. Denn ihr Mann kann ihnen nichts vererben, weil sie Mädchen sind. Und wir schreiben hier ein Jahr so um 1800. Das heisst: Die Mädchen werden nie für sich selber aufkommen können - oder nur als unterbezahlte und belächelte Gouvernanten. Aber deshalb müsste sich die Frau doch nicht so hysterisch aufführen! Und sie müsste ihre Töchter nicht gleich an jeden dahergelaufenen Idioten verschachern wollen.

Einige Leserinnen werden bereits ein Aha-Erlebnis gehabt haben: Die Rede ist hier von Mrs. Bennet aus "Pride and Prejudice" - zu Deutsch Stolz und Vorurteil - dem Meisterwerk von Jane Austen. Arte zeigt jeweils donnerstags eine sechsteilige BBC-Verfilmung der Geschichte von 1995 (leider synchronisiert). Sie war für Anglophile jahrelang Kult*.



Ich habe sie etwa 2003 schon mal gesehen - zusammen mit meiner Freundin Helga, alle sechs Folgen einem regnerischen Sonntag vor ihrem DVD-Gerät. Es war grossartig. Wir assen Sushi und Konfekt und diskutierten über den Konflikt der klugen Elizabeth, der ältesten Bennet-Tochter. Und schwärmten für den im Film noch jugendlichen Colin Firth (Mr. Darcy).

Mutter Bennet behandelten wir unter ferner liefen. Sie war für uns nichts weiter als eine Karikatur. Aber ich muss gestehen: Diesmal bringe ich plötzlich Verständnis für sie auf. Sie hat Angst davor, dass ihre Kinder sozial absteigen - eine Angst, die man vielleicht erst ab einem gewissen Alter versteht. Ihr Mann lässt sie damit allein: Mr. Bennet begegnet seiner eigenen Ohnmacht mit Sarkasmus - und mit einem Mangel an Verlässlichkeit, der seine Frau zusätzlich auf die Palme treibt. Als junge Leserin liebte ich ihn für seinen Witz. Aber, glaubt mir, ich habe diesen Witz mittlerweile anderswo sehr gut kennen gelernt. Intelligentere Frauen als Mrs Bennet haben sich an einem Mr. Bennet die Zähne ausgebissen. Und ich ahne mit wachsender Lebenserfahrung, welche Ängste die Frau sonst noch umtreiben: dass sie selber im Alter nicht versorgt sein wird. Und dass da draussen ein kleiner, aber brandgefährlicher Franzose namens Napoleon die Welt unsicher macht.

Es ist eine Stärke dieser Verfilmung, dass sie Mrs. Bennet zwar ihre dämliche Geschwätzigkeit lässt - und ihre Sorgen doch verständlich macht. Eine von vielen Stärken.


* Wer die ersten beiden Folgen verpasst hat, kann sie am kommenden Mittwoch um 14.40 Uhr nachgucken.

30
Nov
2010

Wiedersehen mit Bridget Jones

Erinnert sich hier jemand an Bridget Jones? Ihr wisst schon: Die mollige Ulknudel, die im Film erst eine Affäre mit Hugh Grant hat und dann im etwas steifen Colin Firth ihren Märchenprinzen findet?

Zur Erinnerung:



Um die Jahrtausendwende liebte ich Bridget Jones. Ich entdeckte zuerst das Buch und fand es grossartig. "Diese Geschichte bringt uns Frauen der neunziger Jahre aufs kulturelle Parkett", dachte ich. Sicher, puncto literarische Qualität kam schon der erste der beiden Romane nicht ganz an Thomas Mann oder James Joyce heran. Und der zweite ist viel zu hysterisch. Aber die Geschichte brachte ein paar Dinge über unsere Generation Frauen auf den Punkt. Dass wir zwar mehr Schuldbildung mit ins Erwachsenenleben brachten als jede Frauengeneration vor uns. Dass unser Tritt im Beruf aber oft dennoch alles andere als sicher war, unsere Jobs oft genug wenig Sinn stiftend. Dass uns dafür unser Freundeskreis wichtig war, dass wir uns frei in der Stadt bewegen und rauschende Parties feiern konnten.

Dass bei Bridget schliesslich doch alles auf das Happy End mit Traummann herauslief, akzeptierte die weltläufige Frau jener Jahre als notwendigen Kompromiss mit den Erfordernissen des Kommerzes.

Den Film fand ich zwar etwas überdreht. Ich meine: Er lebt davon, dass er die verzerrte Selbstwahrnehmung von Bridget bildlich darstellt. Bridget. Jones ist nicht so doof, wie sie im Film herüberkommt. Sie sieht sich bloss selber so. Das muss man begreifen, dann ist Bridget mehr als eine Tusse, deren Charme darin besteht, dass sie schlüpfrige Witze macht und sagenhaft dämlich ist. Dann enthält diese schwungvolle Komödie sogar noch ein Quäntchen Kritik an den herrschenden Verhältnissen: Diesen Blick auf uns selbst zwingt uns Frauen das System auf, dachten wir.

Neulich kam der Film am Fernsehen, und Frau Frogg erlitt einen mittleren Schock. "War unser Leben wirklich so leer?!" staunte sie, "Bestand es wirklich nur aus Kalorien, alkoholseligen Parties und - mehr oder weniger selten - Sex? Waren unsere Freunde auch solch herzlose Idioten?! Was ist diese Bridget für ein unglücklicher Mensch! War ich auch so?"

18
Mai
2010

Seltsame Begegnungen

Neuerdings gehe ich häufig nach der Arbeit in der Stadt einkaufen. Danach sitze ich an der Bushaltestelle, warte auf meinen Bus und lese den "Blick am Abend": Neulich begegnete mir darin das Bild von Reda el Arbi. El Arbi ist gerade in Thailand. Das wusste ich natürlich, denn ich lese auch seinen Blog, ohne dort allerdings häufig zu kommentieren oder so. Ich glaube nicht, dass er meinen Blog liest. Aber als ich das Bildchen von Reda im "Blick am Abend" sah, hatte ich richtig Freude, einen alten Bekannten zu entdecken. Ich hätte ihm am Abend schier einen Kommentar geschrieben. "Redder, ich habe Dich im 'Blick am Abend" gesehen!" wollte ich schreiben. Aber ich liess es bleiben.

Denn er hätte das blöd gefunden. Ich finde es auch blöd, wenn irgendwelche Halbbekannten mir im Bus erzählen, dass sie mein Bild in der Zeitung gesehen haben. Jeder kann mein Bild in der Zeitung sehen. Da ist nichts dabei.

Die Begebenheit gehört zu jenen seltsamen Begegnungen, die man im Medienzeitalter täglich hat und die eigentlich gar keine sind.

Ebenfalls seltsame Begegnungen habe ich mit Izzie Stevens.



Für alle, die es nicht wissen: Izzie Stevens existiert gar nicht. Sie ist eine der Ärztinnen in der Ärzteserie "Grey's Anatomy", die am Montag bei uns auf SF2 läuft. Das heisst: Sie ist dort nicht einmal mehr Ärztin, sondern unlängst vom Klinik-Chef gefeuert worden. Zuvor war sie sogar an Krebs gestorben (wurde dann aber im letzten Moment gerettet. Das erfuhr die Zuschauerin jedoch erst einen Montag später). Seither taucht sie nur noch sporadisch auf. Wie ein Gespenst.

Als Izzie starb, hatte ich gerade mein Gehör wiedererlangt und telefonierte mit einer Freundin (nur, damit Ihr nicht glaubt, jemand der solche Geschichten erzählt, hätte keine Freunde). Aber ich sah aus dem Augenwinkel, dass Izzie starb.

Ich war richtig traurig.

Seither warte ich jeden Montag darauf, dass sie wieder auftaucht. Was sie aber fast nie tut. Izzie ist ein Gespenst geworden, für mich und für die Serie.

Aber es gibt da auch ein beinahe gegenteiliges Phänomen.

Seit ich taub war, habe ich viel mehr Mail-Kontakte als früher. Zuvor hatte ich immer geglaubt, die Schrift sei eine sachliche Angelegenheit. Geschriebene Worte bestünden aus Buchstaben, und Buchstaben könnten keine Gefühle transportieren. Dachte ich. Ich fand Briefe deshalb immer ziemlich langweilig. Aber jetzt bekomme ich manchmal Nachrichten, in denen ich Momente grosser Freundschaft verspüre. Funken des Verständnisses. Momente von Nähe, ja von einer Innigkeit, die zu kommunizieren ich per E-Mail für unmöglich gehalten hatte. Sogar gegenüber Personen, die ich nur durch E-Mails kenne, mit denen ich noch nie oder schon viele Jahre nicht mehr gesprochen habe.

Und ich glaube nicht, dass ich mir das einbilde.

4
Sep
2009

Mobbing auf dem Bauernhof

Zur Zeit erregt ein Werbefilm für Schweizer Obst am Schweizer Fernsehen meinen Ärger.



Anstoss erregt bei Frau Frogg die Stelle, an der der Hund sagt: "...bevor der anger wider chunt". (Auf Hochdeutsch: ..."bevor der andere wieder kommt"). Der Hund meint den dümmliche Gänserich mit der Quakstimme. Offenbar ärgert sich der Köter über die Gans. Und das sagt er dem Publikum in anbiederndem Ton - als es der Vogel noch nicht hören kann. Damit erfüllt dieses "bevor der anger wider chunt" erfüllt meines Erachtens den Tatbestand des Mobbing: Der Hund sucht das Publikum als Verbündeten gegen den ohnehin schon schwächeren Gänserich.

Okay, okay! Es ist ja nur Fernsehwerbung! Warum sollten sich Werbefiguren plötzlich vorbildlich verhalten?

Ja, okay, aber nume zum säge: Es nimmt ausgerechnet unserer Frau Frogg, einer grossen Zwetschgenliebhaberin, die Lust auf den Kauf von Schweizer Zwetschgen. Denn wenn schon die Tiere unter diesen Obstbäumen so lieblos miteinander umgehen - wie steht es dann erst mit den Menschen?

1
Mrz
2009

Frau Frogg's Fernsehwoche

Am Sonntag endete hoch offiziell meine Zeit als Nachtschattengewächs*. Das hat auch gute Seiten. Zum Beispiel bin ich jetzt wieder frei, meine Abende vor dem Fernseher zu verbringen.

Mit zwanzig hätte ich ja nie gedacht, dass ich einmal gern fernsehen würde. Die junge Frogg verabscheute, ja, boykottierte die Mattscheibe. Fernsehen war in ihren Augen nichts für richtige Leute. Es war etwas für Menschen, die sich eigentlich eher wie Pflanzen benehmen. Dachte sie damals. Aber dann veränderte sich die Frogg. Sie arbeitete tags, war abends müde, ach was, gerädert. War manchmal nicht mehr in der Lage, sich vom Sofa vor der Flimmerkiste zu erheben.

Es war, als würde der Geist aus der Mattscheibe sich für ihre jugendliche Verachtung rächen.

Ich werde also fernsehen. Fortan wird meine Fernsehwoche so aussehen:
Den Auftakt bildet stets die Tagesschau auf SF1. Nur so hat der Abend seine rechte Ordnung.

Der Montag beginnt dann mit Desperate Housewives auf SF2.


(Quelle, passend: www.tvfanatic.com)

Nach der letzten Staffel wollte ich ja aussteigen. Die Stories um die Weiber waren mir zu vorhersehbar geworden. Aber als ich Gabby (ganz links im Bild) überraschend rundlich und mit zwei dicken Töchtern wiedersah, überlegte ich es mir doch noch einmal anders. Danach will Herr T. Grey's Anatomy sehen, aber das langweilt mich. Zu viel Pathos. Zu viel Blut.

Bis 21.50 Uhr tue deshalb jeweils etwas Vernünftiges. Zum Beispiel bloggen. Dann folgt die Nachrichtensendung 10 vor 10 auf SF1.

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(Quelle: www.menschenmitmeinungen.ch)

Nicht etwa, weil Moderator Stephan Klapproth die weissesten Beisser weit und breit hat. Nein. 10 vor 10 schaue ich mir an, damit ich weiss, wann ich ins Bett muss. Ich kenne nämlich Deutsche, die sagen: "Alle Schweizer gehen nach 10 vor 10 schlafen." Und manche Schweizer sagen, 10 vor 10 sei der grösste Sexkiller der Schweiz. Für News-Journalisten ist sie sowieso Pflicht. Nicht, dass sich daraus Schlüsse über das Sexleben von News-Journalisten ziehen liesse... Ihr seht also, die Sendung ist stets in aller Munde. Man muss sie gesehen haben. Und ich gehe danach auch tatsächlich ins Bett - um dort noch eine Stunde zu lesen.

Am Dienstagabend steht bei mir jeweils der Dienstagskrimi auf dem Programm. Seltsamerweise. Denn das Dienstagsrimi-Gucken war schon das heiligste Ritual meiner Eltern. Als junger Mensch fand ich ihn deshalb das Schlimmste von Allem. Aber irgendwie hat er sich wieder in mein Leben geschlichen, der Dienstagskrimi. Und so hänge ich mit Herrn T. auf dem trauten Zweiersofa, lasse "Ein Fall für Zwei" oder etwas Ähnliches über mich ergehen.



Später am Abend bleibe ich dann einmal im Monat länger auf als bis "10 vor 10": zum Literaturclub. Das belohnt für etwaige Langeweile beim Krimi. So viele gescheite, eloquente Frauen aufs Mal! So viele interessante Bücher.

Am Mittwoch kommt auf dem Schweizer Fernsehen diese unerträgliche Sendung "Deal or No Deal". Eine Unterhaltungsendung mit leicht bekleideten Frauen in blonden Perücken und Geldkoffern. Zum Weinen langweilig. Am Mittwoch werde ich ausgehen müssen - es sei denn, SF2, Arte oder ORF lockten mit einem erträglichen Spielfilm.

Nur zu dumm, dass man nach fast zwei Jahren Existenz als Nachtschattengewächs fast nicht mehr weiss, wie Ausgehen geht. Denn auch am Donnerstag werde ich ausgehen müssen.

Am Freitag muss ich zum Glück weiterhin abends arbeiten. Denn am Fernsehen gibts da ja nichts als Unterhaltungssendungen, Horror und Action. Halt, nein: Auf dem Schweizer Fernsehen gibts die Polit-Diskussion Arena. Aber wer will sich an einem Freitagabend die rituellen Wadenbeissereien zwischen SVP und SP auch noch anhören?

Am Samstag ist Herr T. häufig weg. Wenn ich dann nicht auch ausgehe, mache ich mir einen gemütlichen Fernsehabend. Der Samstag ist überhaupt der beste Fernsehabend der Woche. Die Programmgestalter scheinen ihn eigens für spielfilmsüchtige Nachtschattengewächse geplant zu haben. Und falls das einmal nicht stimmen sollte, hat die Frogg wohlweislich ein paar DVDs auf Lager.

Wenn ich am Sonntag nicht arbeite, streiten Herr T. und ich: Er will den Tatort. Ich habe mich noch nicht damit abgefunden, dass die Segnungen des Samstags vorbei sind und will einen Spielfilm. Zwischendurch zappen wir jeweils kurz auf Anne Will, und dann gehts zum obligatorischen Teil: Giacobbo/ Müller. Mit Abstand die beste Satiresendung, die das Schweizer Fernsehen zu bieten hat (wahrscheinlich die einzige). Die Sendung hatt(e) in Peter Tate eine echte Kultfigur. Diskussionen über die Frage, ob der sympathische Engländer wohl wiederkommt, verleihen auch Abendgesellschaften unter studierten Zeitgenossen Würze und Leben.


(Quelle: profile.ak.facebook.com)

* Wobei ich anfügen möchte, dass mein Job sich anders entwickelte als ursprünglich erwartet. Ich freundete mich nicht nur mit Britney Spears an. Nein. Eine Zeitlang hatte ich jeden Nachmittag Besuch von Nicolas Sarkozy. Ueli Maurer lächelte mich an, dann schlug die Bankenkrise mir täglich mehrmals die Faust in die Magengrube. Sonntags telefonierte ich regelmässig mit einem Ständerat, dessen Namen ich hier für mich behalte. In letzer Zeit hatte ich auch abendliche Zusammentreffen mit Barack Obama. Leider sind sie meist etwas hektisch. Dennoch werde ich sie vermissen.

8
Feb
2009

Bogart und Blanc

Lange Jahre war ich froh, dass sich mir keine Gelegenheit bot, mir Gilberte de Courgenay anzusehen. Ich hätte mich nur geärgert. Der Streifen ist der Kultfilm der Aktivdienst-Generation des Zweiten Weltkriegs. Und die steht für alles, was der jungen Frogg als verstaubt und dazu noch heucheleiverdächtig galt: Da waren all jene Männer, die brav an der Grenze standen und glaubten, sie hätten Hitler davon abgehalten, uns über die Türschwelle zu trampeln. Dass sich unsere Regierung ganz schön bei den Deutschen anbiederte und unsere Firmen gute Geschäfte mit ihnen machten, taten sie gern mit den zwei Sätzen ab: "Das versteht Ihr gar nicht. Das waren eben harte Zeiten damals." Dass es mit ein Grund gewesen sein dürfte, warum Hitler sich so wenig für das kleine Land an seiner Südgrenze interessierte, lassen sie sich lieber nicht sagen.

Die Zeit hat die Emotionen zu diesem Thema etwas gemässigt, auch jene der Frogg. So konnte ich mir Gilberte de Courgenay gelassen als Klassiker der geistigen Landesverteidigung zu Gemüte führen.



Der Tod der von Anne-Marie Blanc, die die Titelheldin spielte, bot der Frogg und Herrn T.einen guten Anlass. Blanc schaffte es rechtzeitig, sich den Staub Aktivdienstes von den Schultern zu schütteln und wurde zur grossen alten Dame des Schweizer Films. Am Freitag wurde bekannt, dass sie gestorben ist.


(Quelle: http://www.prixwalo.ch/)

Deshalb wurde ihr am Schweizer Fernsehen gestern Abend eine ausführliche Würdigung zuteil. Da Herr T. erkältet ist, schleppte ich ihn für einmal nicht ins Kino, sondern schaute mit ihm fern.

Nun ist es ja mit Klassikern so eine Sache. Manche sind alt geworden. Wenn Frische und Aktualität ihre Schwächen nicht mehr überstrahlen, dann sind sie bestenfalls blass aber würdig, schlimmstenfalls einfach peinlich. "Gilberte" ist irgendetwas zwischendrin. Der Humor funktioniert nur noch an wenigen Stellen, die Dialoge sind einfach nur sentimental. Dem legendären US-Klassiker Casablanca (auch zum Zweiten Weltkrieg) kann das Streifchen jedenfalls in keinster Weise das Wasser reichen.



Nun ja, das ist auch viel verlangt. Ich meine: Wer schlägt so etwas: Rick(Humphrey Bogart, fordert vom korrupten Vichy-Offizier mit der Waffe in der Hand ein Visum und sagt): "Machen Sie vorwärts! Eine Pistole zielt direkt auf Ihr Herz."
Darauf der Vichy-Offizier: "Das ist meine am wenigsten verwundbare Stelle."

Sicher nicht "Gilberte de Courgenay"! Und doch habe ich zwischen den beiden Filmen eine überraschende Parallele entdeckt: Die Helden beider Filme, Rick und Gilberte, sind in eine Dreiecksbeziehung verwickelt. Beide verzichten schliesslich auf die Erfüllung ihrer Liebe - zu Gunsten des Rivalen oder der Rivalin. Rick rettet seiner Geliebten Ilsa und ihrem Mann Laszlo das Leben. Gilberte verliebt sich in den Soldaten Hasler, führt ihn aber schliesslich seiner Tilly zu, in die er zuvor verliebt war.

Es ist also die Entsagung, die Menschen in schweren Zeiten zu Helden macht. Eigentlich ganz einfach. Und trotzdem so romantisch verbrämt! Schlechte Zeiten sollen wir ja jetzt wieder bekommen. Da merke ich mir das für mein nächstes Buch!

23
Sep
2008

Zauberhafter Film

Herr T. wird bald 50. Zu seinem Geburtstag haben ihm Ella und ihr Freund, der Künstler, eine DVD geschenkt: Auf der anderen Seite von Fatih Akin. Die beiden wissen eben, dass wir uns immer noch in einer nur langsam abklingenden Phase der Türkei-Begeisterung befinden.

Eigentlich sollte man Geburtstagsgeschenke ja erst konsumieren, wenn der Geburtstag gefeiert ist. Aber schon gestern Abend, drei Tage vor Herrn T.s Geburtstag, konnten wir uns nicht mehr bremsen und haben uns den Film angesehen (Als Alternative für einen müden Abend stand nur Dr. House auf dem Programm - und der langweilt mich noch einmal zu Tode! Immer dasselbe Handlungsschema! Ich fürchte sehr, nicht einmal Dr. House selber hätte ein Heilmittel, sollte er mich mit der Langeweile, die er verbreitet einmal ins Spital befördern).

"Auf der anderen Seite" erwies sich als mehr denn brauchbarer Ersatz. Der Film ist zauberhaft.

Erst liess er sich ja so melancholisch an wie all jene Streifen, die Herr T. und ich etwas abfällig als deutsche, türkische oder polnische Problemfilme bezeichnen. Aber dann merkten wir: Das kleine Werk ist voll abgründiger Heiterkeit und voll grosser Tragik. Da brechen Familien auseinander. Da sterben junge Menschen. Da sucht einer der anderen und reist dafür über Hunderte von Kilometern. Dabei wäre der andere doch so nah, ja, in Sichtweite.

Und der Film hat den allerbesten offenen Schluss, den ich je gesehen habe. Genau im richtigen Moment setzt Held Nejat sich ans Ufer des Schwarzen Meeres und beginnt auf seinen Vater zu warten, der da draussen am Fischen ist. Ab jetzt kann alles geschehen: Es kann noch mehr Tote geben. Wieder können Menschen einander um Haaresbreite verpassen. Oder es kommt endlich zur Versöhnung kommen, zum Ende der Sucherei. Wir erfahren es nicht. Wir müssen es uns selber ausdenken, und das ist wunderbar.

Hier eine kleine Kostprobe (leider gewichtet sie das Problemfilmhafte an dem Werk zu stark, lasst Euch also nicht abschrecken):

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