29
Nov
2009

Letztes Telefon

Nehmen wir einmal an, Ihrer hättet noch Zeit für genau ein einziges Telefongespräch. Nachher würdet Ihr gehörlos und nie mehr telefonieren können. Wen würdet Ihr anrufen? (Ehepartner, Kinder oder Eltern einmal ausgenommen)

Edit: Ehepartner, Kinder oder Eltern nicht ausgeschlossen. Sonst ist es wirklich verdammt schwierig.

27
Nov
2009

Zweite Wunderheilung

Obwohl ich gerade in Cortison-Behandlung bin, stürzte mein Ohr gestern Abend wieder brutal ab: Von Roger Federers Fernseh-Kommentar zu seinem Spiel hörte ich nur noch "brabbelbrabbel... guet gschpiilt.... brabbelbrabbel..., a bitz a tschälensch", oder ähnlich. Nicht so schlimm. Er sagt ja sowieso immer dasselbe. Schlimmer: An telefonieren war nach 21 Uhr nicht mehr zu denken (ich hätte es vielleicht gekonnt, aber ab einem gewissen Punkt schäme ich mich jeweils, dauernd "hä?!" zu sagen).

Irgendwann am Abend sagte ich mir so gelassen wie möglich: Frau Frogg, Du wirst nicht wieder gesund. Wenn Du ins Leben zurück willst... "Ja, das will ich, unbedingt und möglichst bald!" qiuekste Frau Frogg.... also gut, wenn Du wieder zurück ins Leben willst, dann musst Du Dich damit abfinden, dass Du es mit einer Behinderung tust. Am besten lernst Du möglichst schnell, damit umzugehen! Ich muss zugeben: Damit sich Frau Frogg so etwas einigermassen gelassen sagen kann, braucht sie die Hilfe eines Milligramms Temesta. Aber vielleicht gehts auch eines Tages ohne.

Heute Morgen war dann wieder ein Termin im Spital fällig: die dritte von vier letzte Woche begonnenen Cortison-Spritzen direkt ins Trommelfell. Die Injektionen machen die jungen Ärzte im Spital, es ist fast jedes Mal jemand anderes. Diesmal war wieder der etwas andere Doktor an der Reihe. Er ist noch jung, asiatischer Abstammung und sieht irgendwie selbstvergessen aus, wenn er auf seinen Strohsandalen durch die Gänge schlurft. Er geht anders mit Frau Frogg um als die anderen Ohrenärzte. Wenn man zu normalen Ärzten sagt: "Hören Sie, dieses Auf und Ab macht mich halb wahnsinnig. Ich bin mit den Nerven am Ende." Dann sagen die: "Ach, Sie müssen das positiv sehen. Es besteht eine reelle Chance, dass alles wieder gut wird." Er aber sagt: "Das verstehe ich gut." Und versucht irgendwie zu helfen.

Letztes Mal, an einem verzweifelten Morgen, schrieb er mich ein paar Wochen krank und schickte mich dann nach Hause. Ich solle mich ausruhen, sagte er. Das sei das Wichtigste. Ich ruhte mich aus, und dann geschah etwas ganz Aussergewöhnliches: Gegen 17 Uhr konnte ich wieder Radio hören. Am Abend ging ich mit Veronika spazieren. Sie wird bezeugen, dass wir damals eine ganz normale Konversation führten. Dazu war mir leicht schwindlig, und ich hatte dieses seltsame Geräusch im Ohr: wie Schmelzwasser, das unter Eis hervorrieselt. Wie 1000 fallende Stecknadeln. Am nächsten Morgen hörte ich wieder alles. Das war meine erste Wunderheilung.

Leider dauerte das Glück nicht mehr als zwei Tage. Danach wandte sich das arme Ohr wieder zeitweise sehr ruckartig von der Welt ab. Deshalb erwartete ich diesmal auch nicht viel vom etwas anderen Doktor. Ich liess ihn mir meine Spritze geben und legte mich dann zu Hause auf die Couch. Herr T. hörte kochte Mittagessen und hörte Radio. Ich hörte Brabbeln.

Kurz vor dem Mittagessen streckte mich ein für meine Verhältnisse ungewohnt heftiger Schwindelanfall noch tiefer in die Polster. Gleichzeitig hörte ich im Soundbrei am Radio wieder erste klare Phrasen. Ich schluckte ein Antemin gegen die Übelkeit und nahm das Mittagessen zu mir. Danach hörte ich die ersten Flugzeuge seit Tagen am Nachmittagshimmel. Und ich hörte 1000 fallende Stecknadeln.

Vorhin hörte ich wieder leise Musik. Sehr leise. Und ich dankte still dem etwas anderen Doktor. Ob die Heilung von Dauer ist oder nicht, wird sich diesmal zeigen. Aber er hat mir einen Aufschub gewährt. Den werde ich geniessen, auch wenn er nur einen Tag dauert.

25
Nov
2009

Gelächter über Untertitel

Weil ich so lärmempfindlich bin, habe ich angefangen, mit Ohropax fernzusehen und die Untertitel einzuschalten. Nach einigem Getüftel fand Herr T. heraus, dass es ganz einfach ist: Man bleibt auf SF1, drückt auf der Fernbedienung den Teletext-Knopf und dann 777. Zwar beschränkt einen das ein wenig bei der Sendungswahl. Sport interessiert mich ja nicht so, obwohl gerade da die Untertitelung besonders breit ist. Ich bin ja mehr der schöngeistige Typ. Aber offenbar nimmt das Fernsehen an, dass Schöngeister alle gut hören. Nun, wie dem auch sei: Gestern liess ich es bei der "Tagesschau" und "Ein Fall für Zwei" bewenden. Offenbar ist der Krimi so harmlos, dass man ihn sogar Hörbhinderten zumuten kann.



Dafür bringen die Untertitel von "Ein Fall für Zwei" mich immer weder zum Lachen: Da huscht etwa Privatdetektiv Matula durch ein nachtblaues Interieur hinter einem Verdächtigen her, dazu heisst es: "Unheimliche Musik", dann "spannende Musik", dann "unheilvolle Musik". Ich frage mich, wozu diese Information da ist. Hat Musik eine handlungsrelevante Funktion, die ich noch nicht bewusst erkannt habe? Oder will man uns Hörbehinderten einfach zu verstehen geben, dass man uns nicht vergessen hat?

23
Nov
2009

Meine wächsernen Freunde

Ich höre wieder besser. Dafür bin ich jetzt umso lärmempfindlicher.



Die hier sind meine treuesten Begleiter. Ich stecke mir schon so eine Wachskugel ins rechte Ohr, wenn in der Küche Fleisch angebraten wird. Brutzelndes Fleisch - das sind bestimmt 90 Dezibel! Und zum Erstenmal fällt mir auf, wie häufig Ambulanzen an unserem Haus vorbeisirenen.

Noch viel schlimmer ist es draussen auf der Strasse. Neulich vergass ich meine wächsernen Freunde. Seither könnte ich eine Lärmkarte unserer Stadt für Hyperakustiker zeichnen. Ich kam über Land. Alles ging gut, bis ich zum Waldgürtel am Stadtrand kam. Dort waren Waldarbeiter am Werk. Mit Kreissägen, wenn ich mich nicht irre. Sie liessen sie aufheulen, als gäbe es kein Morgen. Naja, wahrscheinlich stimmt das auch. Schliesslich ist November. Wenn nicht jetzt Bäume und Hecken schneiden, wann dann?

Schon 100 Schritte fand ich die erste Baustelle vor. Genau an der Stelle, an der mein Pfad hinein in den Stadtwald führt. Ein Presslufthammer jagte mich fast eine Hauswand hoch. Ich hielt mir das rechte Ohr zu, schaltete links mein Hörgerät aus und suchte hastig einen anderen Pfad.

Kaum hatte ich mich in den Wald gerettet, wurde ich von einem Hund bekläfft. Schaurig.

Dann eine Weile nichts als Vogelgezwitscher. Vogelgezwitscher ist ok. Meistens. Auch Kinder sind ok.

Aber am Ostende des Stadtwalds bekommt gerade ein Parkhaus zwei neue Stockwerke. Um sie zu bauen, braucht es offenbar Schleifmaschinen. Der Lärm der Schleifmaschinen hallte den Stadtwald herauf, dass es wahrscheinlich auch den Vögeln zu bunt wurde. Ich jedenfalls stakste mit zugehaltenen Ohren durch den Wald.

Wie ich dann noch durch den Stadtverkehr kam, weiss ich nicht mehr.

Ich erinnere mich nur noch, dass ich vor vielen Jahren einmal eine Liste der unentbehrlichen Geräusche geschrieben habe. Das waren noch Zeiten!

21
Nov
2009

Wieder Cortison

Nach den Abstürzen der letzten Tage war gestern klar: Ich brauche wieder Cortison. Nochmals Spritzen direkt ins Trommelfell. "Ich glaube, diesen Winter brauche ich ein Spritzenabo!" sagte ich verzagt zum Assistenzarzt Zwei, der mich diesmal im Spital behandelte. Er sagte nichts, sondern ging erst einmal zum Chefarzt. Jetzt bekomme ich nach der gestrigen Spritze noch drei weitere. Das bestärkt meinen Glauben an das Gute.

Überhaupt: Ich fühle mich besser als in den letzten zwei Tagen. Ich lerne gerade, mich wie ein rohes Ei zu behandeln.
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Journal einer Kussbereiten

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