29
Okt
2013

Religionsstreit in der Metzgerei

Mitten im Sommer 2012 verstarb der Tigervater. Damals zogen wir für ein paar Tage bei seiner späten Liebe ein, der Serenissima. Tags gab es viel zu tun, und wir waren gefasst. Abends machten wir uns die Stunden leichter, indem wir einander Geschichten erzählten.

Die Serenissima ist im Puschlav aufgewachsen - und als wir neulich ein paar Tage dort unten waren, habe ich oft an sie gedacht.

Sie erzählte, dass es dort Katholiken und Protestanten gab - und dass die beiden Gruppen strikt getrennt lebten. "Wenn jemand redete, konnte man hören, ob er katholisch oder reformiert war. Die Katholiken sprachen Wörter anders aus als wir", sagte unsere protestantische Serenissima. Reformierte hätten nur bei Reformierten eingekauft und Katholiken nur bei Katholiken.

Aber dann habe ein protestantischer Metzger eine Katholikin geheiratet. Was für eine Unordnung! Viele Reformierte hätten gar nicht mehr bei ihm eingekauft.

Und dann habe er auch noch katholisch zu sprechen begonnen! Das sei das Letzte gewesen! Wie konnte er nur!

Sie könne sich nicht erinnern, was aus dem Paar geworden sei. Heute sei das ja alles Humbug. Aber wahrscheinlich hätten nur noch Katholiken bei ihm eingekauft.

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arboretum - 31. Okt, 18:03

Die Vorfahren meiner besten Freundin wanderten einst aus dem Berner Oberland ein. Sie ahnen es vielleicht, es handelte sich um Calvinisten. Die Freundin stammt aus einem Dorf in der Pfalz, wo die Konfessionen auch Jahrhunderte später nicht untereinander heirateten. Bis sie aufs Gymnasium kam, glaubte sie daher, Protestanten seien immer groß und blond und Katholiken klein und dunkelhaarig. Denn so war es bei ihnen im Dorf. An der Uni hatte sie dann eine längere Affäre mit einem katholischen Studenten (er war ein ziemlicher Schluri, der ausgerechnet Katholische Moraltheologie im Nebenfach studierte). Zu mir sagte sie einmal, dass sie das ihrer heißgeliebten Großmutter nicht hätte erzählen können.

diefrogg - 31. Okt, 18:17

Oh, dann sind...

Ihre beste Freundin und ich vielleicht über sieben oder 14 Ecken miteinander verwandt. Die Vorfahren meines Grossvaters waren ebenfalls blond und aus dem Berner Oberland, allerdings zwinglianisch, nicht calvinistisch. Das hat ihm im katholischen Kanton Obwalden, wo er mit einer katholischen Ehefrau meine Mutter aufzog, ziemliche Scherereien bereitet.

Das heisst: Die Scherereien waren vor allem für meine Mutter eine Zumutung - wenn sie meinen Grossvater auch kränkten, so trug er es mit Humor. Er war drohenden Konflikten gegenüber immer sehr gelassen. Meiner Mutter aber sagten die Nonnen in der Klosterschule jeweils, ihr Vater würde ja dann nicht in den Himmel kommen, er sei ja reformiert. Meine Mutter weinte dann im Treppenhaus und sagte, dann wolle sie aber auch nicht in den Himmel kommen.

Meine katholische Grossmutter wiederum hat in all den Jahren eine merkwürdige Doppelmoral gepflegt. Auf der einen Seite verachtete sie die Katholiken für ihre Bigotterie. Auf der anderen Seite blieb sie selber "dem Glauben" stark zugeneigt. Als ihr Sohn, mein Onkel, "eine Geschiedene" heiratete, hat sie fast das Rad gemacht.

Ich selber bin zu drei Vierteln katholisch und nie aus der Kirche ausgetreten. Aber noch heute widert mich nichts so sehr an wie diese katholische Selbstgerechtigkeit, die nach dem Kreuz im Schulzimmer schreit und die Islamophobie aus Glaubensgründen pflegt. Schauder!!!
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