17
Jan
2015

Panik in der Schweiz II

Am Feierabend gestern traf ich noch eine Freundin. Sie ist Lyrikerin. Und nicht Finanzjongleurin oder Schnäppchenjägerin. "Aber ich ging dann doch auf die Bank, um Euro zu kaufen", sagt sie. "Ich rechnete damit, dass vielleicht 20 Leute da wären. Und weisst Du was? Es waren 50! Ich bin gleich wieder gegangen."

Und zwei- oder dreimal hat mir gestern jemand erzählt, wie viel Geld er an der Börse verloren hat.

Ich bleibe einstweilen ruhig - was sonst gar nicht meine Art ist. Ich denke immer:



Es kommt sowieso anders als man denkt.

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hotcha - 21. Jan, 14:10

Absurdistan

Wie kann man bloss auf die Idee kommen, man müsse jetzt Euro hamstern? Ist mir absolut schleierhaft, man weiss ja nicht, wie der Kurs sich entwickelt. Die Schlaumeier denken wohl, er gehe wieder rauf. Und wenn er im Juli bei 85 Rappen steht? Sowieso ist der mögliche Gewinn so minim. Gleichzeitig wird über die Grenze rüber geblocht, die Regale leer gekauft, noch schnell in der Beiz 'günstig' gegessen, das Fahrgeld zählt ja nicht. Ich kann nur staunen.

Was passiert, wenn die Hauskredite bei den Schweizer Banken für Oesterreich und Polen dazu führen, dass die Leute die um 20% gestiegenen Zinsen nicht mehr bezahlen können? Der Kredit nicht mehr eingetrieben werden kann? Die Banken dann auf Immobilien sitzen, die sie nicht mehr los werden? Wird dann wieder in Bad Banks ausgelagert, wie wir es schon mal hatten mit der Berner Kantonalbank, und soweit ich mich erinnere, haben alle Steuerzahler sich am Füllen des Lochs beteiligen müssen.

Was passiert, wenn in industrialisierten Regionen wie der Ostschweiz, wo ganze Firmen praktisch nur für den Export arbeiten, die Arbeitsplätze wegbrechen? Wo viele Leute auf Kante genähte Hypotheken fürs Häusle aufgenommen haben? Was, wenn der Einkaufstourismus der Schweizer im nahen Ausland weiter zunimmt? Eine Verkäuferin bei Aldi oder Lidl hat heute mindestens 4700 im Monat in den grossen Agglomerationen der Schweiz, liest man. Ob das so bleibt, wenn die Kunden zu Aldi D ausweichen?

Keine Ahnung, wie es kommt. Aber es könnte alle schwer treffen, in der Schweiz wie auch in Europa, deren Euro jetzt ja ziemlich nackt da steht. Genau so könnte es sich natürlich einfach wieder einpendeln. Die nächsten paar Monate werden es zeigen. Zeitungslektüre war schon lange nicht mehr so spannend wie dieser Tage. Wenigstens etwas.

diefrogg - 21. Jan, 19:18

Meine Rede, Herr hotcha,

meine Rede! Wenn mir die letzten Tage eins bewusst gemacht haben, dann dies: Der Schweizer Franken spielt bei Deals eine Rolle, von denen wir Frauen und Männer auf der Strasse nicht die geringste Ahnung haben. Dass ein Tag nach dem Entscheid der Nationalbank in New York ein Grossinvestor pleite geht (oder sollte man sagen "ein Finanzhai, der schamlos mit unserer Währung spekuliert hat"?), hat mir klar gemacht: Szenarien wälzen bringt wenig.

Euro-Käufe: Würde ich jetzt nur tätigen, wenn ich ohnehin in kurzer Zeit ins Euroland reisen würde.

100 Kilometer nach Euroland fahren, um dort einzukaufen: Finde ich degoûtant wie Du. Weil es sich - Benzin eingerechnet - nicht lohnt. Und aus purem Eigennutz: Die Verkäuferin im Coop und der Drogist am Stadtrand finanzieren das Medium mit, bei dem ich arbeite. Wo sparen sie, wenn sie keinen Job mehr haben? Richtig: Zuerst bei Medienprodukten.

Ich glaube, dass es da vielen Leuten nicht so sehr um den marginalen Gewinn geht, denn sie - vielleicht - mit solchen Aktionen erzielen. Sondern darum, dass sie sagen können: "Ich bin im Fall dabei gewesen, und ich habe so und so viel gespart!" Wenn wir noch Zeit für solche Spielchen haben, dann kann es uns hierzulande gar nicht so schlecht gehen. Eigentlich schön.
rabi - 28. Jan, 08:35

Schweizer Aktien

Als die Meldung durch die Presse ging, dass die Schweiz ganz überraschend die Bindung an den Euro aufgegeben hat, habe ich geschaut, was mit den Schweizer Aktien passiert: In Euro gerechnet, sind die von einer Minute auf die andere enorm gestiegen. Ich habe dann gleich meine Nestlé-Aktien mit gutem Gewinn verkauft (ob das klug war, weiß man natürlich erst hinterher, aber von Gewinnmitnahmen ist noch niemand arm geworden).

In Franken gerechnet, düften die Kurse allerdings nach unten gehen, da Schweizer Produkte für Ausländer teurer werden und die Firmen somit Probleme kriegen könnten, diese zu verkaufen.

Warum die Schweizer jetzt allerdings wie wild Euro kaufen wollen, verstehe ich nicht so ganz. Der Euro-Kurs dürfte gegenüber dem Franken eher noch fallen - besonders jetzt im Hinblick auf Griechenland. Da kann sich die Schweiz doch glücklich schätzen, dass sie von diesen Turbulenzen verschont ist.

steppenhund - 28. Jan, 11:43

Ich verstehe nicht, wie die Zusammenhänge sind. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Schweizer Institutionen so stark gegen die Interessen ihrer eigenen Landsleute agieren.
Als Österreicher ohne Hauskredit (habe meinen letzten Jahres abbezahlt, es war aber kein Frankenkredit) lassen mich meine eigenen Landsleute kalt. Ich bin so alt, dass jedes Geldsparprogramm, bei dem ich einmal als 25-Jähriger mitgemacht habe, letztlich durch Gesetzesänderungen ad absurdum geführt wird.

Ich glaube auch, dass die Sanktionen gegen Russland die EU-länder mehr betreffen als Russland. Russland ist durch die fallenden Ölpreise viel mehr beeinträchtigt. Und das wird Russland trotzdem überstehen.
Wir sind ja auch ein Land, welches einmal EU-Sanktionen ausgeliefert war. Die waren damals komplett überzogen. Heute wären sie vielleicht eher angebracht. Aber da kommen wir nach Ungarn und Frankreich und vielleicht noch ein paar anderen Staaten erst spät dran.

Es mag sein, dass der Euro noch weiter fällt. Aber die Frage ist immer, was man sich dafür kaufen kann. Die Inflation ist vollkommen unabhängig vom Austauschwert, - glaube ich zumindest.
diefrogg - 28. Jan, 16:19

@ rabi: In der Schweiz...

haben Schweizer Aktien innerhalb von zwei Tagen an die 20 Prozent ihres Wertes verloren. Man sah Leute mit langen Gesichtern, sage ich Dir! Irgendein Anlageberater hat das dann erklärt: Leute wie Du im Ausland hätten in aller Eile ihre Aktien verkauft und die Gewinne mitgenommen - deshalb der Werteinbruch. Inzwischen hat sich das Ganze etwas erholt, aber bleibt natürlich alles etwas ungewiss.

Und: Die Leute kaufen hier Euros, um ins benachbarte Ausland Lebensmittel hamstern zu gehen. Die Bahn hat am Samstag nach dem Nationalbank-Entscheid Sonderzüge nach Deutschland und Frankreich eingesetzt, damit die Leute dort einkaufen können.

Inzwischen hat sich der Frankenkurs wieder etwas erholt, liegt aber immer noch nur knapp über der 1:1-Grenze. Nicht so gut.

@ steppenhund: Gewiss handelten die Nationalbankchefs mit der Absicht, das bestmögliche für unser Land zu tun. Nicht alle Leute glauben das. Es kursieren jetzt irre Verschwörungstheorien. Ich weiss ja wenig über das alles, daher masse ich mir kein Urteil darüber an, ob das jetzt ein guter Entscheid war oder nicht. Irgendwann werden wirs wohl wissen. Hoffentlich passiert bis dahin nicht zu viel Unheil.
rabi - 3. Feb, 17:51

Wenn ich mal davon ausgehe, dass Schweizer Bürger mehr Franken als Euro besitzen (im Gegensatz zu uns Deutschen), dann müsste die Aufwertung des Franken für die Schweizer doch eigentlich gut sein, da das, was sie von Haus aus besitzen, nun mehr wert ist als vorher. Sie können nun in Deutschland, Österreich etc. billiger einkaufen

Das einzige, was ich an Schweizer Papieren hatte, waren eben die Aktien. Diese waren - auf Euro-Basis - im Wert gestiegen.
Die Firmen selbst sind wegen der Aufwertung ja nicht über Nacht schlechter geworden, aber ihre Produkte sind nun in Euro teurer geworden, so dass sich die ausländischen Kunden eventuell nach Alternativen umsehen.

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