26
Jan
2011

Wahre Gespenstergeschichte

Mein Grossvater war Bauer. Er war ein ehrgeiziger Mann. Er hatte Ambitionen für seine Kinder und sein Zuchtvieh. Er hatte in seiner Partei etwas zu sagen und war Präsident des örtlichen Käsereivereins und des Elektrizitätswerks Magdisee. Aber er hatte auch eine andere Seite: eine gewisse Affinität für das Übersinnliche - und keinerlei Berührungsängste gegenüber dem Jenseitigen. Mein Grossvater war der Frogg Köbu.

Er hatte einen Freund: den Luchseren Sepp. Eines Tages trafen die beiden eine Abmachung: Derjenige von beiden, der zuerst starb, würde sich beim anderen abmelden. Das heisst: Er würde ein Zeichen geben, dass er gestorben war. Aber der Frogg Köbu war ein vielbeschäftigter Mann. Er vergass die Sache bald.

Ein paar Jahre später sass er eines Nachmittags mit ein paar Kollegen in der Stube bei einem Jass. An der Wand hing ein Kreuz und eine Reproduktion von van Goghs Sämann. Bestimmt floss reichlich Kafi Träsch.

Es dunkelte gerade, als plötzlich das Kruzifix mit einem Knall von der Wand fiel. Die Männer erschraken. Der Köbu stand auf und hängte das Kreuz wieder auf. Er sass noch nicht wieder, als es nochmals zu Boden ging. Er hängte es nochmals auf. "So, jetzt müsste es halten", brummte er. Der Satz war kaum fertig, als es wieder knallte.

Wenig später kam die älteste Tochter des Luchseren Sepp vorbei und brachte die schlimme Nachricht: Der Luchseren Sepp war eben gestorben.

Da wusste mein Grossvater, weshalb das Kreuz gefallen war.

Wer noch mehr solche Geschichten hören will, sollte sich den Film "Arme Seelen" ansehen:



Die Löwenzahnwiese, die man im Trailer sieht, grenzt direkt an den Hof meines Grossvaters.

Trackback URL:
https://froggblog.twoday.net/stories/11598487/modTrackback

Rockhound - 26. Jan, 17:27

Toller Grossvater! :-)

Meine Nachbarn haben tragischerweise ihren Sohn verloren. In der Nacht, in der er starb, blieb die Uhr bei meinen Nachbarn nicht nur stehen, sie lief rückwärts. Von der Geschwindigkeit her eigentlich aber im richtigen Tempo. Als meine Nachbarin morgens aufstand, zeigte die Uhr halb zwölf, sie wollte sie richten und merkte, dass der Sekundenzeiger rückwärts lief. Daraufhin rief sie bei ihrem Sohn an, wo ihr gesagt wurde, er sei in der Nacht um halb zwölf gestorben. Meine Nachbarin wollte die Asche ihres Sohnes nicht auf einem gewöhnlichen Friedhof beerdigen, sondern an seinem Lieblingsplatz. Das OK der Eigentümer hatte sie, aber nicht jenes der Behörden. Es dauerte ein paar Wochen, bis sie ihren Sohn dort bestatten konnten. Während der ganzen Zeit lief die Uhr stets rückwärts. Nachdem der Sohn an seinem Lieblingsplatz bestattet wurde, lief die Uhr wieder vorwärts, und zwar richtig und zeigte die Bestattungszeit, als die Nachbarn wieder zuhause waren.

Ich glaube diese Geschichten. Die Uhr der Nachbarn habe ich gesehen und ein Uhrmacher sagte, er könne diese Uhr nicht reparieren, das sei nicht möglich, bei Uhren, die nach einem Todesfall nicht mehr richtig gehen, denn die Uhr sei ja nicht kaputt...

diefrogg - 26. Jan, 17:35

Schauder!!!

Selbst wenn man es als Aussenstehende fast nicht glauben kann: Es ist eine starke Metapher für den Horrer, den Eltern durchmachen, wenn sie ein Kind verlieren.

Mein Grossvater war übrigens wirklich toll. Als Kind wusste ich das nicht. Er war ja nur ein alter Mann, der einen kaum verständlichen Dialekt sprach und nach Stumpen, pardon, Zigarren, roch. Aber als es mir in den letzten paar Monaten ein paarmal richtig beschissen ging, hatte ich manchmal das Gefühl, er wäre da. Ich kann das nicht erklären. Aber es ist einfach so. Manchmal hat er mir wirklich durch die Nacht geholfen.

Wenn ich Angst habe, meinen Job zu verlieren und zu verarmen, dann spreche ich mit ihm. Er hat wirtschaftlich schwierige Zeiten überstanden. Er wird wissen, wie man sowas macht.
Rockhound - 27. Jan, 09:27

Ich habe meine beiden Grossväter leider nicht mehr kennen gelernt. Sie haben beide relativ kurz bevor ich zur Welt kam, einen Abgang gemacht. Die wussten wohl wieso! ;-) Aber das Gefühl, dass die Grossväter bei mir sind, mich beschützen, mir zur Seite stehen, hatte ich mein ganzes Leben lang. Es hat mich auch vor viel Unfug bewahrt. Schön, wenn man solche Sachen noch zu spüren vermag.
walküre - 26. Jan, 22:15

Sehr interessantes Sujet. Ich mag die Gesichter der Menschen aus dem Trailer: gerade, offen und sehr klar, Attribute, die vielen "modernen" Menschen abhanden gekommen sind.

Ergänzung für Nichtschweizer:

http://www.schwyzkultur.ch/nachrichten/film-ueber-geister-und-arme-seelen-2075.html

diefrogg - 27. Jan, 17:21

Verstehen Sie...

überhaupt die Sprache im Trailer, Frau Walküre? Oder die schweizerdeutschen Wörter im Text? Ich frage nur so aus Interesse - um zu wissen, was ich meinen Lesern zumuten kann.
walküre - 29. Jan, 15:57

Ich schon, und auch wenn ich einem Dialekt nicht jedes einzelne Wort verstehe, erkenne ich den Sinn dahinter. Das liegt aber daran, dass ich eine ganze Weile in Vorarlberg gelebt habe und dadurch auch oft in die Schweiz gekommen bin bzw. beruflich mit Schweizern zu tun hatte. Das Lesen in Schweizer Blogs kommt noch dazu. Wenn Sie überlegen, was Sie ihren Lesern diesbezüglich zumuten könne, sind Sie nach meinem Verständnis auf dem falschen Weg, denn damit verbiegen Sie sich mehr als gut für Sie und Ihre Leserschaft ist. Das hier ist IHR Privatbereich, und wer daran interessiert ist, dem darf auch mal zugemutet werden, dass er sich erforderliches Zusatzwissen aneignet. Ich weiß, ich bin diesbezüglich eher radikal, aber Privatblog ist keine Zeitung oder Zeitschrift, die sich natürlich bis zu einem gewissen Grad nach ihrem Publikum richten muss.
diefrogg - 29. Jan, 17:09

Sie dürfen nicht...

vergessen, frau walküre, dass ich auch von Berufes wegen schreibe. Für mich ist das geschriebene Wort ein Mittel der Kommunikation - nicht des gepflegten Selbstgesprächs. Dass ich über meine Leser nachdenke, ist für mich selbstverständlich und auch kein Stress. Ich denke auf viel über den Blog als Medium nach. Würde ich es nicht tun, dann sähe es hier wohl ganz anders aus - und ich bin nicht sicher, dass Sie mich lesen würden.
Täuschblume - 27. Jan, 09:43

zum Film: arme Seelen

Am herrlichsten fand ich und das ist wortwörtlich gemeint, die Szene in der Stiftskirche,
in welcher der Herrgott hinaufgezogen wird, in einen sichtlich hölzernen Himmel.
Man sieht ihn dort sozusagen back stage.
Das war für mich ein faszinierender und auch mit Unglauben gespickter Moment,
ähnlich wie es mir als Kind im Zirkus geschah, als die Artistin an ihren Haaren bis zur Kuppel hinauf
gezogen wurde.

diefrogg - 27. Jan, 11:15

Ja, über die Szene...

habe ich auch sehr geschmunzelt. Ich flüsterte Herrn T. im Kino zu: "Du hast schon recht: Wir Katholiken haben einfach die bessere Show!" Die Geschichten dieses Herrn in Beromünster haben mich allerdings SEHR nachdenklich gemacht. Da gings um Exorzismus und derartiges. Ich meine: Sich vorzustellen, dass die Seelen der Toten manchmal noch da sind - als Wiedergänger oder als helfende Kräfte - finde ich akzeptabel und manchmal auch hilfreich. Ich sage ja immer: Mir ist egal, woher das Opium kommt. Hauptsache es wirkt.

Aber die Krankheit als Werk des Teufels. Der Kranke als einen vom Teufel besessenen. Diese Vorstellung lehne ich kategorisch ab. Da muss ich sagen: Zum Glück haben wir die Aufklärung, die solchem Hokuspokus die moderne Medizin entgegen gesetzt hat. Sie wirkt auch nicht immer. Aber besser ist sie allemal.
Täuschblume - 27. Jan, 12:04

Das allereinzig schlechte an diesem Film war diese Exorzismus Sache.
Das hat mich sehr, sehr wütend gemacht.
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