30
Dez
2008

Weltuntergang

Es ist die Zeit der Jahres-Rückblicke. Ein guter Anlass, Euch einmal etwas über die Frogg zu erzählen, was ich Euch bislang schamvoll verschwiegen habe: Herr T. nennt seine Liebste manchmal eine Jammertante. Was sie nach einem Arbeitstag jeweils von sich gibt, nennt er Jeremiaden. Und da Herr T. zu Untertreibungen neigt, ist auch das eine. In Wirklichkeit ist es so: Frau Frogg ist die grösste aller Jammertanten, die Königin der Jeremiaden-Sängerinnen.

Übertroffen wird sie nur von ihren beiden geschätzten Kollegen Stöhn und Bartholomäus. Von Herrn Stöhn kann man mit Fug sagen, dass er das Klagen zur Kunstform erhoben hat - echt und gfürchig und doch mit hie und da einem Funken Selbstironie. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es um meinen Jahresrückblick, und ich muss es einmal ehrlich sagen: Die Frogg prophezeite 2008 ihren Weltuntergang. Natürlich hat Herr T. es jeweils nicht so ernst genommen, wenn sie sagte: "Komm, leisten wir uns diese phantasische, aber schweineteure Ferienwohnen in Istanbul! Vielleicht ist es das letzte Mal, dass wir so weit reisen können. Komm, ich kaufe das teurere Sofa! Vielleicht bin ich nächstes Jahr mausarm!"

Aber die Frogg hatte 2007 auch plausible Argumente für ihre pessimistischen Prognosen gesammelt (Angst hatte sie keine: SIE würde mit offenen Augen und für einmal schwindelfrei in jeden Abgrund schauen, der sich 2008 auftäte!)

Da waren zum einen diese unheimlichen Ohrenprobleme: Die Schwindelanfälle, und viel schlimmer noch: Die Hörnachlässe in meinem guten rechten Ohr, das Gedröhn und Gegurgel. Wer hätte da nicht Angst gehabt vor dem Taubwerden? Davor, irgendwo da draussen umzufallen und nicht mehr aufzustehen.

Und dann war da noch die Finanzkrise. Schon im Januar wusste die Frogg: "Da kommen gröbere Dinge runter!" (So prophezeit es jeweils der Busen- Blut, Blech- und Wetterspezialist unserer Zeitung an unseren Sitzungen).

Gott sei Dank ist alles nicht so schlimm gekommen wie befürchtet. Noch hört die Frogg. Noch hat sie einen Job. Der Krimi macht Fortschritte. Es gab auch grosse Glücksmomente, sogar mehr als einen. Eigentlich war 2008 ein bemerkenswert gutes Jahr. Es gibt Anlass zu Hoffnungen. Ich schmiede sogar schon wieder Reisepläne für 2009. Es soll wieder in die Türkei gehen!

Und doch. Eins wird die Frogg nie ausser Acht lassen können: Die Welt kann auch 2009 noch untergehen!

In diesem Sinne Euch allen ein gutes Neues Jahr!

28
Dez
2008

Kleiner mit Freundin

baum dez. 08 001

28 Zentimeter gross ist er jetzt, mein kleiner Ahornbaum Benji. Und vollkommen kahl. Im November hat er seine Blätter doch noch eins ums andere abgeworfen. Ohne vorher die Sache mit dem Gelbwerden begriffen zu haben, allerdings.

Trostlos sah er aus. Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich ihn etwas aufheitern könnte. Jetzt hat er zu Weihnachten ein Gspänli bekommen: eine lachende Giesskanne von Tim und Veronika.

27
Dez
2008

Horror im Kinderzimmer

Vater Frogg wird älter. Und ich habe gemerkt: Das hat auch Vorteile. Zum Beispiel erzählt er neuerdings gern aus seiner Jugendzeit. Am Heiligabend, leise untermalt von weihnachtlichen Klängen ab CD, kam er plötzlich ins Berichten.

Als Fünfjähriger habe er ein Zimmer mit einem Mädchen geteilt, sagte er. Sie hiess Maribeth oder ähnlich, und, so fügte er schnell hinzu: Sie war natürlich kein Mädchen im heutigen Sinne, sondern eine Magd, also, ein altes Mädchen, so Anfang 80.

Ich sollte hier noch erklärend einfügen: Vater Frogg ist 1939 geboren und auf einem Bauernhof weit draussen auf dem Lande aufgewachsen. Noch heute liegt sein Geburtshaus in einem Handyloch. Es war zwar ein grosses Haus, und Grossvater Frogg hatte auch immer reichlich Personal, um den Betrieb am Laufen zu halten. Ansonsten aber war die Familie bitter arm.

"Ich hatte schon mitbekommen, dass es der Maribeth nicht so gut gegangen ist", erzählte Vater Frogg, "Aber das war halt ganz normal, sie war ja alt. Eines Morgens aber, als ich aus dem Bett stieg, war sie über Nacht gestorben."

Ich empöre mich für ihn. Ich meine: Heutzutage würde man doch ein Kind nie immer Zimmer einer Sterbenden schlafen lassen! Vater Froggs zwei Enkelinnen jedenfalls führen da ein ganz anderes Leben: Die haben neuerdings je ein eigenes Zimmer. Und die durften sogar auswählen, welche Farbe die Wände darin haben sollen. Das von Marie-Christiane (7) ist pink, das von Carina (3) gelb.

Doch Vater Frogg erzählt, ohne zu vergleichen. Ohne Groll. Ohne Moralinsäure. Auch ohne Prahlerei. Vater Frogg gehört nicht zu den Leuten, die ständig darlegen müssen, was für tolle Hechte sie einmal gewesen sind.

"Ach weisst Du, das war halt so!" sagt er gelassen, "Damals gab es so Hierarchien in unserem Haus."

Ich glaube, er hätte gerne noch ein bisschen von diesen Hierarchien erzählt. Aber vor Empörung frage ich nicht nach, denn es ist ja klar, was gemeint ist: Er als Jüngster im Haus war gerade gleich viel Wert wie ein krankes "altes Mädchen".

Erst später wird mir plötzlich klar, welche Welten dieser stets so überaus freundliche und zurückhaltende ältere Herr in seinem Leben durchquert hat. Warum er so manches im Leben als Geschenk betrachtet. Als eine verwunderliche Gabe, die er fast nicht annehmen darf. Plötzlich verstehe ich besser, wer er ist. Wer wir sind.

24
Dez
2008

Zweihändiges Christkind

Neulich fragte Veronika ihren Sohn Tim (bald 4): "Du, was wünschst Du Dir eigentlich vom Christkind?"
Tim überlegte nicht lange. "Einen Löwen", sagte er und dann: "Und einen Gepard. Denn weisst Du: Das Christkind hat ja zwei Hände."

Auch Euch wünsche ich ein zweihändiges Christkind. Möge es Euch mit der einen Hand reichlich materielle Güter bringen: Luxuriöse, praktische oder herzige Geschenke in Hülle und Fülle oder wie es Euch beliebt.

Mit der anderen Hand aber möge es Euch Gutes für die Seele bringen: Liebe, Freude, Anerkennung im Beruf, Mut, Glück, inneren oder äusseren Frieden so viel Ihr Euch wünscht.

23
Dez
2008

Mann mit Hörgerät

Ich hatte ein Problem mit dem Computer. Irgendwo in den labyrinthischen Eingeweiden unserer beiden Grossraumbüros fand ich schliesslich einen Mann, der mir helfen konnte. Ein Neuer.

Sofort merkte ich, dass er anders war als all meine anderen Kollegen: Er liess mich warten. Er müsse erst etwas fertig machen, sagte er ruhig. Jemanden warten lassen: Das tut sonst keiner in unserem Laden. Der hier tat es. Ich sah ihm beim Arbeiten zu und entdeckte dabei über seinem linken Brillenbügel ein unauffälliges, schwarzes Teil.

"Hast Du ein Hörgerät?" fragte ich ihn aufgeregt, als er sich mir schliesslich zuwandte. Ich treffe nicht viele Leute mit Hörgerät. Ich war neugierig.

Ich sah, dass er erschrak. Verständlich: Leute mit Brillen gelten als ganz normal. Leute mit Hörgeräten gelten als behindert, ja debil.

Um ihn zu beruhigen, sagte ich hastiger als nötig: "Ich habe auch eins." Und lüftete die Frisur über meinem linken Ohr, die mein Oticon Tego so umstandslos verdeckt. Diese Geste ist mir immer ein bisschen peinlich. Als würde ich mich ausziehen.



Er lächelte und fragte, welche Marke ich habe und wusste gut Bescheid über das Ding. Dann sagte er: "Ich habe sogar ein Cochlea-Implantant. Ein Hörgerät allein würde mir nicht viel bringen."

Da begann ich etwas deutlicher mit ihm zu sprechen. Obwohl es wahrscheinlich nicht nötig gewesen wäre. Ich erzählte ihm, dass mein Hörgerät auch nicht das ganze Problem aus der Welt schaffe. Dass mein rechtes Ohr aber meistens in Ordnung sei und ich deshalb eigentlich gut zurechtkomme.

Dann wandten wir uns der Arbeit zu. Wir hatten es beide eilig. Aber ich hoffe, ich treffe ihn bald wieder. Ich will ihm etwa
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Freni - 28. Nov, 20:21
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Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
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auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
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