12
Mai
2008

Mäkeln über einen Helden

Fröschinnen sollten über einen Helden wie Orhan Pamuk nicht mäkeln. Seine Bücher sind wirklich aussergwöhnlich. Hobbyautorin Frogg jedenfalls mutet es an wie ein Wunder, dass ein Roman wie Rot ist mein Name überhaupt geschrieben werden konnte: Er ist ja so ausgeklügelt konstruiert mit seinen ständig wechselnden Ich-Erzählern. Er jongliert ja so gekonnt mit so vielen verschiedenen Genres: Mal ist er ein philosophisches Traktat über den Islam und seine Kunst, mal ein Liebesroman wie ein Märchen aus 1001 Nacht und dazu auch noch ein Krimi. Und er ist er ein mutiges Buch, weil hoch politisch: Pamuk schildert, wie die Buchmaler Istanbuls 1591 unter dem Druck der westlichen Renaissance-Malerei in Panik geraten. Dass die Leser da an die aktuelle Weltlage erinnert werden, ist sicher beabsichtigt.

Bestimmt ist es richtig, dass Pamuk dafür (und für Schnee) den Nobelpreis bekommen hat. Allerdings dürfen wir uns nicht wundern, dass das für konservative Kreise in der Türkei eine Provokation war. Schliesslich ist es dort immer noch verboten, das "Türkentum" zu beleidigen (was immer das heissen mag). Zwar ist der Paragraf kürzlich ein wenig gelockert worden. Aber was bedeutet das wirklich? Da masse ich mir im Moment lieber kein Urteil an.

Ich habe auch nicht vor, über Pamuk und die Politik zu mäkeln. Ich mäkle hier nur über Pamuk, weil ich seinen Stil zuweilen emüdend finde. Weil ein Onkel in diesem Buch stets ein "Oheim" ist, weil "vom Geiste" und nicht "vom Geist" die Rede ist, weil die Sätze stets lang, verschachtelt und gepflegt sind. Weil im Buch zwar an die 20 verschiedene Erzähler auftreten: Männer, Frauen, ein Kind, ein Toter gar und auch eine gemalte Münze. Weil sie aber immer exakt genau dieselbe Sprache sprechen. Immer (naja, fast immer) ertrinkt da jeder Ansatz von Humor, jede Theatralik in diesem hohen, gespreizten Stil.

"Aber das ist doch genau richtig so!", sagen jetzt die Kenner unter Euch. "Pamuk zeigt damit, wie die Figuren in diesem Buch denken, wer sie sind: dass sie eben denken wie Menschen aus dem Spätmittelalter. Dass sie keine Individuen im modernen, westlichen Sinne sind. Genau deshalb ist dieser Roman genial: Weil er im Stil wiedergibt, was er uns inhaltlich sagen will."

Ja, kann schon sein...! Nur: Anstrengend finde ich das trotzdem!

11
Mai
2008

Burma

Noch nie habe ich von einer Regierung gehört, die offenbar so viel Menschenverachtung, Verblendung und galoppierende Inkompetenz in so kurzer Zeit an den Tag legt! Es ist himmeltraurig.

5
Mai
2008

Paprikadeutsch

Hochdeutsch ist nicht gleich hochdeutsch. Das lernte ich ausgerechnet in England. In jenem Kinderheim, in das ich mit 20 arbeiten ging, um richtig englisch zu lernen. Hochdeutsch, glaubte ich, müsse ich nicht mehr lernen. Hochdeutsch konnte ich ja. Hochdeutsch war die Sprache der Deutschen. Jene Sprache, die wir Schweizer der Einfachheit halber als Hochsprache verwenden und nur ein bisschen anders aussprechen als die Deutschen. Mit meiner ebenfalls 20-jährigen Kollegin Trude aus Deutschland sprach ich deshalb hochdeutsch, und wir verstanden uns bestens. Glaubte ich. Bis wir eines Tages zusammen in der Küche standen und einen Gemüsekorb auspackten. Darin befanden sich auch solche Gemüse.


(Quelle:www.klzh.ch)

Trude nannte es Paprika. Die Frogg war verblüfft und sagte: "Hey Trude, das sind Peperoni!"

Weil Trude den Kopf schüttelte, ging ich zum Gewürzschrank und nahm das hier heraus.


(Quelle: www.codecheck.ch)

"Das hier ist Paprika", sagte ich. Trude schien uneinsichtig und stellte Fragen, und so musste ich ihr auch noch erklären, was das hier ist:


(Quelle: www.planet-office.ch)

"Das", sagte die Frogg, "Sind Peperoncini."

Trude wollte mir nicht glauben. Für sie hiess das alles immer noch Paprika. Die Frogg aber war sich ihrer Sache sicher.
Denn immerhin stammt dieses ganze Zeugs aus Italien. "Und wer hat Italien vor der Haustür?" fragte sie rhetorisch. Jedenfalls nicht die Deutschen, musste Trude zugeben. Ausserdem hatte die Frogg die englische Sprache auf ihrer Seite: Diese bezeichnet Peperoni als "peppers", Paprika aber als "Paprika" (sie kann ihn ja nicht gut "pepper" nennen, das wäre missverständlich). Und die englische Sprache war schon damals das Mass aller Dinge.

Dass Trude unbelehrbar blieb, verzieh ich ihr. Wir waren schliesslich ein multikulturelles Kinderheim. Ich hielt einfach die Deutschen für etwas kulturlos und vergass den Vorfall. Erst der geschätzte Herr Steppenhund rief ihn mir wieder in Erinnerung, indem er neulichdas österreichische Wort "Pfefferoni" ins Spiel brachte und damit offenbar das hier meinte:


(Quelle: www.almbig.at)

Ich muss zugeben, das hat mich verwirrt und Fragen aufgeworfen. So viele, dass ich jetzt Paprika, Peperoni und all das Zeug ins Pfefferland wünsche. Und froh bin, dass es noch Tomaten gibt. Die heissen zum Glück fast überall gleich!

3
Mai
2008

Pilaw-Reis(e)

Bei meinem geschätzten Kollegen syro0 habe ich kürzlich die so genannte Unterhaltungsliteratur gelobt - für ihren hohen Gebrauchswert. Wollte ich jetzt mein Gesicht gegenüber Liebhabern hochstehender Literatur wie Herrn syro0 wahren, müsste ich ein Hohelied auf Orhan Pamuks Rot ist mein Name anstimmen. Denn dieser Roman erfüllt, nur schon was die Konstruktion betrifft, höchste Ansprüche (seufz!). Ich will mein Gesicht aber gar nicht wahren und werde das Buch hier nicht deswegen loben. Nein. Ich werde es loben, weil es mir mit seinem hohen Gebrauchswert einen Dienst erwiesen hat.

Es war vor ein paar Tagen, als sich die Stachanowa bei mir zum Mittagessen angemeldet hatte. Es war schon zehn Uhr, ich war eben aufgestanden, las noch ein bisschen und grübelte gleichzeitig darüber nach, was ich kochen sollte. Die Stachanowa ist ein schwieriger Gast:
1) Sie mag keine Käsegerichte. Und das, wo Käse im Hause Frogg das eigentliche Grundnahrungsmittel ist!
2) Sie ist eine hart arbeitende Dienstleistungssklavin, und die Frogg weiss aus Erfahrung: Da muss es etwas Kräftiges, darf es aber nichts allzu Schweres sein.
3) Die Frogg hat ein durch strenge Diätvorschriften und eine generelle Kochfaulheit stark eingeschränktes Repertoire.
4) Ich habe die Stachanowa im Verdacht, dass sie eine heikle Esserin ist und nebst Käse allerhand andere Spezialitäten aus der Frogg'schen Cuisine nicht mögen würde: zum Beispiel Linsen oder Kichererbsen.

Deshalb wollte ich gerade verzweifeln, als mir aus Pamuks Buch das Wort Pilaw in die Augen stach. "Ja!" rief die Frogg, "Ja, Pilaw soll es werden!" Ich wusste nur, dass Pilaw aus Reis und Fleisch besteht und ein Eintopf ist. Aber all das klang gut. Sehr gut. Ich suchte im Internet ein Rezept und fand dieses:

Türkischer Pilaw
Zutaten:
6 Pouletbrustfilets, halbiert
1 Zwiebel
2 rote Peperoni
4 EL Olivenöl
250 g Reis (Langkornreis)
100 g Rosinen
500 ml Gemüse- oder Hühnerbouillon
0,2 g Safran
Salz
Pfeffer
Kreuzkümmel, gemahlen
Ingwer, gemahlen oder etwas Ingwer, frisch gehackt

Zubereitung
Pouletbrustfilets waschen, trocken tupfen und in Stücke schneiden. Zwiebel schälen und würfeln. Peperoni putzen, waschen und würfeln. Olivenöl in einer hohen Pfanne erhitzen und die Fleischstücke darin anbraten. Zwiebel- und Peperoniwürfel zugeben und mitbraten. Reis und Rosinen zugeben und mit Hühner- oder Gemüsebouillon angiessen. Mit Safran, etwas Ingwerpulver oder etwas frischem, fein gehacktem Ingwer, Salz, Pfeffer und etwas gemahlenem Kreuzkümmel würzen. Etwa 20 - 30 Minuten bei schwacher Hitze köcheln lassen, bis der Reis weich ist. Gegen Ende kontrollieren, ob noch etwas Bouillon nachgefüllt werden muss. Am Ende der Garzeit sollte allerdings die ganze Flüssigkeit vom Reis aufgesogen sein.
(Quelle: www.chefkoch.de, von mir in ein auch in der Schweiz verständliches Deutsch übersetzt)

Ich ging einkaufen, kochte und dachte zufrieden: "Da hat mir der Pamuk aber schön aus der Bredouille geholfen!" Nur: Als der Pilav so in der Pfanne vor sich hinköchelte (noch ohne Safran), sagte ich zum bereits anwesenden Mitesser, Herrn T.: "Eigentlich sieht das genau so aus wie das so genannte serbische Reisfleisch, das uns Mutter Frogg in den siebziger und achtziger Jahren vorzusetzen pflegte. Und es schmeckt auch ähnlich."

"Ja, liebe Frogg, da hast Du uns ein richtiges helvetisches Fünfzigerjahregericht gekocht!" grinste er. Ich schwieg. Ich habe gelernt zu schweigen, wenn ich gekränkt bin. Ich rührte in der Pfanne und grübelte still über die Verwandtschaft von serbischem Reisfleisch und türkischem Pilav nach. "Eigentlich keine Überraschung", sagte die Frogg schliesslich altklug zu sich selber, "Schliesslich hat Serbien einmal zum osmanischen Reich, also der Türkei, gehört. Warum sollte man dort nicht kochen wie in der Türkei?"

Nach dem Mittagessen wollte ich es dann genauer wissen und googelte wieder mal. Dabei stellte ich fest: Der Teufel steckt im Detail. Serbisches Reis ist nicht gelb, sondern rot. Eingefärbt mit Tomaten und Paprika (nicht Peperoni!!!).

"Roter Reis... hmmm... Balkan... hmmm", grübelte die Frogg, und dann fiel mir ein, was mir daran so zu denken gab: Neulich habe ich einen Kosovarenbuben nach seinen Lieblingsspeisen gefragt. Nebst Pommes erwähnte er Rotes Reis: "Weisst Du, Reis, das mit so Sachen rot gemacht ist... mit Tomaten und so...", sagt er. Sollte serbisches Reis mittlerweile gar nicht mehr serbisches Reis sein, sondern kosovarisches Reis? Oder ist das sowieso im Reiskern alles ein- und dasselbe? Schweizerisch serbisches Reis, Pilav nach deutschem Rezept, kosovarisches Reis?

Jedenfalls ass die Stachanowa meinen Pilav ohne Klage und nachher musste die Frogg eine Weile googeln, um alle ihre Reisfragen zu klären. Mit Pamuk geriet ich deswegen ein wenig ins Hintertreffen. Aber ich werde bald mehr davon erzählen (und von Pamuk).

28
Apr
2008

Rock-Dinosaurier

Die Frogg hat, weiss Gott, nichts gegen Rockmusik. Aber den Besuch eines Live-Konzerts der Rolling Stones hat sie ein Leben lang verweigert: zu mühselig, zu teuer. Und von ihren alten Stones-Platten hat die Erfindung der CD sie in den achtziger Jahren entfremdet. Doch dank Shine A Light hat sie wenigstens eine Ahnung bekommen, wie diese Dinosaurier unter den Rockbands auf der Bühne sind. Das ist das grosse Verdienst des Konzertfilms von Martin Scorsese. Endlich bekam sie doch noch zu sehen, wie Mick Jagger herumhampelt.


(Hier mit Christine Aguilera, Bild: starpulse)

Wie Keith Richards seine Gitarre streichelt und so weiter... Und es wirkt: Die Show reisst mit.

Der Film hat ihr ausserdem verständlich gemacht, warum die Band eine Legende ist: Weil sie einen ständig verblüfft oder zum Staunen bringt. Darüber, wie Mick Jagger ein gut betuchtes New Yorker Publikum dazu bringt, beim Song Brown Sugar fröhlich mitzusingen - obwohl der Song doch über so unanständige Dinge wie weisse Sklaventreiber, Sex und Heroin ist (Hillary Clinton sass im Publikum). Darüber, dass die Stones mit Far Away Eyes einen süsslichen Country-Song bringen und das Genre zugleich verballhornen. Darüber, dass Mick Jagger (immerhin 65) noch keine Gelenkarthrose hat und Keith Richards (auch 65) keine Leberzyrrhose und dass Charlie Watts (67) sich selber immer noch trommeln hört... also darüber, dass das Alter sie noch nicht von der Bühne geholt hat*.

Dem Staunen darüber räumt auch Scorsese Platz ein: Zwischendurch zeigt er Ausschnitte aus alten Interviews mit Stones-Mitgliedern. Sie sind zwar nur dazu da, die Musikblocks etwas aufzulockern. Ein klares Konzept scheint jedenfalls nicht hinter der Auswahl zu stehen. Aber einige davon haben ein Thema: die Frage an die noch jungen Stones, wie lange sie überhaupt noch weitermachen wollten. Klare Antworten gibts zwar keine, nur neue Verblüfftheit.

Immerhin lässt der Streifen aber ahnen, womit die Burschen so lange durchgehalten haben: mit Spass an der Sache (er scheint echt). Und mit einer hoch professionellen Einstellung - was neue Verblüffung auslöst, passt es doch schlecht zum überbordenden Drogenkonsum, den man den Stones jahrelang nachgesagt hat.


* Eine Bekannte von mir sagt, sie würden mit einem Geriater touren... aber dennoch.
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