9
Dez
2009

Bescheuerte Versicherung 2

Neulich habe ich mein Problem mit der Callmed-Krankenversicherung geschildert.

Heute Mittag hatte ich alle Formulare für eine Versicherungsänderung ordentlich ausgefüllt. Ich freute mich: Laut dem netten Sachbearbeiter vom Montag gab es eine unbürokratische Lösung für mein Problem. Dennoch ging ich persönlich zur Versicherung. Ich wollte sicher sein, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Und siehe da: Ein neuer Sachbearbeiter, neue Schickanen: Jetzt brauche ich noch die Bestätigung eines Ohrenarztes, dass ich tatsächlich an schwankender Hörminderung auf beiden Ohren leide. Dass ich deswegen manchmal nur schwer telefonieren kann. Und dass deswegen eine kurzfristige Versicherungs-Änderung Sinn macht. Der Versicherungsheini erklärte: "Sonst gibt das bei der Revision des Bundesamtes möglicherweise ein Problem." Und man brauche das Gutachten bis 31. Dezember, jawoll.

Freunde, ich habe ein dünnes Nervenkleid zur Zeit. Ich bin schier in Tränen ausgebrochen, als er das sagte.

Ich ging dann sofort zu meinem Ohrenarzt, was sich zum Glück mit einem Spaziergang einrichten liess. Er selber war gerade nicht da. Seine Arzthelferin kennt mich mittlerweile. Sie wiegte bedauernd den Kopf: "Tja... das ist ein Gutachten... dafür braucht der Herr Professor mindestens zwei Wochen."

7
Dez
2009

Tränen, Tränen, Tränen

Am Samstag ging ich spazieren. Ich sah, wie drei Schwäne nebeneinander den Göttersee hinunterflogen. Ich hörte, wie ihre Schwingen aufs Wasser aufschlugen. Sonst hörte ich ausser dem Gedröhn in meinen Ohren nicht besonders viel. Dennoch war ich für einen Moment lang eins mit mir und der Welt.

Zu Hause griff ich dann nach Wochen unablässiger Lektüre seichter Kost zu diesem Buch:


Denn mir wurde klar: Die Welt hat drängendere Probleme als mein Ohrenleiden. Es schien, dass mich die Welt wieder hatte.

Doch gestern hatte ich noch einmal einen schweren Rückfall in die Abgeschiedenheit meiner Krankheit. Ich war bei meinen Eltern zu Besuch und hing dort in meinem Zimmer herum. Ich brach in Tränen aus und konnte kaum noch zu weinen aufhören. Ich weinte, einfach weil ich traurig war. Ich weinte um mein verlorenes gutes Ohr. Ich weinte, weil alles, was ich höre, schrecklich klingt. Ich weinte, weil ich mich als das missratenste und nutzloseste Kind im Quartier meiner Eltern fühlte. Und weil sie sich trotzdem so viel Mühe um mich geben.

Dabei sollte ich allmählich genug geweint haben. Ich weine seit dem 30. Oktober täglich. Das war der Tag, an dem ich ins Spital musste. Als sie mir die Nadel mit dem Cortison ins Ohr gestossen hatten, lag ich da. Vor meinem geistigen Auge sang Robert Page "I'll give you every inch of my love" und ich brach in Tränen aus. So frech, so unbeschwert, so englisch, so Rock'n'roll. Und vielleicht alles vorbei für mich.

In den wechselhaften Wochen danach schein es, als müsste jeder Aspekt meines Lebens betrauert sein: Meine nie geborenen Kinder; meine dahinsiechende Grossmutter; die Tatsache, dass auch meine Eltern älter geworden sind; die Tatsache, dass Herr T. da war; die Tatsache, dass er nicht da war; die Erinnerung an meine viel zu früh verstorbene erste Liebe; dass ich vielleicht nie mehr mit meinen Lieblingskollegen zusammenarbeiten werde; mein Stolz auf meinen Beruf; mein Stolz auf mein Gehör; mein Stolz auf... Ich weiss nicht, ob das je wieder aufhört.

Aber eins weiss ich: Heute las ich wieder Ziegler. So viel Wissen. So vieles, was uns Westlern so dringend gesagt gehört. Und immer zu wenig Zeit, es zu sagen. Immer diese Eile. Ziegler schreibt genau wie er spricht: atemlos, eindringlich, getrieben. Auch wenn das Thema ernst ist: Ich musste lächeln.

4
Dez
2009

Bescheuerte Versicherung

Ich glaubte, etwas Kluges zu tun: Im September schloss ich für das kommende Jahr eine so genannte Callmed-Krankenversicherung ab. Das bedeutet: Bevor ich einen Arzt aufsuche, muss ich eine 0800-Nummer meiner Krankenkasse anrufen. So spare ich Prämien. Und die Krankenkassen scheinen ganz erpicht darauf, ihre Versicherten in ein solches System zu stecken.

Das war, bevor die Hörstürze auf meinem guten Ohr begannen.

Unterdessen habe ich gemerkt, dass die Sache einen Haken hat: Vielleicht gibt es auch in Zukunft Tage, an denen ich wegen meiner Meniere-Erkrankung auf beiden Ohren miserabel höre. So schlecht, dass ich gar nicht telefonieren kann. Und wahrscheinlich hätte ich genau an jenen Tagen das Bedürfnis, einen Arzt oder gar das Spital aufzusuchen.

Gestern hörte ich ganz ordentlich. Deshalb beschloss ich, bei der Callmed-Versicherung nachzufragen, ob sich das Problem irgendwie lösen liesse.

Nun heisst es ja, man werde bei diesen Callmed-Zentren mit medizinisch geschulten Leuten verbunden. Aber die Callcenter-Frau, die ich am Telefon hatte, schien den Begriff Meniere'sche Krankheit noch nie gehört zu haben. Als ich ihr mein Problem schilderte, blieb ihr dann vollends die Spucke weg. Freunde, ich höre ja nicht besonders gut. Aber ich konnte sehr wohl hören, wie die Frau einen furchtbar dümmlichen Blick bekam, als sie stammelte: "Ja, dann... dann... ändern Sie wohl besser Ihre Versicherung wieder."

Das würde auf Grund dieser Erfahrung tatsächlich gern. Aber leider ist das Anfang Dezember nicht mehr möglich. Es erstaunt mich, dass die Frau am Telefon das nicht gewusst hat.

Edit 7. Dezember: Ich kann bis Ende Jahr meine Versicherungspolice doch ändern. Dem Himmel sei Dank!

2
Dez
2009

Schlimmes Erwachen

Gestern Abend telefonierte ich noch mit meiner Freundin Ella. Ich schaute fern, mit und ohne Untertitel. Ich hörte unten auf der Strasse Autos vorbeifahren und weit weg die Züge.

Heute Morgen: Nur das Gejodel und Georgel in meinem Ohr.

Vor ein paar Tagen hörte ich noch Gebrabbel am Radio, dann konnte ich vorübergehend wieder Nachrichten hören. Eben fragte ich Herrn T,: "Läuft das Radio"?

Er sagte Ja. Ich hörte nur verschneites Stimmrauschen.

Und das schlimmste ist: Ich weiss nicht, was ich machen soll. Im Spital haben sie getan, was sie konnten. Wenn ich jetzt anrufe, werden sie mich nur abwimmeln.

1
Dez
2009

Sexiest Man Alive

Neulich beim Spazieren: Ich habe mir meine Ohropax gesteckt. Damit ich nicht hören muss, wie die Autos gurgeln und chirbschen, wie der Fluss dünn rieselt und schmurgelt und girrt und wie die Stimmen meiner Mitspaziergänger blechern klingen. Herr Meniere hat mich im Griff.

Da kommt mir ein Paar entgegen. Ihn kenne ich an der Gestalt, ohne ihn anzusehen. Er ist Kuno, der Hüne.

Als ich 14 war, war er the Sexiest Man Alive. Er war eine Klasse über mir in der Kantonsschule. Er war ein Sport-As und muss eine verlässliche Stimme gehabt haben. Jedenfalls sang er die Hauptrolle im Schulmusical. Wenn ich mich mich ein wenig anstrenge, kann ich sie von fern noch hören, diese Stimme, einen weichen, eher vorsichtigen Bariton. Als wolle er ja nichts falsch machen. Aber das merke ich erst jetzt, in der Erinnerung.

Damals merkten wir das nicht. Die Prinzessin und ich (vor allem ich) himmelten ihn an. Er ignorierte uns, so gut er konnte.

Wider erwarten eroberte er nach der Matur nicht Hollywood und nicht einmal Leutschenbach. Nein, Jahre später fand ich Bilder von ihm im Regionalteil unseres Tagblatts. Er zeigte sich unseren Fotografen stets in der Umgebung angegrauter Herren, die der Schmauch von Zigarren zu umwehen schien. Er trug den Titel eines Direktors. Als ich noch Journalistin war, habe ich ein- oder zweimal mit ihm telefoniert. Beruflich. Dabei verzichtete ich tunlich darauf, unsere gemeinsame Gymi-Zeit anzusprechen.

Diesmal schaue ich an ihm vorbei. Ich richte meinen Blick fest auf den Wegrand. Ich will ihn gar nicht sehen. Ich habe genug mit mir selber zu tun.

Aber irgendetwas zwingt meinen Blick auf sein Gesicht. Ja, das ist es: Er sieht mich an. Seine Augen blitzen hellbraun, er gibt mir ein frisches Halblächeln. Er erkennt mich.

Ich nehme mich zusammen. Er kann ja nicht sehen, dass ich furchtbar taub bin.

Ich gebe ihm mein geheimnisvollstes Halblächeln zurück.
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Journal einer Kussbereiten

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