Flucht aus der Fata Morgana
Am Freitag hatte ich eigentlich vor, wieder ins Fitness-Center zu gehen. Aber es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch. "Wer an einem solchen Tag in eine düstere Muckibude geht, ist selber schuld", sagte Frau Frogg.
Ich ging spazieren.
Ich startete am Seetalplatz bei den grossen Fabriken. Aber eigentlich suchte ich etwas anderes. Rechts der Kleinen Emme fand ich zwischen Autogaragen und Spenglerbetrieben den Aufstieg durch den Rothenwald. Schliesslich stand ich auf einem Hügel mit Sportplatz und sah, was ich hatte sehen wollen: die Fata Morgana.
Die Siedlung im Vordergrund heisst eigentlich Pilatusblick - auch wenn man auf dem Bild die Rigi sieht. Es ist sowieso ein schwaches Bild, ein Handybild halt. Es erklärt nicht, warum ich die Häuser die Fata Morgana nenne. Ich nenne sie so, weil sie weiss schimmert - bei jedem Wetter. Und weil sie, nur leicht erhaben über Wohnsilos und Fabriken, unerschrocken das Ideal des Lebens im Einfamilienhaus behauptet.
Ich stieg hinunter in die Fata Morgana. Und, Freunde, ich wollte gewiss nicht auffallen und folgte auch nur dem Hauptweg durchs Quartier. Aber schon an der ersten Strassenecke folgten mir die argwöhnischen Blicke dreier Anwohner. Sofort war klar: Hier sind Eindringlinge nicht willkommen.
Ich machte mich vom Acker. Ich wollte nicht, dass man mir die Polizei auf den Hals hetzt. Als ich bei der Hauptstrasse war, grinste der DJ in meinem Kopf pfiffig und warf einen Song aus den achtziger Jahren an: Reussbühl von Hösli.
Ich leb' in einem Örtchen, das
sich aufgegeben hat
Geschichte nicht kennt - nicht will
Mit fünftausend mehr wär's
vielleicht 'ne Stadt
My God - I live in Reussbühl-Hill
Die Polizei, das hört' ich sagen
die hat einen Schlüssel für
meine Wohnung in Reussbühl
Sie lieben keine Blumen und
hegen keine Gärten
Lieben's dunkel und löschen das
Licht dazu
Haben Krach mit vollbehaarten
Hausabwarten
Um acht ist Nacht und dann ist
Ruh
Die Asylanten, das hört' ich
sagen, die binden den Abfall-
sack nicht zu - in Reussbühl
Dort wo der Bus vielleicht
Einfach gar nicht hält
Sitte und Moral zerfällt
Das billigste Bier weit + breit
Für viel mehr bleibt keine Zeit
Buskontrolleute, das hört' ich
sagen, die kontrollieren am
allerliebsten in Reussbühl
Und Reussbühler hört' ich
schon sagen, nirgends auf der
Welt ist es wie in Reussbühl.*
*Zitiert aus Dominik Riedo (Hg.): "Luzern Luzern", Verlag Pro Libro Luzern, 2011
Hier gibts endlich ein YouTube von der Fassung von 1994! Die bessere Fassung mit einem saftigen Bläsersatz klingt hier an - und es gibt dazu eine Menge über Reussbühl. Und hier noch ein YouTube mit Hösli als junger Sänger mit Rockgott-Potenzial.
Ich ging spazieren.
Ich startete am Seetalplatz bei den grossen Fabriken. Aber eigentlich suchte ich etwas anderes. Rechts der Kleinen Emme fand ich zwischen Autogaragen und Spenglerbetrieben den Aufstieg durch den Rothenwald. Schliesslich stand ich auf einem Hügel mit Sportplatz und sah, was ich hatte sehen wollen: die Fata Morgana.
Die Siedlung im Vordergrund heisst eigentlich Pilatusblick - auch wenn man auf dem Bild die Rigi sieht. Es ist sowieso ein schwaches Bild, ein Handybild halt. Es erklärt nicht, warum ich die Häuser die Fata Morgana nenne. Ich nenne sie so, weil sie weiss schimmert - bei jedem Wetter. Und weil sie, nur leicht erhaben über Wohnsilos und Fabriken, unerschrocken das Ideal des Lebens im Einfamilienhaus behauptet.
Ich stieg hinunter in die Fata Morgana. Und, Freunde, ich wollte gewiss nicht auffallen und folgte auch nur dem Hauptweg durchs Quartier. Aber schon an der ersten Strassenecke folgten mir die argwöhnischen Blicke dreier Anwohner. Sofort war klar: Hier sind Eindringlinge nicht willkommen.
Ich machte mich vom Acker. Ich wollte nicht, dass man mir die Polizei auf den Hals hetzt. Als ich bei der Hauptstrasse war, grinste der DJ in meinem Kopf pfiffig und warf einen Song aus den achtziger Jahren an: Reussbühl von Hösli.
Ich leb' in einem Örtchen, das
sich aufgegeben hat
Geschichte nicht kennt - nicht will
Mit fünftausend mehr wär's
vielleicht 'ne Stadt
My God - I live in Reussbühl-Hill
Die Polizei, das hört' ich sagen
die hat einen Schlüssel für
meine Wohnung in Reussbühl
Sie lieben keine Blumen und
hegen keine Gärten
Lieben's dunkel und löschen das
Licht dazu
Haben Krach mit vollbehaarten
Hausabwarten
Um acht ist Nacht und dann ist
Ruh
Die Asylanten, das hört' ich
sagen, die binden den Abfall-
sack nicht zu - in Reussbühl
Dort wo der Bus vielleicht
Einfach gar nicht hält
Sitte und Moral zerfällt
Das billigste Bier weit + breit
Für viel mehr bleibt keine Zeit
Buskontrolleute, das hört' ich
sagen, die kontrollieren am
allerliebsten in Reussbühl
Und Reussbühler hört' ich
schon sagen, nirgends auf der
Welt ist es wie in Reussbühl.*
*Zitiert aus Dominik Riedo (Hg.): "Luzern Luzern", Verlag Pro Libro Luzern, 2011
Hier gibts endlich ein YouTube von der Fassung von 1994! Die bessere Fassung mit einem saftigen Bläsersatz klingt hier an - und es gibt dazu eine Menge über Reussbühl. Und hier noch ein YouTube mit Hösli als junger Sänger mit Rockgott-Potenzial.
diefrogg - 29. Sep, 17:36
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
bonanzaMARGOT - 3. Okt, 10:23
solche spießer-siedlungen gibt es überall an den stadträndern. scheußlich. aber nun ja, wer sich das aussucht ... oft sind diese siedlungen auch noch von lärmschutzwänden umgegen, so dass sie wie ein fort aussehen, wie eine kleine welt für sich. und man fühlt sich dort dann wirklich als eindringling.
das geht mir aber auch so, wenn ich durch manche dörfer mit dem fahrrad komme. sie sind tagsüber menschenleer. es gibt nur einen kramladen oder einen bäcker, der aber auch zu hat. alle sind wohl auf der arbeit in der stadt. man sieht noch nicht mal spielende kinder, höchstens ein paar alte, die aus dem fenster schauen oder in den hauseingängen stehen. nur die parkenden autos am straßenrand sowie die ordentlichen vorgärten zeugen davon, dass dort menschen leben.
das geht mir aber auch so, wenn ich durch manche dörfer mit dem fahrrad komme. sie sind tagsüber menschenleer. es gibt nur einen kramladen oder einen bäcker, der aber auch zu hat. alle sind wohl auf der arbeit in der stadt. man sieht noch nicht mal spielende kinder, höchstens ein paar alte, die aus dem fenster schauen oder in den hauseingängen stehen. nur die parkenden autos am straßenrand sowie die ordentlichen vorgärten zeugen davon, dass dort menschen leben.
diefrogg - 3. Okt, 18:35
Das mit den...
Lärmschutzwänden finde ich ziemlich gut getroffen. Ich dachte an "Gated Communities", jene Siedlungen wohlhabender Amerikaner, in die man als Normalsterblicher gar nicht mehr reinkommt, weil eingezäunt und bewacht.
bonanzaMARGOT - 4. Okt, 09:44
darüber sah ich, glaube ich, auch mal ´ne doku. bei den amis ist alles noch ein paar nummern abgedrehter.
diefrogg - 4. Okt, 11:09
In der Tat!
Ich hoffe, gewisse Unsitten schwappen nicht auch noch bis zu uns herüber (zum Beispiel jene, dem Staat den finanziellen Schnauf abzudrehen und Museumswärter in die unbezahlten Ferien zu schicken). Das sind skandalöse Zustände.
Trackback URL:
https://froggblog.twoday.net/stories/498218922/modTrackback