Letzter Besuch
Heute muss Grossmutter Walholz ins Heim. Es war höchste Zeit. Dass so schnell ein Platz für sie da war, verdanken wir laut meiner Mutter einer guten Portion Vitamin B meines Onkels.
Gestern habe ich sie zum letzten Mal zu Hause besucht. Sie lag in ihrem Bett wie ein verletztes Vögelchen in seinem Nest. Sie ist einmal 90 Kilo schwer gewesen. Sie hatte Schuhgrösse 43. Aber jetzt war sie so klein. Sie sagte: "Ich habe geträumt, dass ich schon wieder gesund bin. Ich bin im Traum umhergegangen." Beim Abschied sagte ich: "Viel Glück morgen. Ich werde fest an Dich denken!" Aber ich bin nicht sicher, ob sie mich verstanden hat.
Dann gingen wir hinaus. Die Wiesen draussen waren zum Bersten grün. Weit oben am Hang sah ich das Wäldchen, bei dem mir mein Grossvater früher abends die Rehe gezeigt hat. "Vielleicht bin ich zum letzten Mal hier", dachte ich. Ich wollte weinen. Aber es war kein guter Moment zum Weinen. Meine Eltern waren dabei.
Wir fuhren los. Irgendwann sagte meine Mutter: "Ich sehe sie vor mir, als wärs gestern gewesen. Es war ihr 50. Geburtstag." Das muss 1970 gewesen sein. "Sie trug dieses hellblaue Kleid, und sie hatte einen Kisag-Bläser in der Hand. Sie sagte: 'Jetzt bin ich 50. Jetzt werde ich mir nicht mehr von jedem sagen lassen, was ich tun muss!'" Ich war verblüfft. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Grossmutter je ein gefügiges Huscheli gewesen ist. Mein Vater sagte: "Da blinzelten wir einander an und dachten: 'Na, gut, dann bleibt ja alles beim Alten!'"
Später stand ich am Bahnhof unserer Stadt. Es war gerade Stosszeit. Sonst finde ich das Gedränge am Bahnhof um diese Zeit nicht zum Aushalten. Aber jetzt fand ich es grossartig. Diese wachen Augen! Dieser Lärm! Dieses Leben!
Gestern habe ich sie zum letzten Mal zu Hause besucht. Sie lag in ihrem Bett wie ein verletztes Vögelchen in seinem Nest. Sie ist einmal 90 Kilo schwer gewesen. Sie hatte Schuhgrösse 43. Aber jetzt war sie so klein. Sie sagte: "Ich habe geträumt, dass ich schon wieder gesund bin. Ich bin im Traum umhergegangen." Beim Abschied sagte ich: "Viel Glück morgen. Ich werde fest an Dich denken!" Aber ich bin nicht sicher, ob sie mich verstanden hat.
Dann gingen wir hinaus. Die Wiesen draussen waren zum Bersten grün. Weit oben am Hang sah ich das Wäldchen, bei dem mir mein Grossvater früher abends die Rehe gezeigt hat. "Vielleicht bin ich zum letzten Mal hier", dachte ich. Ich wollte weinen. Aber es war kein guter Moment zum Weinen. Meine Eltern waren dabei.
Wir fuhren los. Irgendwann sagte meine Mutter: "Ich sehe sie vor mir, als wärs gestern gewesen. Es war ihr 50. Geburtstag." Das muss 1970 gewesen sein. "Sie trug dieses hellblaue Kleid, und sie hatte einen Kisag-Bläser in der Hand. Sie sagte: 'Jetzt bin ich 50. Jetzt werde ich mir nicht mehr von jedem sagen lassen, was ich tun muss!'" Ich war verblüfft. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Grossmutter je ein gefügiges Huscheli gewesen ist. Mein Vater sagte: "Da blinzelten wir einander an und dachten: 'Na, gut, dann bleibt ja alles beim Alten!'"
Später stand ich am Bahnhof unserer Stadt. Es war gerade Stosszeit. Sonst finde ich das Gedränge am Bahnhof um diese Zeit nicht zum Aushalten. Aber jetzt fand ich es grossartig. Diese wachen Augen! Dieser Lärm! Dieses Leben!
diefrogg - 12. Aug, 19:12
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