9/11
Auf den Tag genau vor zehn Jahren machte meine Bekannte, die Buchhändlerin, die Theorieprüfung für ihren Führerschein. Wenn man als Mittdreissigerin Auto fahren lernt, ist man ja eine komische Figur. Um bei den Kollegen nicht zu blöd dazustehen, büffelt man da ordentlich Theorie. Sie bestand mit Null Fehlern. Freudestrahlend kehrte sie gegen 16 Uhr ins Geschäft zurück. Sie platzte fast vor Mitteilungsbedürfnis. Aber ihre Kollegen klebten vor dem Fernseher.
Die Welt war gerade eine andere geworden.
Ich sass an jenem Nachmittag auf der Redaktion neben meinem Kollegen Herbert. Er war ziemlich nervös, denn er war eigentlich Wirtschaftsredaktor. Aber an jenem Tag hatte er Frontdienst. Er war zuständig für die wichtigsten News des Tages. Dafür fehlte ihm die Routine. Gegen 15 Uhr kam er mit einer Agenturmeldung. Damals wurden die noch von ständig ratternden Faxgeräten auf Papier ausgespuckt. Er sagte: "Da steht, ein Flugzeug wäre in einen der Twin Towers gedonnert. Seltsam." Ich schüttelte den Kopf: "Ach komm, das ist doch ein Witz! Das kann doch gar nicht sein!" Merkwürdigerweise hatten wir damals ausgerechnet auf der Frontredaktion noch keinen Fernseher. Zehn Minuten später kam Herbert mit weiteren Meldungen. "Das mit den Twin Towers scheint zu stimmen", murmelte er. "Na, dann habe ich ja meinen Frontaufmacher für morgen."
Dann wurde alles noch viel schlimmer als wir dachten.
Wie 9/11 die Welt für uns verändert hat, können wir kleinen Fische heute kaum beurteilen. Fest steht für mich nur eins: Falls der Tag überhaupt Chancen bot, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, hat niemand sie ergriffen.
Die Welt war gerade eine andere geworden.
Ich sass an jenem Nachmittag auf der Redaktion neben meinem Kollegen Herbert. Er war ziemlich nervös, denn er war eigentlich Wirtschaftsredaktor. Aber an jenem Tag hatte er Frontdienst. Er war zuständig für die wichtigsten News des Tages. Dafür fehlte ihm die Routine. Gegen 15 Uhr kam er mit einer Agenturmeldung. Damals wurden die noch von ständig ratternden Faxgeräten auf Papier ausgespuckt. Er sagte: "Da steht, ein Flugzeug wäre in einen der Twin Towers gedonnert. Seltsam." Ich schüttelte den Kopf: "Ach komm, das ist doch ein Witz! Das kann doch gar nicht sein!" Merkwürdigerweise hatten wir damals ausgerechnet auf der Frontredaktion noch keinen Fernseher. Zehn Minuten später kam Herbert mit weiteren Meldungen. "Das mit den Twin Towers scheint zu stimmen", murmelte er. "Na, dann habe ich ja meinen Frontaufmacher für morgen."
Dann wurde alles noch viel schlimmer als wir dachten.
Wie 9/11 die Welt für uns verändert hat, können wir kleinen Fische heute kaum beurteilen. Fest steht für mich nur eins: Falls der Tag überhaupt Chancen bot, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, hat niemand sie ergriffen.
diefrogg - 11. Sep, 17:44
8 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
steppenhund - 12. Sep, 12:31
Ja, der letzte Satz ist leider nur all zu wahr. Ganz im Gegenteil. Es gibt Artikel, die beschreiben, dass gerade 9/11 Bush die Gelegenheit gab, sich so aufzuführen, wie er wollte. Damit hat er Amerika in eine derartige Abwärtsstömung gerissen, dass es leider auch für uns schlechte Folgen haben kann.
Aber eine seriöse Frau auf Facebook hat geschrieben, wieso um 3000 Tote so extrem getrauert wird, wenn jährlich so viel mehr an Hunger sterben. Da scheint es keinn Gedenktag zu geben.
Aber eine seriöse Frau auf Facebook hat geschrieben, wieso um 3000 Tote so extrem getrauert wird, wenn jährlich so viel mehr an Hunger sterben. Da scheint es keinn Gedenktag zu geben.
diefrogg - 12. Sep, 14:25
Ja, oder:
am 11. September 2011 starben in den Twin Towers 3000 Menschen. Im darauf folgenden Krieg der USA gegen Irak kamen im Zweistromland 100'000 Einheimische ums Leben. Das ist nicht einmal mehr Auge um Auge, Zahn für Zahn. Das ist ein Kopf für einen Zahn und ein Menschenleben für eine Auge. Und erst noch vom falschen Opfer. Das ist zutiefst verwerflich und wäre allein schon eine Erklärung dafür, warum so viele Menschen im Süden und Osten den Westen hassen.
creature - 13. Sep, 22:47
man trauert um menschen die einen lieb waren und nahestanden und nicht um die welche andere meinen man sollte um sie trauern, ist so, und zutiefst menschlich. die in den towers gestorben sind denen ist es egal ob es danach noch tote gab oder nicht.
natürlich war die reaktion vom busch und seinem team unangemessen und unnötig, aber diese trauer müssen wir den irakern lassen, die waren davon betroffen.
jetzt ist es zu spät da noch was gutzumachen, es ist passiert, wir können lernen in zukunft besonnener zu handeln und nicht rache üben.
vorbild ist für mich norwegen, die haben nicht hysterisch reagiert bei diesem amokläufer.
natürlich war die reaktion vom busch und seinem team unangemessen und unnötig, aber diese trauer müssen wir den irakern lassen, die waren davon betroffen.
jetzt ist es zu spät da noch was gutzumachen, es ist passiert, wir können lernen in zukunft besonnener zu handeln und nicht rache üben.
vorbild ist für mich norwegen, die haben nicht hysterisch reagiert bei diesem amokläufer.
diefrogg - 14. Sep, 13:47
Ja, das mit den...
Norwegern ist ein guter Gedanke.
Dass wir die Trauer "den Irakern überlassen" sollen, finde ich als Gedanken allerdings eindeutig kurz gegriffen. Ich lebe in einem Land, das während des Irak-Krieges 10000 Asylgesuche von Irakern einfach schubladisiert hat. Ist dieser Tage ans Licht gekommen. Da scheint es nicht unangemessen, wenn ich wenigstens Mitgefühl für jene empfinde, die in einem unfairen Krieg schreckliche Dinge erlebt haben. Nicht jeden Tag und zu jeder Stunde. Aber dann, wenn es nahe liegt.
Dass wir die Trauer "den Irakern überlassen" sollen, finde ich als Gedanken allerdings eindeutig kurz gegriffen. Ich lebe in einem Land, das während des Irak-Krieges 10000 Asylgesuche von Irakern einfach schubladisiert hat. Ist dieser Tage ans Licht gekommen. Da scheint es nicht unangemessen, wenn ich wenigstens Mitgefühl für jene empfinde, die in einem unfairen Krieg schreckliche Dinge erlebt haben. Nicht jeden Tag und zu jeder Stunde. Aber dann, wenn es nahe liegt.
creature - 16. Sep, 18:56
frogg, du weißt schon wie ichs meine!
natürlich ist es für viele iraker ein drama, man hat ein land und seine strukturen zerstört, sowas tut man nicht, obwohl der saddam auch kein guter war und viele unter ihm litten.
ich meinte nur, man lasse den amerikanern ihre trauer, und auch den irakern, wir brauchen uns da nicht einmischen und anderen vorschreiben für wen sie trauern sollen.
natürlich ist es für viele iraker ein drama, man hat ein land und seine strukturen zerstört, sowas tut man nicht, obwohl der saddam auch kein guter war und viele unter ihm litten.
ich meinte nur, man lasse den amerikanern ihre trauer, und auch den irakern, wir brauchen uns da nicht einmischen und anderen vorschreiben für wen sie trauern sollen.
diefrogg - 17. Sep, 21:44
Ah, da habe ich wohl...
den Beitrag von Herrn Steppenhund etwas zu schnell gelesen! Er spricht ja von Trauer. Nicht ich.
diefrogg - 17. Sep, 21:44
Ah, da habe ich wohl...
den Beitrag von Herrn Steppenhund etwas zu schnell gelesen! Er spricht ja von Trauer. Nicht ich.
Falkin - 12. Sep, 12:48
...da haben Sie leider sehr recht mit Ihrer Feststellung im letzten Satz. Ja, eher im Gegenteil... wurde das Grauen genutzt, um sämtliche Dämonen aus den Untiefen hervorzuholen und diesen ein Gesicht zu verlieren. Vielleicht haben die großen Fische aber in der Aufregung auch nur ihre Masken fallen lassen.. Wie auch immer: häßlich ist, was ans Tageslicht geriet und über den heutigen Tag hinaus Verheerendes anrichtet-e.
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