2
Apr
2008

Kaffeerausch in London

"Ach, hier will uns wieder mal jemand erzählen, wie schlecht der Kaffee in London ist!" habt Ihr gedacht, als Ihr diesen Titel gelesen habt. Nicht wahr? Aber weit gefehlt. Ich werde genau das Gegenteil behaupten: In London kann man heute richtig guten italienischen Espresso trinken! Glaubt mir, ich kann die Qualität von Kaffee neuerdings gut beurteilen, ich habe nämlich im letzten Herbst einen Kaffee-Entzug gemacht. Aus gesundheitlichen Gründen (Meniere-Kranke sollten keinen Kaffee trinken, habe ich irgendwo gelesen). Nun, der Entzug war kein Sonntagsspaziergang, aber er hat sich gelohnt: Seither trinke ich Kaffee nicht mehr dröge am Morgen, um überhaupt wach zu werden. Nein, ich gönne mir ein- oder zweimal die Woche nachmittags einen Espresso mit Zucker als Genussmittel. Aber nur dort, wo ich auch guten Kaffee bekomme!

Denn von gutem Kaffee bekomme ich jetzt ganz wunderbare Kaffeeräusche! Habe ich Kaffee getrunken, bin ich glücklich, inspiriert und jeder schöne Anblick fährt mir ein, als wäre ich manisch depressiv und gerade auf einem Hoch. Von einem doppelten Espresso mit Zucker bekomme ich gar einen Schwips, der jenem von zwei kleinen Gläsern Wodka nicht unähnlich ist (und das will etwas heissen, denn früher hat die Frogg immer behauptet, die besten Räusche bekomme man von genau zwei kleinen Gläsern Wodka).

Einen richtig guten doppelten Espresso trank ich an unserem zweiten Tag an der King's Road im Londoner Nobelviertel Chelsea. Seine Wirkung machte sich bereits bemerkbar, als Veronika und ich das Café verliessen und ins eher weniger gut situierte East End weiter wollten. Ich war bei bester Laune. "Nehmen wir den Bus?" fragte ich, zu einem Experiment aufgelegt. Und wir hatten auch noch unanständig viel Glück: Wie von Geisterhand gesteuert trudelte ein solcher Bus aus Westen die King's Road herauf:


(Bild geklaut von www.countrybus.org)

Ja, richtig, der Bus No. 11 fährt von der King's Road aus direkt nach Osten, und vor allem: Er fährt auf dem Weg dorthin mitten durch das Herz von London: durch die Whitehall, vorbei am Trafalgar Square, durch den Strand und die Fleet Street, vorbei an der St. Paul's Cathedral und ungefähr bis zum noch neuen, aber schon berühmten "Gherkin"* der Swiss Re von Norman Foster. Der Bus No. 11 sei jedem London-Anfänger als Einstieg empfohlen! Und wir fanden erst noch ein gutes Plätzchen zuvorderst im oberen Stock des Doubledeckers. Von dort aus bestaunten wir die zu einem bizarren orientalischen Tempel gewordenen roten Ziegel der Westminster Cathedral. Und sahen in der Ferne die Statue von Admiral Nelson in Regen und Nebel strammstehen. Kurvten am edlen Hotel Waldorf vorbei und riefen "aaah!", als in der Ferne die Renaissance-Kathedrale mit der grossen Kuppel zu sehen war - mit den Hochhäusern der City als Hintergrund. Weiss Gott, ich bin schon ein paarmal in London gewesen und habe viel von der Stadt gesehen. Aber diese Fahrt und der Kaffee machten mich rasend vor Begeisterung.

Leider konnte ich das alles nicht fotografieren, dazu regnete es zu sehr. Statt dessen hier die Londoner City vom Südufer der Themse her gesehen (die Swiss-Re-Gurke ganz rechts im Bild).

DSCN0647
(Der London-Reise zweiter Tag, 14. März 08)

* Gürkchen

1
Apr
2008

Wem der Big Ben schlägt

Als wir nach unserem Spaziergang durch die Parks von London endlich beim Big Ben ankamen, schlug er gerade vier Uhr. Oder war es fünf? Ich wollte schnell auf meiner Armbanduhr nachsehen, aber... meine Armbanduhr war weg.

Meine schöne Armbanduhr! Die Uhr, die mir meine Eltern zum 40. Geburtstag geschenkt hatten. Schlicht, elegant und nicht ganz billig. Jene Uhr, auf die ich stets mit einer Selbstzufriedenheit geguckt hatte wie nur gut situierte Menschen sie verströmen. Jene Uhr, die ich noch vor wenigen Stunden im Flugzeug eine Stunde zurückgestellt hatte. Wegen der Zeitverschiebung in England. Die Uhr, deren Verschluss schon immer ein wenig zu locker gesessen hatte.

Sie musste mir im Hyde Park unbemerkt von Arm gerutscht sein. Oder vor dem Buckingham Palace. Oder im St. James' Park, bei den ersten Osterglocken und Blue Bells.

In jenem Moment merkte ich, dass ich zuvor gar nicht gewusst hatte, wie glücklich ich gewesen war.

DSCN0609

(Der London-Retrospektive erster Teil, Tagebuchnotizen vom 13. März 08)

31
Mrz
2008

Wenn Freundinnen mitlesen

Es war Acqua, die vor einer Weile die Diskussion lanciert hat, ob man seine Freundinnen und Freunde hier am Blog mitlesen lassen soll oder nicht. Ich habe damals meinen Senf nicht dazugegeben, weil die Frogg zu diesem Thema keine Prinzipien hat. Im Grunde finde ich, bloggen ist wie einem Fremden im Zug seine Lebensgeschichte erzählen. Ein Fremder wird eine gute Geschichte zu schätzen wissen und fertig. Kein: "Das sieht Isabelle aber ganz anders!" Kein: "Ach neeeiiin! Jetzt kommt sie wieder mit dieser alten Platte!" Und doch lasse ich immer mal wieder Freunde mitlesen, vor allem dann, wenn sie im Blog vorkommen. Alles andere fände ich unanständig.

Veronika las bislang nicht mit. Obwohl sie in meinem Blog öfter vorkommt, meist als Mutter meines Göttibuben Tim. Ich wollte mich ja nicht schämen. Schliesslich finde ich selber, dass so ein Blog im Grunde eine unredliche Sache ist - weder Journalismus noch Fiktion, und das alles erst noch unter falschem Namen publiziert. Ich war mir nicht sicher, ob Veronika so etwas hätte gut finden können. Schliesslich befasst sie sich fast nur mit seriösen, redlichen Dingen: Sie stellt sich gerade einer neuen beruflichen Herausforderung - und das mit zwei noch recht kleinen Kindern. Ob sie für etwas so Frivoles wie einen Blog Verständnis haben würde?

Sie hatte, wie sich zeigte, als ich am Samstag dann doch leer schluckte und ihr einen Link aus meinem Blog schickte. Wie ich gewusst hatte, las sie sofort alles für sie Relevante hier und noch viel mehr. Gott weiss, wann sie sich die Zeit dafür nahm. Wahrscheinlich dann, wenn faule Leute wie die Frogg ihr schier unerschöpfliches Schlafbedürfnis bedienen. Und dann tat sie etwas in den Annalen der froggschen Bloggerei nie Dagewesenes: Sie beschwerte sich.

Sie beschwerte sich in freundlichem und durchaus leicht neckendem Ton: Sie werde in meinem Blog auf ihre Mutterrolle reduziert, schrieb sie schon am Sonntag. Stimmt, stellte ich fest. Merkwürdig. Nein, doch nicht so merkwürdig. Natürlich hat es auch damit zu tun, dass ich hier nicht einfach wahllos Geschichten über meine Freundinnen auftische. Es aber auch so, dass ich die Frogg manchmal dabei beobachte, wie sie die Mutterrolle intensiv studiert. Einfach, weil sie weiss, dass sie sie selber nie spielen und daher auch nie wissen wird, wie sie sich wirklich anfühlt. Nicht, dass ich das oft als Mangel empfinde. Ich bin einfach neugierig. Und Veronika ist nun mal eine der wenigen Mütter meiner Generation, die ich besser kenne.

Ja, und am nächsten Tag beschwerte sich Veronika gleich nochmals, wieder in diesem leichten, fröhlichen Ton. Wie ich darauf komme, sie Veronika zu nennen!? Für sie klinge das nach drallem, altmodischem Landei.

Also, da muss ich sagen: Für mich ist das nicht so. Ich hatte eine entfernte Bekannte namens Veronika. Eine durchaus urbane, künstlerisch tätige und erst noch gertenschlanke Frau in meinem Alter. Ich gebe aber zu: Der Name ist für einen Blog nicht sonderlich originell. Deshalb, liebe Veronika, verspreche ich: Ich werde über die Bücher gehen und Dir einen neuen Namen suchen. Vielleicht geht es nicht so schnell. Aber ich werde schon etwas finden, was Dir gefällt.

Und für Euch andere: Da seht Ihr, was man sich einhandeln kann, wenn man seine Freunde mitlesen lässt! Spannend, oder?

28
Mrz
2008

Von der Leine gelassen

Manchmal kommt es mir vor, als sei ich wochenlang ein braver Hund gewesen, irgend so ein kurzbeiniger. Als sei ich wochenlang einem unsichtbaren Herrchen gefolgt. Als hätte ich an seiner Leine immer dieselben Strassenecken besucht, dieselben Baumwurzeln beschnuppert, als hätte ich folglich immer dasselbe gedacht, geträumt, und gefühlt, Tag für Tag. Und als sei dann eines Abends im Dämmerlicht jemand gekommen, hätte mich vor einer frischen, kühlen Wiese von der Leine gelassen und mir erlaubt, mich für einen Abend lang in diese Wiese zu stürzen in ein neues Abenteuer.

Gestern war so ein Abend. Danke Dir und Dir und Dir! Und auf weitere Abenteuer!

26
Mrz
2008

Nicht mehr kussbereit

Freunde, das "Journal einer Kussbereiten" ist nutzlos geworden. Ich begann es zu einer Zeit, als ich am Morgen schon beim Aufwachen unglücklich war und beim Gedanken ans Aufstehen geradezu lebensmüde wurde. Inzwischen hat sich einiges geändert. Ich weiss ganz genau, warum ich aufstehe, und ich freue mich auf das, was ich tun werde. Die Tage sind mir sogar zu kurz geworden.

Soll ich jetzt aufhören, hier zu bloggen? Eigentlich müsste ich das tun. Denn mit diesem Blog bin ich nicht richtig glücklich. Er dümpelt in einem Niemandsland zwischen Gesellschaftsspiel, Befindlichkeitsbekundung und literarischem Experiment. Ich habe hier meinen Stil und meine Stimme nie gefunden. Die Frogg hat ihren Humor verloren, ihre dringendsten Themen abgehandelt und ihren Drang zum ausufernden Schwadronieren dem Zwang zur Kürze geopfert.

Und dennoch. Ich glaube, ich bin das, was irgendjemand einmal eine "kompulsive Bloggerin" genannt hat. Wenn ich nicht blogge, bin ich auch nicht glücklich.

Ich werde hier also bei Gelegenheit mein Profil ein bisschen überarbeiten, und dann weitermachen. Vielleicht finde ich ja wieder eine Stimme, einen Stil, eine Dringlichkeit. Auf der Suche danach werde ich das tun, was ich am liebsten tue: Ich werde meine Reisenotizen durchforsten (jene der letzten zwei Wochen) und Euch eine gründliche London-Retrospektive präsentieren.
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